••• Von Georg Sohler
Im Nachklang des Wiener Derbys Ende Februar tauchten Videos auf, die Rapid-Spieler beim Singen sexistischer und schwulenfeindlicher Fanlieder zeigten. Die Kritik war heftig und umfangreich, bis hinauf zu Sportminister Werner Kogler und klaren Worten von ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick. Die Liga strafte die Spieler hart ab, drei Kicker laufen Gefahr, nicht zur Euro 2024 einberufen zu werden. Mobilitätspartner MVC Motors beendete sein Sponsoring bei den Hütteldorfern. „Die unangemessenen Äußerungen widersprechen unseren Unternehmenswerten.”
„Die Äußerungen, die in den letzten Tagen von einzelnen Rapid-Spielern und Funktionären bekannt geworden sind, entsprechen nicht den Werten von Wien Energie”, sagte etwa Hauptpartner Wien Energie unmissverständlich. Man fordert über ein vonseiten Rapids vorgestelltes Programm hinaus weitere Schritte ein.
Anders gelagert ist die Sachlage am zweiten Schauplatz: Red Bulls Formel 1-Chef Christian Horner sieht sich mit MeToo-Vorwürfen seitens einer Mitarbeiterin konfrontiert. Das führt zu teaminternen Unstimmigkeiten. Die Mitarbeiterin wurde suspendiert, es gibt Boykottaufrufe. Einer der US-Partner ist Walmart. Beide Causen sind noch in Bewegung. Wie gehen Sponsoren mit solchen Verfehlungen um? Hans-Willy Brockes vom ESB Marketing Netzwerk gibt Auskunft.
medianet: Wie reagieren Geldgeber, wenn derartige Skandale geschehen?
Hans-Willy Brockes: Das Verhalten sollte aus ihrer Sicht immer gesellschaftlich adäquat sein. Es gibt natürlich Vertragsklauseln, aber die Gesellschaft ist im Wandel, und die Normen ändern sich mitunter schnell. Was früher noch irgendwie hingenommen wurde, wird heute nicht mehr geduldet. Da kann nicht alles in den Verträgen drinnen stehen.
medianet: Das hört sich für Sponsoren und Partner auch kompliziert an …
Brockes: Das geht eben nicht auf ‚Vorrat', man kann nicht definieren, wie man sich in einer Situation verhält, die wir heute nicht kennen. Natürlich wissen junge Menschen bei vielen Themen vielleicht auch mehr als wir älteren, wie man sich zu verhalten hat. Nehmen wir hochkomplexe Themen wie aktuelle Kriege her, etwa Israel und Palästina. Welche Formulierungen oder Postings passen da? Die Gefahr besteht, dass Sportler sich selbst einen Maulkorb geben oder bekommen und darauf achten, nirgends anzuecken.
medianet: Aber wir haben uns als Gesellschaft schon darauf verständigt, Sportlern bzw. dem Sport viel Geld zu geben, da dürfen wir uns doch einiges erwarten?
Brockes: Sportler haben klarerweise eine Vorbildfunktion. Allerdings sind viele Fälle auch im Grenzbereich. Im Rapid-Fall kannte ich als Deutscher den Ausdruck (Anm.: „oaschwoam”) gar nicht. beziehungsweise, dass er homophob ist. Vielleicht hätte ich arglos mitgesungen. Ich denke auch, dass die Spieler das in ihrer Euphorie nicht so gemeint haben. Ich finde es gut, dass man aus dem Negativen heraus nun nach vorne blickt und einen 10-Punkte-Plan vorgelegt hat. Damit kann man in einen Dialog mit denen treten, die vielleicht nicht einmal wussten, was diese Gesänge auslösen können, und wir lernen voneinander.
medianet: Kommen wir zu Red Bull. Da ist die Marke das Team.
Brockes: Das ist natürlich eine komplett andere Sache, aber beides ist für die Marken schädlich. Ich möchte aber bei allen angesprochenen Themen etwas ausholen: Wir in Europa finden das alles nicht gut, haben ja auch die WM in Katar abgelehnt. Ein großer Teil der Welt hat das anders gesehen, und als der Ball gerollt ist, war das kein Thema mehr, und die FIFA hat keinen finanziellen Schaden genommen. Ich komme noch einmal zum Wandel: Als ich jung war, war es normal, dass eine Zigarettenmarke mit einem Formel 1-Team verbunden wird. Es gab Werbung für harte Alkoholika. Entsprechend weiß ich nicht, ob die MeToo-Affäre Red Bull nachhaltig schadet.
medianet: Als Medium gestaltet man den Wandel mit. Die Rapid-Causa ist zwei Wochen Thema gewesen, Red Bull beschäftigt die Gazetten seit Wochen. Welche Rolle spielen Medien?
Brockes: Medien haben ohne Zweifel Macht und diese setzen sie zum eigenen Wohle, nämlich für Auflage und Reichweite, ein. Manchmal scheinen Medien auch weitere Ziele zu verfolgen: Wir sehen gegenwärtig beim Genderthema, dass die klassischen Medien vorneweg laufen, einen Erziehungsauftrag vermuten. Aber nicht einmal öffentliche Stellen verwenden Doppelpunkt oder Stern. In ein paar Jahren wird das wohl normal sein, so wie man heutzutage selbstverständlich nicht mehr raucht, wenn ein Kind im Auto ist. Daneben spielen auch Soziale Netzwerke eine Rolle, wo jeder alles rausposaunen und Diskussionen beeinflussen kann.
medianet: Am Ende wollen Marken bei klassischen Sponsorings einen positiven Imagetransfer. Man kann ja nicht im Pride Month Regenbogen zeigen und dann mit den Achseln zucken …
Brockes: Es gibt immer Grenzen, aber letztlich ist es eine individuelle Geschichte. Red Bull beispielsweise hat es in der DNA, Grenzen auszutesten. Im Großen und Ganzen kenne ich aber in den letzten Jahren wenig Beispiele außer etwa russische Sponsoren, die dann nicht mehr erwünscht waren. Rewe hatte vor der WM 2022 auch die Partnerschaft mit dem DFB beendet – aber man hatte bereits im Oktober mitgeteilt, den Vertrag nicht zu verlängern.