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© Markus Wache (www.markuswache.com)

„Keineswegs angenehm” Juristisch sieht Tagespresse-Gründer Jergitsch die Kunstfreiheit im Land gut abgesichert, auf ökonomischer Ebene sei das aber anders.

Redaktion 02.06.2023

Einschüchterung einer Branche

Prominente Unterstützer fordern den Rückzug der FPÖ-Klage gegen das Satireportal „Die Tagespresse”.

WIEN/ST. PÖLTEN. Am Montag vergangener Woche hat die FPÖ Niederösterreich rechtliche Schritte gegen das Satireportal „Die Tagespresse” eingeleitet. Es geht um 47.500 €, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, bestätigte die Landespartei auf Anfrage. Grund sind Fake-FPÖ-Briefe an Gastronomen im Bundesland im Zusammenhang mit der von Schwarz-Blau angekündigte Wirtshausprämie (siehe Fact Box).

„Merkmale einer Slapp-Klage”

Jetzt fordern 180 Personen aus Literatur, Musik, Film und Kabarett die Partei mit einer Unterschriftenliste auf, die Klage zurückzuziehen. Im APA-Gespräch meint „Tagespresse”-Gründer Fritz Jergitsch, die FPÖ wolle damit die „ganze Branche einschüchtern”. In der von Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren und Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer ins Leben gerufenen Unterstützungsinitiative wird darauf hingewiesen, dass „alle Merkmale einer Slapp-Klage” – also Einschüchterungsklage – vorlägen. „Egal, wie das Gericht entscheidet: Die Tatsache, dass diese Klage überhaupt eingebracht wurde, obwohl niemand materiellen oder körperlichen Schaden erlitt und die ‚Tagespresse' die Täuschung umgehend aufklärte, lässt Rückschlüsse auf das Motiv der FPÖ zu. Durch das Abfeuern sämtlicher juristischer Geschütze aus allen Rohren sollen kritische Medien, Satire, Kunst und Kultur eingeschüchtert werden”, heißt es in dem Statement.

Das Schreiben wird von der IG Kabarett, dem Presseclub Concordia und dem Österreichischen PEN Club mitgetragen. Ihre Solidarität mit der „Tagespresse” haben etwa Josef Hader, Ursula Strauss, Michael Niavarani, Marlene Streeruwitz, Thomas Stipsits, Stefanie Sargnagel, Herbert Föttinger, Maschek, Christoph Grissemann, Dirk Stermann, Ruth Brauer, Nicholas Ofczarek, Michael Ostrowski, Caro Athanasiadis und Florian Scheuba erklärt.

Ökonomischer Druck

„Tagespresse”-Gründer Jergitsch betrachtet die Klage zwar als „Auszeichnung”, da es Aufgabe von Satire sei, die Mächtigen zu ärgern, doch sei sie keineswegs angenehm. „Wenn die FPÖ damit vor Gericht durchkäme, wäre es ziemlich schmerzhaft”, sagt er. Im schlimmsten Fall rechnet der Satiriker mit Kosten in Höhe von ca. 70.000 €. Dabei bestreite man den Eingriff ins Namensrecht nicht. Die FPÖ Niederösterreich argumentiere aber auch mit Kreditschädigung und unlauterem Wettbewerb. „Deswegen ist es so wichtig, dass die Branche ein Zeichen der Geschlossenheit abgibt und zeigt, dass diese Art und Weise gegen Kritik vorzugehen, nicht unbeantwortet bleibt”, freut sich Jergitsch über die solidarische Aktion.

Juristisch sieht Jergitsch die Kunstfreiheit im Land gut abgesichert; auf ökonomischer Ebene sei das aber anders. Speziell Medien seien wegen der Förderungs- und Inseratenkultur sehr angreifbar für Slapp-Klagen und Druck aus der Politik. Die „Tagespresse” hat noch ca. eine Woche Zeit, die Klage zu beantworten. Anschließend wird ein Prozesstermin festgesetzt, sofern die Klage von der FPÖ nicht noch zurückgezogen wird. (sb/APA)

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