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Dinko Fejzuli und Alexius Baldissera 17.06.2016

Die Politik gefährdet Wiens Bedeutung als CEE-Hub

TBWA-Chefin Irene Sagmeister über die eigene Agentur, den Standort Wien und den ewigen Streit über das Thema Netzwerke.

••• Von Dinko Fejzuli und Alexius Baldissera

WIEN. Die 1970 gegründete, international agierende Fullservice-Werbeagentur TBWA bildet mittlerweile eines der größten Agenturnetzwerke weltweit. In Österreich wird das Unternehmen von Irene Sagmeister – Managing Director – geleitet. Im Gespräch mit medianet erklärt sie, was ‚Netzwerk' in der heutigen Zeit eigentlich bedeutet.

medianet:
Frau Sagmeister, wie ist die erste Hälfte 2016 für die TBWA verlaufen?
Sagmeister: Wir sind sehr gut unterwegs, haben unseren Prozess der Neuausrichtung jetzt erstmal abgeschlossen – soweit man so etwas heute jemals sagen kann –, sind mittlerweile voll auf Kurs und profitabel. Das in Österreich verbreitete Network-Bashing, das mittlerweile wirklich langweilig ist, und die Behauptung, Netzwerke wären obsolet, davon fühlen wir uns weder angesprochen noch betroffen. Die Vorstellung vom Netzwerk als prozess- und strukturgetriebener Apparat mit Hierarchien, das ist wirklich obsolet. Wir bei TBWA sehen uns als Creative Collec­tive und haben es mit einem organisch gewachsenen Netzwerk zu tun, das die einzelnen Agenturen nicht in eine überall gleiche Struktur hineinpresst, sondern Kultur hineinnimmt.

medianet: Gibt es Beispiele für das von Ihnen angesprochene Bashing?
Sagmeister: Kreuz und quer: Jede lokale Agentur versucht sich damit zu profilieren. Was natürlich stimmt, ist, dass die Idee, dass ein Netzwerk als Versorger funktioniert, du eine Agentur gründest und das Netzwerk dir dann Kunden zuschiebt, nicht mehr stattfindet. Unser lokales Geschäft beträgt zwischen 80 und 90 Prozent. Das Netzwerk ist natürlich ein Versorger, aber nicht mit Kunden oder Business, sondern mit Talenten, Tools, Ideen, Visionen und Kultur.

medianet:
Ein internationales Outlet ist hier auch förderlich.
Sagmeister: Support ist natürlich wichtig. Wenn ich mir für einen Kunden ein bestimmtes Skillset wünsche, das ich hier nicht oder noch nicht habe, hole ich mir das lokal oder aus dem internationalen Ressourcenpool dazu. Wir sind in beide Richtungen offen, treffen uns bei Meetings und tauschen uns intensiv aus. Wir hatten zuletzt einige Projekte, wo wir mit unseren Agenturen in Istanbul (TBWA ist Agentur des Jahres in der Türkei mit einem Wachstum, von dem wir nur träumen können) und Polen zusammengearbeitet haben. Das ist Network, wie wir es heutzutage verstehen – ein Ressourcenpool mit viel Potenzial.

medianet:
Warum ist TBWA inzwischen hochprofitabel, was waren die Ankerpunkte?
Sagmeister: Der Change-Prozess, die Anpassung der Teamstruktur und damit einhergehend die Haltung. Die Teams agieren unternehmerisch und sind sich ihrer Verantwortung für den Erfolg so bewusst wie nie zuvor. Die klassische ATL-Agentur gibt es ja eigentlich gar nicht mehr, für Kunden sind wir aber meist die Lead-Agentur. Wir agieren wie ein Dirigent, haben aber kein fixes Orchester mehr, sondern holen uns für jedes Stück die Musiker, die wir brauchen. Die Hälfte ist also fixes Ensemble, die andere Hälfte ein Pool aus zusammengestellten handverlesenen ­Talenten. Diese Dirigentenfunktion braucht es auch vermehrt bei großen Kunden, die nicht mehr eine große, sondern 95 kleine Kampagnen fahren.

medianet:
Zu Kampagnen gehört meist ja auch Social Media. Hier entsteht oft die Panik, etwas zu machen, das dann später gar nicht mehr benötigt wird.
Sagmeister: Wir haben eher das Gefühl, dass man hier noch mehr machen muss. Für eine Kampagne des Verbund beispielsweise drehen wir mittlerweile mehr Social Media-Videos als Filme. Diese erzeugen einen Mehrwert für die Marke und man kann dabei auch mal schräger sein, sind budgetär aber natürlich nicht vergleichbar.

medianet:
Wie wichtig sind die klassischen Kanäle im Vergleich zu den neuen digitalen?
Sagmeister: So neu sind die ja nicht mehr. Wir denken schon länger in Visuals und Bewegtbild, nicht TV, sondern Videocontent. Es kann passieren, dass es gar keine Printkampagne gibt. Unbewegte Bilder gibt es aber immer, diese werden dann eben in anderen ­Kanälen ausgespielt.

medianet:
Welche Kunden und Marken betreut TBWA?
Sagmeister: Als regionales Hub betreuen wir Henkel mit über zehn verschiedenen Marken; dabei reicht unser Arm bis nach Moskau und in die Mongolei. Lokal sind es Verbund in allen Konzernteilen und Kanälen, Vichy, BMVit, die Arbeiterkammer, Tchibo, Eduscho und Cafissimo, Greenpeace, Global 2000. Heuer neu gewonnen haben wir C3 Loyalty Services, für die wir erstmal eine neue Marke für ganz Europa aufbauen und jetzt an der Kampagne arbeiten und Kwizda Agro, deren Corporate Design wir gerade relaunchen.

Und natürlich BMW, die wir auch als ‚lokales Geschäft' betrachten, da wir den Kunden hier gewonnen haben. Wir entwickeln aber Kampagnen für die gesamte CSEU-Region, von Polen bis nach Griechenland.


medianet:
Da arbeiten Sie dann im Netzwerk?
Sagmeister: Für BMW sind wir die Leadagentur. Wir erstellen Kampagnen für die gesamte Region, und auf dieser Basis übernimmt unsere jeweilige lokale Agentur in Abstimmung mit dem lokalen Kunden die Umsetzung, durchaus mit eigenen Akzenten.

medianet:
Wo sehen Sie die hoffnungsvollsten Wachstumsgeschäftsfelder, Kanäle und Märkte in Ihrer Agentur?
Sagmeister: Die Marke ist immer das Wichtigste, ich sehe massiven Bedarf beim strategischen Lead. Momentan bauen wir allerdings auch eine Unit auf, die sich verstärkt mit Blogger Relations, Influencer-Marketing und Social Media beschäftigt, und geben diesem Thema den Stellenwert, den es im Moment für uns hat.

medianet:
Ist es bei Ihnen Thema, dass sich Kreativagenturen auch als strategischer Berater der Kunden sehen?
Sagmeister: Ja, das war mir in unserem Change-Prozess extrem wichtig, Kundenberatung wurde neu definiert – weg von der Abwicklung, hin zum tiefen Verständnis für das Geschäft des Kunden. Unsere Berater kennen nicht nur das Business, sondern auch die Strukturen unserer Kunden ganz genau. Nur so können wir echte Lösungen für Probleme finden.

medianet:
Jahrzehntelange Treue Ihrer Kunden spricht dafür.
Sagmeister: Wir haben zu unseren Kunden eine sehr enge, tiefe und weitverzweigte Beziehung und verstehen ihre Geschäftsmodelle. Wir halten den ‚Share-of-Client' hoch, also unseren Anteil im Partnermix des Kunden, ansonsten verzichtet man auf wertvolle Insights und verliert das Gespür für den Kunden.

medianet:
Was halten Sie von der Verschmelzung zwischen Mediaagenturen und der Kreation?
Sagmeister: Viel! Wir arbeiten so eng wie möglich mit ‚unseren' Media­agentur-Partnern zusammen.

medianet:
Finden Sie die Entwicklung von Mediaagenturen, die auch Kreation machen, sinnvoll?
Sagmeister: Nein, das halte ich für äußert entbehrlich. Jeder soll das machen, was er am besten kann. Wir sind nicht alle bessere Nationaltrainer und auch nicht bessere Werber.

medianet:
Ihre Agentur bedient als eine der letzten auch Märkte außerhalb Österreichs. Ist Wiens Verantwortlichkeit als Hub in den Osten zurückgegangen?
Sagmeister: Ja, leider. Ein Versäumnis der Politik, nicht der Agenturen. Wir behandeln dieses Thema jedenfalls mit Hingabe und finden es sehr spannend, auch den internationalen Markt auf dem Radar zu haben. Dadurch, dass es so wenige Agenturen machen, bringt uns dieses Angebot in eine vorteilhafte Situation.

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