••• Von Martin Rümmele
Die Fronten im von der Regierung losgetretenen Streit über die Verlängerung der Arbeitszeit sind klar. Die Wirtschaft scheint dafür, die Gewerkschaft dagegen. Beide Seiten untermauern das nun mit Umfragen, die die jeweiligen Argumente bestätigen.
Zwei Drittel der Beschäftigten machen bereits jetzt Überstunden, rund 18% sogar häufig. Das zeigen der Österreichische Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer und die Statistik Austria. Je länger die Menschen arbeiten, desto geringer ist demnach ihre Lebenszufriedenheit, ihre Zufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit und ihre Zufriedenheit mit der Arbeitszeit. Drei Viertel der Beschäftigten, die zumindest 40 Stunden pro Woche arbeiten, wollen die Arbeitszeit reduzieren, sagt Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer.
42% der Beschäftigten, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten und häufig Überstunden machen, können Beruf und Privatleben nur schlecht vereinbaren. Mehr als die Hälfte von ihnen ist mit der eigenen Arbeitszeit unzufrieden. 42% leiden unter Zeitdruck, ein Drittel unter permanentem Arbeitsdruck. Fast die Hälfte derer, die häufig Überstunden machen, denkt auch in der Freizeit an den Job und kann schwer abschalten. Ein Viertel fühlt sich weniger leistungsfähig – das sind doppelt so viele, wie bei jenen, die kaum oder keine Überstunden machen. „Es sollte also auch den Unternehmen ein Anliegen sein, dass ihre Beschäftigten weniger arbeiten. Je länger die Menschen arbeiten, desto geringer ist ihre Produktivität”, erklärt Kalliauer.
WKO sieht Vorteile
Die Wirtschaftskammer sieht das wiederum anders. Eine von ihr beauftragte aktuelle Market-Umfrage zeigt: 76% der Arbeitnehmer sind davon überzeugt, dass heute mehr Flexibilität notwendig ist als früher. Und 73% sagen, dass sie flexibel und bereit sind, phasenweise länger zu arbeiten. „Niemand will, dass permanente 12-Stunden-Tage die Regel sind, aber fallweise längerem Arbeiten steht die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer positiv gegenüber, und viele machen dies auch bereits”, stellt daher Rolf Gleißner klar, stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik in der WKO.
Konkret kennen mehr als die Hälfte der Österreicher den 12-Stunden-Tag heute schon, nämlich in Gesundheitsberufen, im öffentlichen Dienst oder im Verkehrsbereich. Auch in 41% der Industriebetriebe gibt es Sonderüberstunden. „Wenn es bei Polizisten und Krankenschwestern geht, muss ein Arbeitstag mit mehr als zehn Stunden an einzelnen Arbeitstagen doch auch bei Büroangestellten möglich sein.”
Kalliauer betont hingegen: Überlange Arbeitszeiten und Überstunden machen auch krank – sie führen zu einem höheren Risiko für Schlaganfälle und Herzerkrankungen sowie zu körperlicher Erschöpfung, Schlafstörungen oder Rücken- und Kreuzschmerzen. „Die Beschäftigten nehmen all das in Kauf, weil sie ihren Arbeitsplatz nicht gefährden wollen.” Das zeigt sich auch bei aktuellen Daten der Krankenstände, wo sich die Zahl der Fehlzeiten seit Jahren auf niedrigem Niveau bewegt. 2017 waren Arbeiter und Angestellte – wie schon im Jahr davor – im Jahresdurchschnitt 12,5 Tage krank. Die Tendenz ist seit Langem rückläufig.
Tatsächlich zeigt sich die Belastung auch bei den Gesundheitsberufen: In der 12. Stunde ist das Unfallrisiko um 70% höher als zu Beginn der Arbeit. Auch die Leistungsfähigkeit reduziert sich nach acht bis neun Stunden deutlich. Nicht zuletzt deshalb wird seit einiger Zeit versucht, die Arbeitszeit von Gesundheitsberufen zu verringern. Das Hauptproblem ist allerdings die demografische Entwicklung, werden doch gerade im Gesundheitsbereich die Beschäftigten immer älter und leiden damit unter der gleichzeitig wachsenden Belastung.
Entlastung in Spitälern
Nicht zuletzt deshalb warten dieser Tage Vorarlberger Landeskrankenhäuser vor den Folgen. Denn in den kommenden zehn Jahren wird dort die Hälfte aller Beschäftigten über 50 Jahre alt sein, die Zahl der Über-56-Jährigen wird sich verdreifachen. Ein Drittel der Altersgruppe „50 plus” ist es aber auch, die ihre Fähigkeit, die ihnen zugeteilten Aufgaben zu bewältigen, als mäßig bis kritisch einstufen, ergab nun eine Mitarbeiterbefragung. Den Fokus wollen sowohl die Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) als auch der Zentralbetriebsrat künftig auf alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen, die Früherkennung von Disbalancen in der Arbeitsbewältigungskonstellation und eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie legen. Als Beispiele wurden etwa mehr bezahlte Urlaubstage, Pausen, dann wenn man sie braucht, oder ein Ausbau der Kinderbetreuung genannt.