Leitartikel ••• Von Dinko Fejzuli
VERGEUDUNG. „Skandal, Frechheit, Boykott!” Die Aufregung war groß, als bekannt wurde, dass man in Wien bei rund 80 Bankomaten immerhin 1,95 € pro Behebung zahlen muss.
Schnell formierte sich in den Sozialen Netzwerken der digitale Widerstand, und der Ruf an die Politik, hier doch was zu unternehmen, wurde laut.
Diese tat, wie man ihr befahl – und in Person des Finanzministers wurde die staatliche Empörung via TV-Kameras in die heimischen Wohnzimmer getragen.
So weit so naiv, denn: Erstens ist die kostenlose Barbehebung an Bankomaten kein Grundrecht, auf das man einfach so pochen kann, und zweitens, falls es irgendjemand aufgefallen ist, gäbe es genug andere finanzpolitischer Themen, über die sich der Wutbürger 2.0 vielleicht besser echauffieren sollte, statt sich virtuell über die Bankomatgebühr aufzupudln, wie der Wiener sagt.
Keine Details, bitte!
Auch Kollegin Corinna Milborn, ihres Zeichens Infochefin bei Puls4, fiel die Empörung an falscher Stelle auf und so sammelte sie, abseits der Bankomatgebühr, die wirklich wichtigen Finanzmeldungen – nur dieser Woche – zusammen, um sie dem empörten Plebs richtigerweise unter die Nase zu halten.
Hier ein Auszug der Milbornschen Auflistung jener Dinge, die uns Steuerzahler im Vergleich zu den Bankomat-Peanuts wirklich viel Geld kosten, die aber scheinbar niemand wirklich aufregen:
• Das Land Kärnten zahlt 1,2 Mrd. € an die Hypo-Investoren aus (1.200.000.000).
• Die Bankenabgabe wird halbiert, die österreichischen Banken zahlen – nach einer Einmalzahlung – ab nun über 100 Mio. € weniger.
• Der Chefökonom der Deutschen Bank fordert ein neues Bankenrettungspaket zu 150 Mrd. € (150.000.000.000)
• Der letzte EU-Kommissionspräsident wechselt zu Goldman Sachs.
Da fragt man sich wirklich, wie es sein kann, dass da kein Wort des Protests zu keiner dieser Meldungen zu hören war, aber die Volksseele kocht, wenn an nur 80 von 8.800 Bankomaten in Österreich künftig 1,95 € pro Barbehebung zu zahlen sind.
Hyporettung = 1.250 Bankomatbehebungen
Zum Vergleich: Die Hypo-Rettung allein hat 19 Mrd. € gekostet; umgerechnet auf die Wohnbevölkerung, macht das 2.183 € pro Mann und Nase.
Damit könnte man rund 1.100-mal, also ein mal täglich drei Jahre lang zum Bankomat rennen und für 1,95 € Gebühr Geld beheben.
Allein, es scheint niemanden zu stören; da regt man sich lieber über Nebensächlichkeiten auf.
Die wirklichen Details sind ja auch nicht wirklich wichtig – oder wie der österreichischer Schauspieler Otto Schenk einmal erzählte, als er bei einem Stück auf der Bühne textlich ins Strudeln geraten war und einen Hänger hatte, die Souffleuse versuchte zu helfen, er ihr aber barsch von der Bühne hinunter antwortete: „Keine Details, welches Stück?”
In diesem Sinne,: Interessieren sie sich durchaus für Einzelheiten und habe sie einen schönen Sommer – wir lesen uns wieder am 26. August.