MARKETING & MEDIA
20.02.2015

Eine Bühne für Dschihadisten?

Gastbeitrag Renate Skoff über die Rolle der Berichterstattung und den Wert der Pressefreiheit im Kontext des IS-Terrorismus

„Je abscheulicher, desto lieber” – und wir alle tragen mit dem Verbreiten ein Stück dazu bei. Die Suche nach Alternativen.

Wien. Am 4. Februar 2015 standen auf orf.at – und nicht nur dort – Sätze wie diese zu lesen: „(…) In dem Film wird ein Mann, der wie Kasasba (der vom IS entführte jordanische Pilot, Anm.) aussieht, in einem Eisenkäfig bei lebendigem Leib verbrannt. (…) Offenbar in Benzin getränkt, wartet die jordanische Geisel in einem Metallkäfig, bis ein maskierter Dschihadist mit einer Fackel Feuer legt und eine Flammenspur auf den Käfig zurast. Die veröffentlichten Bilder zeigen eine brennende Person, die sich im Todeskampf hin- und herwirft. Das Opfer verbrennt bei lebendigem Leib. (…)”

Ein Leserbrief dazu: „Muss das sein, dass geschildert wird, auf welche Art der Pilot getötet wurde? Ich trau mich da gar nicht hinzulesen, so sehr graut mir davor.” So die Frage eines Lesers an den PR-Ethik-Rat, dem ich bis vor Kurzem angehörte. Der ist dafür gar nicht zuständig, doch die Frage hat mir zu denken gegeben. Anders als dem Leser geht es mir hier nicht darum, ob die Schilderung dieser Gräueltaten gegen journalistische Ethik verstößt. Mich beschäftigt, inwieweit solche Berichte Terrororganisationen in die Hände spielen. Auf der einen Seite steht der – zu Recht – hochgehaltene Wert der Pressefreiheit. Sie gewährleistet die unzensurierte Veröffentlichung von Informationen und Meinungen – und damit die freie Meinungsbildung. Medienkonsumentinnen und -konsumenten haben ein Recht auf authentische Information.

Hohe Verantwortung

Andererseits setzt gerade da das Kalkül von Terrorgruppen an. Der IS kann sich darauf verlassen, dass freie Medien nach den Regeln der Pressefreiheit funktionieren. Und genau das tun sie. Enthauptungsvideos finden Eingang in unseren Alltag, Gräueltaten werden in allen Einzelheiten berichtet – je abscheulicher, desto lieber. Und wir alle tragen dazu bei, indem wir die Nachrichten in Sozialen Netzwerken über den Erdball verbreiten. Das ist sicher nach dem Geschmack der Dschihadisten. Wahrscheinlich überlegen sie vor jeder Hinrichtung, welche Art von Horror unser Interesse weiter steigern könnte ... Und wir gehen in die Falle. Füllen Schlagzeilen, Titelseiten, twitter und Facebook mit ihren absurden, menschenverachtenden Thesen.Doch was ist die Alternative? Und haben wir eine, ohne unsere Grundwerte aufzugeben? Ein kurzes Gedankenspiel: Was wäre, wenn die nächste Hinrichtung den Medien maximal eine Kurzmeldung wert wäre? Was, wenn alle Medien die Meldungen komplett ignorierten? Was, wenn wir uns den nächsten Post verkneifen? Wäre das eine Missachtung der Opfer? Oder ein unzulässiger Verstoß gegen demokratische Rechte? Würden wir dann weniger in Angst und Sorge leben (was heute sicher viele von uns tun)?Wie gesagt, nur ein Gedankenspiel. Es würde in der Praxis nicht funktionieren. Eines ist aber sicher: Immer neue reißerische Berichte schaffen eine immer größere Bühne für Terrororganisationen. Neue Herausforderungen wie diese brauchen einen neuen Umgang mit Nachrichten. Im Klartext heißt das: mehr Eigenverantwortung und gegen die Quote anschreiben.

Ein Gastbeitrag von Renate Skoff, Co-founder und Senior Consultant The Skills Group sowie langjähriges Mitglied des PR-Ethik-Rats.

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