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Redaktion 15.04.2022

Die EZB am langen Scheideweg

Die Teuerung liegt meilenweit über dem Zielwert; die Währungshüter zieren sich mit der Zinswende.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

WANKELMUT. Die Europäische Zentralbank (EZB) beriet am Donnerstag über den Zinskurs. Rekordinflation und Rezessionssorgen drängen. Während die US-Notenbank die Zinswende vollzogen hat, schiebt die EZB die Entscheidung vor sich hin. Die Währungshüter in Frankfurt beschlossen denn auch wie erwartet, den geldpolitischen Schlüsselsatz von 0,0 Prozent beizubehalten. Zuerst müssen die Anleihenkäufe auslaufen. Es könnte somit Sommer werden. Oder Herbst. 2022, falls Sie sich diese Frage stellen.

Währenddessen warnen Experten bereits vor einer Chronifizierung der hohen Preissteigerungsraten. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, sie ist auch eine renommierte geldpolitische Denkfabrik, mahnt zu höheren Zinsen. BIZ-Generaldirektor Agustin Carstens sieht die Welt an der Schwelle einer neuen Inflations-Ära. Die Zentralbanken müssten sich „neu ausrichten”. Kurz: Gewöhnen wir uns einstweilen dran.
Die angestrebte Ideal-Inflationsrate beträgt 2,0 Prozent. In Österreich dürfte sie im März laut Schnellschätzung der Statistik Austria mit 6,8 Prozent den höchsten Wert seit November 1981 erreicht haben. Die Sparzinsen bewegen sich knapp über null Prozent; im Inflationsvergleichsjahr 1981 durfte man immerhin mit acht bis neun Prozent für das Guthaben am Sparbüchl rechnen. The times they are a-changing.

Wer sich an die Hausbank wendet – auf der Suche nach einem Wegbegleiter für den ungewohnten Spaziergang am Börsenparkett –, wird für diese Dienstleistung kräftig zur Kasse gebeten. „Mündelsicheres” Anlegen bringt kaum Rendite. Risiko muss man sich leisten könnten. Wer auf Betongeld spekuliert hat, steigt einstweilen recht gut aus. Wer eine Wohnung für den Eigenbedarf sucht, kann ein misstönendes Lied davon singen. Aber nicht nur die Sparer, auch Banken und Versicherer wettern gegen die lockere EZB-Linie. Geduld ist gefragt.
Die Schokobranche rechnet übrigens auch mit stark steigenden Preisen – in diesem Sinne: Genießen Sie Ihre Osterhasen!

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