••• Von Britta Biron
Filme und TV-Serien sollen in erster Linie unterhalten, aber bis zu einem gewissen Grad beeinflussen sie – durch die Themen und die Darstellung der handelnden Personen – auch unsere Sicht der Welt. Die ist – Gleichbehandlungsgesetze hin oder her – aber immer noch männlich dominiert. Diesen Missstand kann man freilich nicht allein der Filmindustrie in die Schuhe schieben. Allerdings sorgen deren – trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen, die seit etlichen Jahren gesetzt werden – ebenfalls noch immer stark maskulin geprägte Strukturen eben auch dafür, dass es in Sachen Gendergerechtigkeit nur schleppend vorangeht.
Frauen spielen …
Film Fatal, die Interessengemeinschaft österreichischer Produzentinnen und Producerinnen, will jetzt mit dem „Inclusion Rider” für mehr Tempo sorgen. Insgesamt 38 heimische Produktionsfirmen haben diese Vertragsklausel unterzeichnet und sich verpflichtet, künftig für mehr Chancengleichheit zu sorgen. So soll der Frauenanteil für Tätigkeiten hinter der Kamera – von Drehbuch und Dramaturgie, über Kamera und Regie, Licht und Licht bis zur Postproduktion – erhöht werden. Bei gleicher Qualifikation will man weibliche Kandidaten bevorzugen und klarerweise soll es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Gehalt geben.
Auf der Leinwand soll es nicht nur mehr Frauen geben, sondern die Charaktere auch jenseits der gängigen Klischees von typisch Mann oder typisch Frau konzipiert und besetzt werden.
Mindestens eine nicht geschlechter-spezifizierte Nebenrolle soll mit einer Frau besetzt werden und außerdem ist für eine an sich männlich angelegte Nebenrolle eine „Geschlechtsumwandlung” vorgesehen.
… in Film und TV …
Im Wesentlichen basiert die Resolution auf dem US-Inclusion Rider, setzt allerdings auf Freiwilligkeit und sieht keine Sanktionen bei Nichteinhaltung der Ziele vor. Wirksam soll er trotzdem sein, ist Constanze Schumann, Managing Partner der Rundfilm und Mitglied von Film Fatal, überzeugt: „Er ist ein Mittel, um Bewusstsein in den Köpfen der Entscheidungsträger zu schaffen und sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Wir sind beim Erstellungsprozess dahintergekommen, dass wir selbst, obwohl wir Frauen sind, bei Teambildungen für die Dreharbeiten immer wieder an die selben Leute denken. Dass wir bei Drehbuchentwicklungen immer wieder in die Klischee-Falle tappen. Einfach weil dies so in unseren Köpfen verankert ist. Wir sind mit diesen Rollen aufgewachsen und wir sehen sie täglich im Fernsehen und im Kino. Dieses Verhalten muss man brechen, indem man sich immer wieder ins Bewusstsein ruft, dass es auch tolle Kamerafrauen, Komponistinnen, Cutterinnen, etc. gibt. Und dass Frauen heutzutage in allen Berufen arbeiten und so auch auf der Leinwand abgebildet gehören.”
… meist Nebenrollen
Auch Gerlinde Seitner, Geschäftsführerin des Filmfonds Wien, sieht im Inclusion Rider einen guten Hebel, „da so mehr Stoffe mit hoher weiblicher Beteiligung überhaupt zur Einreichung gelangen”.
Denn schon bei den Förderanträgen sind Frauen in der Minderheit.
2018 kamen z.B. rund 40% der Drehbücher von Autorinnen, bei nicht einmal einem Viertel der Kinofilme und knapp 40% der TV-Filme war eine Regisseurin vorgesehen. Bevor der Filmfonds Wien vor sieben Jahren begonnen hatte, gezielt gegenzusteuern, sei der Gender Gap allerdings noch deutlich größer gewesen. Insofern zeige sich schon eine deutliche Verbesserung. „Damit es aber wirklich gerecht zugeht, braucht es Bewusstsein und Engagement von allen Seiten. Eine Initiative wie der Inclusion Rider ist somit sehr wichtig.” Ob er seine Aufgabe erfüllen kann, werde vor allem davon abhängen, wie konsequent die unterzeichnenden Firmen die Maßnahmen umsetzen werden.
Weibliche Sichtweise
Macht es tatsächlich einen Unterschied, ob wichtige Stabsstellen wie Drehbuch und Regie in weiblicher Hand liegen?
„Ja. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Filme, die von überwiegend männlichen Teams gemacht werden, ein breites Bild von Männerwelten zeigen. Filme von weiblich besetzen Teams zeigten hingegen ein breites Bild der Gesellschaft, also Frauen und Männer. Da gibt es also offensichtlich einen anderen Zugang”, sagt Iris Zappe-Heller, stellvertretende Direktorin und Beauftragte für Gender & Diversity des Filminstituts. Und Seitner ergänzt: Je höher der männliche Anteil in den Stabsstellen ist, desto stärker orientiert sich die Darstellung von Frauenfiguren an Geschlechterklischees. Es obliegt also auch männlichen Filmemachern, etwas an dieser Statistik zu ändern.”
Zwar gäbe es, so Schumann, auch männliche Regisseure, denen eine differenzierte Darstellung von Frauenrollen gelingt, aber für mehr Role Models für Mädchen und Frauen brauche es eine verstärkte weibliche Sicht.
Gerechtigkeit braucht Geld
Frauen reichen aber nicht nur weniger Projekte ein, sie erhalten in der Regel auch weniger Fördermittel.
„Der weibliche Blick ist neu, ungewohnt und wird nicht automatisch als qualitativ gleichwertig erkannt. Daher werden Filme von Regisseurinnen häufig als größeres Risiko angesehen, das insbesondere wenn es um größere Budgets geht, nicht gern eingegangen wird”, erklärt Zappe-Heller.
Geld ist klarerweise ein wichtiger Hebel, um für mehr Gender-Gerechtigkeit zu sorgen.
„Ohne die Filmförderung oder den ORF als Geldgeber wird es nicht gehen”, weiß Schumann, dass allein der gute Wille nicht reicht, um Veränderungen zu erreichen. „Es wird Gespräche mit Förderstellen und Geldgebern geben, inwiefern die Einhaltung des Inclusion Riders an Geldmittel geknüpft werden kann.”
Und wie sieht man verbindliche Quoten?
„Die sind in der Kulturförderung ein sehr angreifbares Mittel. Der Vorwurf, die Qualität in den Hintergrund zu stellen, würde sehr schnell hörbar”, meint Zappe-Heller. Ein konkretes zeitliches Ziel, wie 50:50 by 2020 in Schweden, hielte sie aber für sinnvoll. „Noch gibt es das leider nicht. Ein klarer politischer Auftrag würde das sehr erleichtern.”
Schuhmann sieht das anders: „Ich dachte bis vor ein paar Jahren, dass es die Quote nicht braucht. Mittlerweile habe ich aber meine Meinung geändert. Es tut sich viel zu langsam etwas und scheinbar wird sich erst dann etwas ändern, wenn es von außen erzwungen wird. Das sieht man ja in ganz vielen Bereichen. Wenn das Verhältnis dann ausgeglichen ist, braucht es auch die Quote nicht mehr, aber dort sind wir leider noch nicht. ”