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Redaktion 04.04.2025

Alles ist relativ, niemand ist reich

Der unscharfe Begriff der Mittelschicht wabert durch das zum Sparen verurteilte Land.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

ANSICHTSSACHEN. Kein Land der Berge, sondern ein Land der Mittelschicht: Eine Integral-Umfrage hat sich kürzlich, unter anderem, mit der Selbsteinteilung der Österreicher in die Kategorien Ober-, Mittel- und Unterschicht auseinandergesetzt. Ergebnis: Fast niemand betrachtet sich als „reich” (ein Prozent Selbsteinschätzung bei zehn Prozent aus der tatsächlichen Oberschicht); die Oberschicht bezeichnet sich mehrheitlich als Mittelschicht (90%). Vier Prozent der Befragten beurteilen sich als arm (realiter sind es neun Prozent) – und der Großteil der Armen (77%) verortet sich in der Mittelschicht. Das ergibt viel Interpretationsspielraum. Reichtum bezeichnet natürlich nicht nur den Überfluss an gegenständlichen, sondern auch jenen an geistigen Werten. Aber lassen wir das einstweilen beiseite.

Falls Sie eine Berechnung starten wollen: Wer zwischen 75 und 200% des mittleren Gehalts verdient, gehört laut OECD der Mittelschicht an. Für Österreich veröffentlichte Statistik Austria (aktuellste Daten aus 2023) ein Medianeinkommen (ganzjährig Vollzeitbeschäftigte) in Höhe von 51.500 Euro brutto.

Jetzt sagt das Arbeitseinkommen der Angestellten jedoch wenig über die tatsächlichen Einkünfte aus oder über das Vermögen – und noch weniger über die diffus wabernde Masse der sogenannten Mittelschicht. Erbschaft, Immobilieneigentum, sonstige finanzielle Werte im Hintergrund? Vermögensungleichheit beruht in Österreich zu einem höheren Prozentsatz auf Erbschaften als auf Einkommensdifferenzen. Dass Sie richtig viele kluge Bücher gelesen haben (siehe „geistige Werte”) mag Ihnen beruflich nützen. Wahrscheinlich aber nicht. Reich werden Sie auch nicht deswegen. Außer Sie sind im Besitz der Bücher – und diese sind Erstausgaben der Gutenberg-Bibel oder des Codex Leicester …

Eine sperrige Definition: Armut wie Reichtum spiegeln den Grad der Teilhabe an materiellen Ressourcen in gesellschaftlichen Kontexten ­sowie ihre Relation zueinander wider. Eben. Tu felix Land der Mittelschicht.

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