••• Von Jürgen Hofer
WIEN. Der bisherige Co-Geschäftsführer Clemens Pig wird ab Juli 2016 neuer APA-Chef und folgt damit auf Peter Kropsch, der zur dpa wechselt und dort im Jänner 2017 den Vorsitz der Geschäftsführung übernimmt – die Verantwortlichen im medianet-Interview.
medianet: Nachdem die Nachfolge geklärt ist: Was werden Sie, Herr Kropsch, bis Juli 2016 noch erledigen oder neu aufgreifen, und wie wird das Zusammenspiel mit Ihrem Nachfolger funktionieren?
Peter Kropsch, APA-GF: Ich bin ja insofern ein bisschen traurig, weil die Zusammenarbeit mit Clemens eine wirklich exzellente war. Bis vor fünf Minuten war der ganze Tisch hier voll mit Budgetunterlagen. Das ist eben jene Phase im Jahr, wo Strategie und Planung in Zahlen gegossen werden, und damit auch eine extrem gute Gelegenheit, wesentliche Weichenstellungen für die Übergabe vorzunehmen. Ich werde meine Rolle als CEO bis zum Schluss operativ wahrnehmen, aber zunehmend Clemens in großen Projekten noch stärker involvieren, als das bisher der Fall war.
medianet: Was bedeutet es für Sie, Herr Pig?
Clemens Pig, Co-GF: Mit meiner Übernahme am 1. Juli 2016 sind es ziemlich genau auf den Tag 15 Jahre, seit dem ich mit Peter zusammenarbeite. Das ist schon etwas Besonderes und Spezielles. Wir werden einen Modus finden, anstehende Punkte gemeinsam zu bearbeiten, und ich bin überzeugt, dass das sehr smooth über die Bühne gehen wird. Der Wechsel passiert nicht abrupt, sondern fließend und mit ausreichend Zeit.
medianet: Hat es eigentlich je Zweifel daran gegeben, dass man den Job an Clemens Pig überträgt?
Kropsch: Für mich ist die interne Besetzung sehr logisch gekommen, weil die APA sehr komplexe Strukturen und Abläufe hat – da benötigt man gutes internes Know-how. In diesem Lichte war die Bestellung logisch.
medianet: Herr Pig, wie sehr waren Sie ‚überrascht‘?
Pig: (lacht) Überrascht wäre der falsche Ausdruck; es war genau so, wie es sein soll, eben dass sich die Gremien der Eigentümer ein klares Bild gemacht haben, welche Personalie für die kontinuierliche Weiterentwicklung der APA notwendig ist. Wenn es intern eine Lösung gibt, der man das zutraut, ist das natürlich der logische Schritt. Persönlich freue ich mich natürlich riesig.
medianet: Wie lautet der Arbeitsauftrag der Eigentümervertretung an Sie? Oder handelt es sich ohnehin um die Fortsetzung dessen, was in den letzten Jahren passierte?
Pig: Der Beginn meiner Amtszeit fällt genau in die Hälfte der für 2015 bis 2017 definierten Strategieperiode der APA – und damit ist da auch kein radikaler Bruch verankert. Es geht darum, die Arbeitspakete, die sich aus dieser sehr umfangreichen ausformulierten Strategie ableiten, schlichtweg weiterzuführen. Für das stehe ich ja auch. Gleichzeitig ist die Realität die, dass gewisse Dinge immer wieder neu interpretiert werden müssen. Innerhalb des Strategierahmens sind Eckpfeiler klar definiert, und auf diesem Terrain bewegen wir uns. Aber die Interpretation und Ausprägung kann natürlich variieren.
medianet: Eine neue Person bringt oft auch einen neuen Führungsstil. Wird es hier im Auftreten der APA Veränderungen geben? Wie sehen sie Ihren Nachfolger?
Kropsch: Ich habe Clemens bei der Übernahme der MediaWatch durch die APA kennengelernt, wo es danach nicht optimal lief. Als Clemens als Alleingeschäftsführer übernahm, ging es auch mit der MediaWatch bergauf. Man lernt sich in den guten Zeiten weniger gut kennen als in den schlechten. Clemens halte ich für einen der intelligentesten Medienmanager, die ich kenne, aber auch für einen, der das Gespür hat, wann man konsequent durchziehen muss und wann man Freiräume lässt. Die APA braucht ein gutes Maß an ‚trial and error‘ und dann die Mittel, um das zu finanzieren. Der Kernauftrag ist das Nachrichtenagenturwesen, und wir wissen, dass Wachstum finanziell hier nicht stattfindet. Da braucht es als Manager schon eine ganze Menge an Skills, um die Balance zu finden.
Pig: Die große Kunst ist es, mit Dämpfern guten Umgang zu finden und sie nicht als quälend zu empfinden, sondern als Learning. Da haben wir beide die APA auf guten Kurs gebracht – vor allem an der Schnittstelle Technologie, Design und Oberfläche, wo es Freiräume braucht. Da kann ich persönlich auch meine Erfahrungswelt aus der Zeit vor der APA als privater Unternehmer sehr gut einbringen.
medianet: Wie ist Ihre Definition einer modernen Nachrichtenagentur?
Pig: Die APA hat einen klaren Grundauftrag zu erfüllen. Früher war es der reine Textbereich, dann kam das statische Bild und künftig das Video: Unterm Strich gehts darum, Auftrag und Werteauftrag zeitgemäß zu interpretieren. Bei einer Vielzahl an Web- und Social Media-Inhalten sehe ich hier enorme Relevanz, und auch die Rolle, als Leuchtturm für true and unbiased news zu agieren. Wir dürfen nicht in Schockstarre verfallen, sondern müssen vorhandene Möglichkeiten nutzen und aktiv formen. Der Markt und die Konsumenten brauchen unabhängige Nachrichtenagenturen mehr denn je.
medianet: Das heißt die Nachricht an sich ist die Konstante in diesem Prozess, bei den Produkten rundherum kann die APA innovativ probieren?
Pig: In gewisser Weise schon, weil die Mediennutzung so ausgerichtet ist, dass der reine Inhalt nicht mehr reicht, um konsumiert zu werden. Es braucht viel in Sachen kanalgerechter Ausspielung – und hier liegen die trial and error-Möglichkeiten.
Kropsch: Ganz simpel festgemacht: Innovation liegt auch im Geschäftsmodell. Wenn wir an Video denken, werden wir im nächsten Jahr Videoinhalte, die bisher extra verkauft wurden, in den Basisdienst integrieren. Der Markt verlangt danach, und für uns ist das die größte Formaterweiterung seit der Einführung des Bilderdiensts in den 80er-Jahren.
Pig: Genau das nenne ich die moderne Interpretation, weil wir mit dieser Rolle einen Beitrag leisten, dass das redaktionelle Video zum Durchbruch findet.
medianet: Das heißt im Umkehrschluss, es wird auch mehr Budget für Bewegtbild geben?
Kropsch: Es soll – in Absprache mit den Eigentümern – wie bspw. damals bei der Entwicklung der Zeitungs-Apps eine Anschub-Finanzierung geben, wo die APA in Vorleistung geht. Aber nicht in der Form, dass wir Geld von Eigentümern verlangen, sondern dass wir einfach im nächsten Jahr weniger Ergebnis machen werden.
medianet: Es ist kein Geheimnis, dass Redaktionen finanziell unter Druck stehen, es gab ja auch in der Vergangenheit Kürzungen. Wie sehr kämpft man um Budgets?
Kropsch: Die Kernkompetenz der APA ist es, die zentrale Nachrichten-Rohstoffmaschine im Land zu sein. Es ist kein Geheimnis, und ich kenne kein Budget, wo man nicht in der Redaktion massiv hat sparen müssen. Wir erleben derzeit den Effekt, dass Umsatzpotenziale aus dem reinen Nachrichtengeschäft nicht steigen. Da ist es unsere Aufgabe, sich immer wieder zu fragen, was Eigentümer brauchen – sprich was der österr. Medienmarkt braucht – und dahingehend Lösungen zu entwickeln, die auch die Redaktion mitträgt.
medianet: Stichwort Medienmarkt: Da gibt es große Player wie die Kronen Zeitung, die den Basisdienst nicht nutzen. Wann holen Sie die ins Boot?
Pig: Es ist ein Auftrag, den wir uns als Management schon vor einigen Jahren selbst auferlegt haben. Egal, welche Nachrichtenagentur, man will die publizistische Vielfalt des Landes als Teil der Genossenschaft haben, gar keine Frage. Diese Politik werden wir fortsetzen und versuchen, die Krone an Bord zu holen. Da haben wir aber wie in jeder Partnerschaft eingeschränkten Einfluss.
medianet: Und wie ist das Verhältnis zu Frau Dichand, wo es ja einen heftigen Disput über Tarife gab?
Pig: Gut (denkt kurz nach). Wobei ich persönlich sehe sie ja nicht so oft. Aber zu Heute insgesamt haben wir ein gutes Verhältnis.
Kropsch: Wir haben in letzten Monaten zeitweise keine einfachen Zeiten erlebt. Es ist aber das Merkmal von Unternehmen, die länger am Markt sein wollen, dass man einen konsensualen Weg findet; wir sind da guter Dinge.
medianet: Wird es neue Betätigungsfelder geben, oder bewegt man sich sehr bewusst in diesem bekannten APA-Spektrum?
Pig: Was zukünftig sein wird, kann man nicht sagen, aber wir haben in bestehenden Feldern wahnsinnig viel Fantasien, Dinge weiterzuentwickeln. Wir agieren da sehr bewusst noch im Bereich unserer Hausaufgaben, wo wir auch einiges in der Pipeline abarbeiten wollen.
medianet: Die Entwicklung der APA geht einher mit der des Medienmarkts an sich. Was sehen Sie als zentrale Herausforderungen für die nächsten Jahre?
Pig: Die Medienbranche muss erstens erkennen, dass es sich nicht um eine Medienkrise per se handelt, sondern um ein Medienfinanzierungs-Thema. Eine weitere Frage ist das Unbundling, also das Loslösen der Inhalte von ihren klassischen Medienoberflächen. Oftmals finden sich Inhalte ja völlig losgelöst vom eigentlichen Ursprung, und damit sind wir zweitens bei der Frage des Copyrights und des Urheberrechts, denn damit steht und fällt für eine Nachrichtenagentur sehr viel. Drittens stellt sich die technologische Frage: Wie transportiert man Inhalte technologisch so einfach wie möglich zum Rezipienten? Ein vierter Punkt: Wir dürfen nie die Hoheit über die eigenen Inhalte abgeben und eigenes Material zu schnell unter Wert verkaufen. Wenn man allein die paar Dinge richtig macht, wäre schon viel gewonnen.
Kropsch: Ich sehe das ähnlich und warne davor, sich zu schnell in Abhängigkeiten zu begeben und sich auf die Gesetze von Facebook und Google einzulassen, denn dann kann ich als Medium irgendwann gar nicht mehr ohne diese auskommen. Das sind Unternehmen, die nicht auf journalistische Grundsätze ausgerichtet sind. Und wenn mir meine ethischen Grundsätze wichtig sind, würde ich mir zwei Mal überlegen, wie weit ich hier gehe.
medianet: Wo sehen Sie die APA in zehn Jahren?
Pig: Ich denke, die APA soll – um dem treu zu bleiben, was wir eingangs gesagt haben – zentrale Werte neu interpretieren. Und das in führender Rolle, weil wir von technischen Entwicklungen sehr früh betroffen sind und die sehr früh antizipieren. Zudem wollen wir als APA die publizistische Vielfalt des Landes in puncto Eigentümerkreis zu 100% abbilden. Das alles als stabiles Unternehmen, das weiterhin schnell, zuverlässig und unabhängig Nachrichten liefert. Wir sehen uns als große redaktionelle und digitale Druckstraße im deutschsprachigen Raum.
Kropsch: Es gibt ja keine Zufälle … (schwenkt den Blick vom Smartphone in die Runde) … ich habe in diesem Moment von der European Alliance of News Agencies ein Mail mit der Info bekommen, dass die geschichtsträchtige Agentur Tanjug geschlossen wird. Vor dem Licht dieser Vorgänge kann die Zukunft einer Nachrichtenagentur nur darin liegen, ein Unternehmen mit klaren redaktionellen Grundsätzen und klarer wirtschaftlicher Ausrichtung zu sein, denn die Unabhängigkeit basiert auf der wirtschaftlichen Stärke.