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Die Rundfunkgebühren werden in der Schweiz nicht abgeschafft.

Redaktion 05.03.2018

71,6 Prozent der Schweizer gegen Abschaffung der Rundfunkgebühren

Wrabetz sieht Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Schweiz hinaus.

WIEN/BERN. Die Radio- und Fernsehgebühren in der Schweiz werden nicht abgeschafft. Die Schweizer lehnten die sogenannte "No-Billag"-Initiative am Sonntag bei einer Volksabstimmung deutlich ab. 71,6% stimmten für die Beibehaltung des Gebührensystems, wie sich nach Auszählung aller Stimmen zeigte. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,11%.

Das Votum fiel damit überraschend eindeutig aus. Bei Umfragen vor der Wahl lag die Ablehnung bei gut 60%. Der überwiegend durch Gebühren finanzierte Rundfunksender SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) zeigte sich erleichtert. Generaldirektor Gilles Marchand sprach von einem starken Signal für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die privaten Regionalsender, die von den Gebühren profitieren. Zugleich kündigte er ein Sparprogramm und Programmreformen an.

Die Volksabstimmung war der Höhepunkt zum Teil heftig geführter monatelanger Diskussionen, die in der Schweiz wie kaum ein anderes Thema in den vergangenen Jahren polarisiert haben. Der Anstoß zum Volksentscheid über die Rundfunkgebühr kam von der Initiative "No Billag".

Billag ist die Schweizer Gebühreneinzugszentrale, das Pendant zum österreichischen GIS (Gebühren Info Service). Die Abgabe beträgt jährlich 451 CHF (rund 390 €). Sie ist damit eine der höchsten in ganz Europa. Im kommenden Jahr soll er auf 365 CHF gesenkt werden. Gleichzeitig wird das Gebührenmodell umgestellt: Künftig muss jeder Haushalt zahlen, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Empfangsgerät vorhanden ist.

Gegner der Billag sprechen von Zwangsgebühren für Medienangebote, die sie nicht nutzen; sie forderten mehr Wettbewerb in der Medienbranche. Sie argumentierten, dass die Radio- und Fernsehsender auch mit Werbeeinnahmen und Abonnenten überleben könnten. Befürworter halten unabhängig finanzierten Journalismus für essenziell in einer Demokratie und verweisen auch auf die identitätsstiftende Rolle des Schweizer Radios und Fernsehens für das Land. Die SRG sehen sie als Garanten für unabhängigen Journalismus in den vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

Als einzige Partei hatte sich die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) hinter "No Billag" gestellt. Die Initiative wurde angeführt von Mitgliedern der Jungen SVP und der Jungfreisinnigen, die den Schweizer Liberalen (FDP) nahestehen. Für ein "Nein" bei der Abstimmung geworben hatten neben Politikern aus allen anderen Lagern auch Sportler und andere Prominente sowie der Chef der Schweizer Großbank UBS, Sergio Ermotti.

Bei einem Erfolg des Volksentscheids hätte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Aus gedroht. Die SRG mit ihren 6.000 Angestellten wird zu 75% durch die Abgaben finanziert; auch 21 regionale Radio- und Fernsehsender erhalten einen Teil der Gebühren. Insgesamt hängen 13.500 Arbeitsplätze direkt oder indirekt an der Abgabe.

In Österreich schwelt derzeit auch eine Debatte über die ORF-Gebühren. Die FPÖ propagiert ein Aus für die "Zwangsgebühren". Bei einer großen Medien-Enquete wollen die Regierungsparteien auch die Finanzierung des ORF auf den Prüfstand stellen. Eine Haushaltsabgabe hat die ÖVP bisher strikt ausgeschlossen. Die ORF-Gebühr beträgt 17,21 € monatlich, doch werden mit ihr weitere Bundes- und Landesabgaben eingehoben, sodass die GIS-Rechnung zwischen 20,93 und 26,73 € erreicht. Die Gebühren sind mit Abstand größter Einnahmeposten des ORF: Für 2018 sind etwa 635 Mio. € aus diesem Titel budgetiert, verglichen mit 225,6 Mio. € an Werbeeinnahmen.

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) kommentierte das Ergebnis der Volksabstimmung in der Schweiz am Sonntag folgendermaßen: "Unabhängig vom Ergebnis der Abstimmung in der Schweiz, hoffe ich auf einen Anstoß für einen echten, sachlichen medienpolitischen Diskurs in Österreich. Denn genau das fehlt bei uns." ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz gratulierte SRG Generaldirektor Marchand: "Das herausragende Ergebnis hat weit über die Schweiz hinaus Bedeutung für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", erklärte er in einer Aussendung.

Auch der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm nannte die Ablehnung der Initiative "ein wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus". Die Geschäftsleitung des Senders 3sat, der gemeinsam von ORF, SRG und den beiden öffentlich-rechtlichen deutschen Anstalten ZDF und ARD getragen wird, sowie der Europarat begrüßten das Ergebnis des Volksentscheids in der Schweiz. In Deutschland zeigten sich etwa CDU und Grüne erfreut.

Die Schweizer stimmten am Sonntag außerdem mit großer Mehrheit einer Vorlage zur künftigen Finanzordnung zu; gut 84% sprachen sich ersten Ergebnissen zufolge dafür aus, dass der Bund auch künftig die direkte Bundessteuer und die Mehrwertsteuer erheben kann. Die beiden Steuern sind die wichtigsten Einnahmequellen des Bundes. (APA/dpa/AFP)

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