MARKETING & MEDIA
sabine bretschneider 20.05.2016

Holodeck 2.0: fast wie im echten Leben

Warum Algorithmen keine Autorität verkörpern und warum die Rekreations­center, die in den Schiffen der Star Trek-Serie verbaut sind, alt aussehen.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


REALITÄTSVERLUST. Geschichten aus virtuellen und vermeintlich virtuellen Welten: Facebook – oft liebevoll (oder weniger liebevoll) Fratzenbuch genannt – hat vor Kurzem den Vorwurf zurückgewiesen, seine Mitarbeiter hätten in den USA „Nachrichtentrends auf der Plattform manipuliert, um Mitgliedern Berichte mit konservativem Einschlag vorzuenthalten”. Das Unternehmen wies die Vorwürfe zurück: Man habe keine Belege dafür gefunden. Nun, keine Belege für Dinge zu finden, heißt nicht unbedingt, dass etwas auch nicht stattgefunden hat, – aber lassen wir diese Diskussion einmal beiseite. Frühere Mitarbeiter jedenfalls waren mit diesem Vorwurf an die Öffentlichkeit gegangen, und: Wo Rauch ist, ist ja oft auch Feuer (Und nur weil ein Sprichwort mit dem Beginn massentaug­licher Hexenverbrennung in unseren Breiten an Maßstabtauglichkeit verloren hat, ist es nicht per se schlecht).

Parallele Universen – fast

Dazu also ein Update: Vergangene Woche publizierte Facebook, um diesen Vorwürfen entgegenzutreten, seine internen Richtlinien. Fazit und Zusammenfassung: Die News werden grundsätzlich von Algorithmen vorgeschlagen … Wenn jetzt aber ein Algorithmus eine systematische, logische Regel oder Vorgehensweise bezeichnet, die zur Lösung eines vorliegenden Problems führt: Wie können dann Algorithmen Regeln vorgeben? Eine Kopfnuss. Erinnert ein wenig an das Paradoxon vom Kreter, der behauptet, alle Kreter seien Lügner.

Anschließend noch ein netter Beitrag des Facebook-Chefs: „We are one global community where anyone can share anything – from a loving photo of a mother and her baby to intellectual analysis of political events.” Und demnächst werden wir nicht nur das Foto der liebenden Mutti sharen, sondern das Baby quasi selbst in Händen halten. Mittels Virtual Reality nämlich, dem nächsten Riesending der heutigen Social Sharing-Kommunikation. Stellen Sie sich das vor: Sie spazieren durch Paris und können nicht mehr nur Selfies von und mit allem schießen, das Ihnen in die Quere kommt – oder aber auch Videos anfertigen, mit denen Sie Ihren Freundeskreis teilhaben lassen, sondern: Oma kann zuhause ihre VR-Brille aufsetzen und einfach, wenngleich virtuell, mitspazieren. „Oma” deswegen, weil der Freundeskreis ja oft noch in aufrechten Beschäftigungsverhältnissen steht und inzwischen totale Probleme mit dem Zeitbudget entwickelt, weil im Sommer ja alle aus aller Welt virtuelle Mitmach-Events verschicken. Klingt stressig? Wird es auch.
Das nächste große Ding im Freizeitsektor werden gefinkelte Tele-Zeitmanagement-Blockseminare werden („Wie vereinbare ich Familie, Beruf, Hobby, Freunde, Verwandtschaft, Unvorhersehbares und Soziale Medien, ohne a) früh zu sterben oder b) als soziophober Sonderling zu enden?”) Im Ernst: Die Möglichkeiten, die sich per VR auftun, sind tatsächlich spektakulär, sehen aus und klingen wie aus einem Sci-Fi-Thriller, werden demnächst aber schon Realität sein, also fast Realität … Ein Aspekt, der in der heutigen Coverstory fehlt, ist übrigens das Pornobusiness. Allein dieser Sektor birgt mannigfaltige Überraschungen – und viel, viel Geld. Aber mehr dazu ein anderes Mal.

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