INDUSTRIAL TECHNOLOGY
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britta biron 29.05.2015

„3D-Druck ist per se kein Erfolgsgarant”

Zukunftstechnologie Anlässlich des 3D-Printing Forums sprach medianet mit Jan T. Sehrt, Leiter des Rapid Technology Centers der Uni Duisburg-Essen, über Trends, Chancen und Risiken der additiven Fertigung.

Wien. Verschiedene Studien prophezeien dem 3D-Druck eine glänzende und vor allem baldige Zukunft. Kaum eine Woche, in der nicht neue Verfahren, neue Materialien und neue Geräte präsentiert oder Studien vorgestellt werden, die die raschen Fortschritte im industriellen Einsatz der additiven Fertigung zeigen. Anlässlich des diesjährigen 3D-Printing Forums in Wien nutzte medianet die Gelegenheit, mit Jan T. Sehrt, Leiter des Rapid Prototyping Centers der Universität Duisburg-Essen und einer der international führenden Experten, über Chancen und Risiken, Erwartungen und Trends zu sprechen.

medianet:
Jeder kann alles zu jeder Zeit und überall und ohne aufwendige Nachbearbeitung per 3D-Druck herstellen. Das klingt natürlich faszinierend und erklärt vermutlich auch das große Inter-esse …
Jan T. Sehrt: Ja, es klingt tatsächlich faszinierend, aber leider ist diese Hypothese schon im Ansatz falsch. Denn erstens kann nicht jeder diese Technologie verwenden, denn dafür braucht es klarerweise gut ausgebildetes Fachpersonal. Zweitens muss man auch bedenken, dass sich die additiven Fertigungsverfahren nicht für alle Produkte eignen. Und drittens ist in vielen Fällen derzeit die notwendige Nachbearbeitung der Teile noch aufwendiger als bei den traditionellen Herstellungsverfahren.

medianet:
Aber grundsätzlich ist der 3D-Druck eine Technologie mit Zukunft?
Sehrt: Ja, natürlich. Das Potenzial ist unbestreitbar, setzt aber eine eingehende Beschäftigung mit der Thematik voraus, die weit über die eigentliche Produktionstechnik hinausgeht und im Grunde genommen auch die Auseinandersetzung mit der gesamten Wertschöpfungskette und damit auch eine möglichst enge Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensbereiche erfordert.

medianet:
Woran liegt das?
Sehrt: Einerseits an der Komplexität der Materie, da unter dem Begriff 3D-Druck ja insgesamt elf, zum Teil sehr unterschiedliche Verfahren zusammengefasst werden, wie etwa Laser-Sintern, Digital Light Processing oder etwa das Fused Layer Modeling. Andererseits an den besonderen Charakteristika der einzelnen Methoden. Jedes Fertigungsverfahren hat seine spezifischen Stärken und Schwächen und eignet sich daher für bestimmte Einsatzgebiete. Weiters weisen die verschiedenen Verfahren auch einen sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand auf. So werden etwa Verfahren mit Kunststoffen und Metallen als Werkstoff in der Industrie bereits eingesetzt. Die Bedeutung von Keramiken, die ebenfalls additiv verarbeitet werden können, ist dagegen derzeit noch verhältnismäßig gering.

medianet:
Es lässt sich also nicht pauschal sagen, ob und für welchen Zweck die Umstellung auf additive Fertigung sinnvoll ist.
Sehrt: Hinichtlich des Verfahrens sicher nicht. Wohl aber in Bezug auf die strategische Intention und zwar dahingehend, dass additive Fertigung ja kein bloßer Ersatz für die herkömmliche Produktionsmethoden ist, vielleicht mit dem Vorteil, einen höheren Grad an Flexibilität zu erreichen. Das greift zu kurz. Additive Fertigung ist grundsätzlich dann sinnvoll, wenn ich gleichzeitig damit auch strategische Vorteile generieren kann, die mit den traditionellen Verfahren nicht möglich wären, wie etwa die Integration von Zusatz­funktionen in ein Produkt, eine Verbesserung eines bestehenden Produkts, ein gänzlich neues Produkt oder eine für meine Zielgruppe wichtige neuartige Serviceleistung. Das heißt, die Umstellung auf additive Fertigung kann sich durchaus auch dann rechnen, wenn die Stückkosten sogar höher als bei der ursprünglichen Methode sind, da die Mehrkosten durch die nachgelagerte zusätzliche Wertschöpfung mehr als kompensiert werden.

medianet:
Das lässt vermuten, dass der Informationsbedarf der Unternehmen sehr hoch ist. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, die den Einsatz additiver Fertigungsmethoden überlegen, die für sie relevanten Informationen zu finden?
Sehrt: Mit dem Interesse der Unternehmen steigt auch die Zahl von Workshops, Seminaren und Infoveranstaltungen. Allerdings muss man auch sagen, dass die Qualitätsunterschiede hier recht groß sind. Die Zusammenarbeit mit einem Know-how-Träger ist auf jeden Fall ratsam. Ob und welche Methode am besten geeignet ist, lässt sich nur durch eine sehr detaillierte Betrachtung der Aufgabenstellung eruieren.

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