••• Von Martin Rümmele
Weniger Krankenversicherungsträger, weniger Funktionäre, Einsparungen in der Höhe von einer Milliarde und gleiche Leistungen für die Versicherten. So stellt sich die schwarz-blaue Regierung die Reform der Krankenversicherungen vor. Doch während sie sich selbst für „die größte Reform” aller Zeiten feiert, lassen Beobachter kaum ein gutes Haar an den Vorschlägen. Und diese Kritiker kommen nicht nur, wie die Regierung abblockt, von Funktionären, die um ihre Pfründe fürchten. Die ursprünglich aus der ÖVP kommende Rechnungshofpräsidentin kann die erwarteten Einsparungen nicht nachvollziehen, Christgewerkschafter wollen mobil machen, die Länder geben sich abwartend und pochen auf den finalen Gesetzesvorschlag, und der schwarze AUVA-Obmann Anton Ofner vermisst schlicht die Zieldefinition.
„Zahlenspiele”
Der ebenfalls schwarze Chef des Sozialversicherungsträger-Hauptverbands, Alexander Biach, wünscht sich bei der Kassenreform einen Stufenplan, der als zweiten Schritt auch eine Leistungsharmonisierung zwischen unselbstständig Beschäftigten, Selbstständigen und Beamten bringt. Dass das teurer werde, „da sollte man den Menschen reinen Wein einschenken, auch die Politik”, sagt er. Generell zeigte er sich von Einsparungsversprechungen nicht begeistert: „Ich habe keine Lust, den Menschen irgendwelche Zahlenspiele vorzugaukeln. Das, was zählt, das sind verbesserte Leistungen, und dass das System stabil ist”, betont Biach. Wichtig sei bei der Fusion, „dass wir das diesmal klug machen und nicht mit der Brechstange”. Kosten würde eine Harmonisierung von Leistungen laut Berechnungen der London School of Economics bis zu 400 Mio. € pro Jahr. Eine Nivellierung nach unten schließt Biach aus. Zum Vergleich: Die Regierung rechnet mit Kosten von einer Milliarde in fünf Jahren – das wären 200 Mio. € pro Jahr. Kommen soll das Geld aus Einsparungen in der Verwaltung. Die kostet allerdings innerhalb der gesamten Sozialversicherung 492 Mio. €. Auf die enorme Diskrepanz angesprochen, verteidigt Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) die Reform; man werde sehen, dass das gehe, betont sie, ohne Details zu nennen.
Gute Noten für’s System
Gegenwind kommt indes auch von Wissenschaftern. Die sehen den Reformbedarf nämlich schlicht gegeben und Österreichs Sozial- und Gesundheitssystem auf einem guten Weg. Insgesamt habe sich die Qualität und der Zugang zu den Gesundheitssystemen weltweit verbessert, lobt eine Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde. In der Rangliste liegen Island (97,1 Punkte von 100), Norwegen (96,6) und die Niederlande (96,1) an der Spitze. Österreichs Gesundheitssystem kommt mit insgesamt 93,9 von 100 Punkten auf Platz 13 – im Jahr 2000 waren es noch 87,4, im Jahr 1990 gerade 80,9 Punkte. Von den Experten bekam Österreich fast durchgehend gute Werte, lediglich in Sachen Hautkrebs scheint aufgrund von lediglich 42 Punkten Verbesserungsbedarf zu bestehen. Deutschland landete mit 92 Punkten übrigens auf Platz 18.
Die Forscher haben für die Rangliste die Folgen von 32 Erkrankungen in 195 Ländern betrachtet, darunter unter anderem Krebs, Schlaganfälle und Epilepsie. „Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass sowohl der Zugang als auch die Qualität der Gesundheitsversorgung dringend verbessert werden müssen”, meint Hauptautor Rafael Lozano von der Universität Washington. „Sonst entsteht eine große Lücke zwischen den Angeboten der Gesundheitssysteme und den gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung.”
Lob kommt für die Regierung hingegen von der EU: „Eine Reform der hohen Anzahl an Krankenkassen ist ein Schritt in die richtige Richtung”, sagte Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater der Kommissionsvertretung in Österreich.