••• Von Katrin Pfanner
Unter Digital Healthcare oder E-Health werden – fälschlicherweise – oft nur technische Lösungen für Gesundheitsprobleme verstanden. Doch die Technik ist oft schon vorhanden, die Gesamtgestaltung von Betreuungssystemen und ihrer Anwendung ist die Krux, hieß es bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen.
Vernetzung in Erprobung
Systeme zur telemedizinischen Betreuung sind in Österreich oft noch in Testphasen etwa von Diabetikern sowie, in Tirol und in der Steiermark, mit „Herz-Mobil” – einem Netzwerk, bei dem Herzinsuffizienzpatienten täglich ihren Allgemeinzustand, Blutdruck- und Gewichtsdaten via Handy-App übermitteln. Betreuende Klinikabteilung, der behandelnde niedergelassene Arzt und spezialisiertes Krankenpflegepersonal können dann im Bedarfsfall reagieren. Den Patienten bietet das mehr Sicherheit.
„An Herzinsuffizienz leiden in Österreich 300.000 bis 350.000 Menschen. Bei über 65-Jährigen ist sie der häufigste Aufnahmegrund ins Krankenhaus”, sagte der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP). „Die Rehospitalisierungsrate ist um 50 Prozent gesunken”, sagte Tilg. Im Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten Spitalsaufnahme reduzierte sie sich durch die bessere „Heimüberwachung” von 50 auf 25%.
Herzpatienten betreut
Die Kardiologie ist in Sachen Telemedizin ein Vorreiter. Martin Schulz vom deutschen Herzzentrum Bad Oeynhausen führte einige Anwendungen an: Die tägliche Kontrolle der Blutgerinnung innerhalb enger Grenzen bei Patienten mit implantierter Herzpumpe, die Begleitung von mehr als 2.000 Herzinsuffizienzpatienten, die Kontrolle der Funktion und des Zustands von Patienten mit implantierten Herzschrittmachern und das Coachen von Patienten mit Insulinpumpen. „In Zukunft werden die Herzschrittmacher auch kleine Event-Recorder aufweisen, die EKGs aufzeichnen”, sagte der Experte. Das soll die Betreuung von Menschen mit Rhythmusstörungen verbessern.
„Die Technologie ist aber nur ein ‚bescheidener' Beitrag”, sagte Günter Schreier vom Austrian Institute of Technology (AIT). Vielmehr macht der Einbau von digitalen Technologien in den Ablauf der medizinischen Versorgung von Patienten den entscheidenden Punkt aus. Ärzte müssen neu mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten lernen; Ordinationsabläufe müssen für Telemedizin angepasst, Dienstpläne in Kliniken adaptiert werden.
Ideen für Österreich
Die Systeme dürften in Zukunft das Gesundheitswesen nachhaltig verändern. Der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Winfried Pinggera, will durch digitale Systeme etwa die Rehabilitation näher an die Versicherten bringen und den Zeitraum der Wirksamkeit einer stationären Rehabilitation durch E-Health-Nachfolgeprogramme erhöhen. An sich besitzt Österreich mit der E-Card und der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) gute Voraussetzungen für Digital Healthcare. Für den Generaldirektor der neuen Österreichischen Gesundheitskasse, Bernhard Wurzer, fehlt es aber noch immer an der Grundsatzentscheidung, diese Systeme umfassend einzuführen, zu evaluieren und anzuwenden.
Vertreter des Forschungsrats forderten in Alpbach aber auch eine Diskussion über ethische Aspekte des digitalen Wandels. „Der digitale Wandel muss von der Gesellschaft gestaltet werden”, forderten sie. Bei Fragen der Bioethik habe man in Österreich mittlerweile ein hohes Niveau und klare rechtliche Antworten auf Fragen, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Markus Hengstschläger, der auch Mitglied der Bioethikkommission ist; ein entsprechendes Beratungsgremium zu Themen der digitalen Transformation gebe es aber nicht. Man müsse Fortschritte ermöglichen, aber auch den Ängsten der Menschen begegnen, sagte er.