MARKETING & MEDIA
© Martina Berger

Redaktion 19.05.2023

„Jeder wird seinen Beitrag leisten müssen”

Die Österreichische Marketing Gesellschaft nimmt sich jetzt des Themas der Sustainable Development Goals an.

Für ihre kommende Zwei-Jahres-Periode nimmt sich die Österreichische Marketing-Gesellschaft (ÖMG) eines zentralen Zukunftsthemas an: den von den United Nations (UN) formulierten Sustainable Development Goals (SDGs). Diese Ziele behandeln ein breites Spektrum – von Geschlechtergerechtigkeit, über menschenwürdige Arbeit bis hin zum großen Themenbereich Klimawandel.

Dem Marketing wird in all diesen Themen eine wichtige Rolle zukommen, weshalb sich die ÖMG auch als prädestiniert für deren Bewerbung sieht.
„Uns ist es ganz wichtig, aktuelle Themen aufzugreifen und zu schauen, wie Marketing einen guten und positiven Beitrag leisten kann”, fasst ÖMG-Präsidentin Barbara Rauchwarter zusammen.

Alles eine Budgetfrage?

Präsidentenkollege Alexander Oswald gibt ein konkretes Beispiel dafür, wo die Gesellschaft mit gutem Beispiel vorangeht: „Eines der Sustainable Development Goals ist Diversität. Das ist uns wichtig. Das definiert uns. Wir hatten eine gleichberechtigte Präsidentschaft und einen mehrheitlich weiblichen Vorstand, als noch niemand darüber geredet hat.”

Ein Argument, das von Unternehmen rasch ins Feld geführt wird, wenn es um Nachhaltigkeit geht, ist mangelndes Budget. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Budgets für Nachhaltigkeitsprojekte oder Marketing häufig unter den ersten, die dem Sparstift zum Opfer fallen – ein Fehler, meinen Rauchwarter und Oswald. „Das ist ein extrem kurzfristiger Gedanke, der uns auf den Kopf fallen wird. Vielleicht nicht sofort, aber in den nächsten Jahren”, so Rauchwarter. Dazu komme, so die ÖMG-Präsidentin weiter, dass es gerade im Bereich Nachhaltigkeit mittlerweile gesetzliche Vorschriften gebe, das Thema werde also ohnehin zu einem Must-have.
Was die Budgets betrifft, sieht Oswald die Situation differenziert: „Es gibt auf der einen Seite Branchen, die aktuell aus verschiedensten Gründen wirklich unter Druck sind, weil das Geschäft nicht rennt. Es gibt aber auch andere Unternehmen, die sehr wohl investieren, eben weil sie das jetzt gerade auch als Chance sehen.” Die Tatsache, dass etwa der Planet immer wärmer werde, sei unbestritten, und am Ende des Tages werde jeder seinen Beitrag leisten müssen. Gleichzeitig plädiert er aber für Pragmatismus: „Nicht jedes Unternehmen muss in jedem der 17 Sustainable Development Goals gleich die absolute Perfektion erreichen. Es reicht schon, wenn ein, zwei Ziele herausgegriffen und angegangen werden – das ist definitiv eine Chance”, und, so Oswald weiter: „Dazu sind wir eine Partnerschaft mit Climate Lab eingegangen, um die Vernetzung und den Austausch in diesem Bereich zu fördern.”

Mindsets ändern

Marketing kommt im Weg hin zu einer nachhaltigeren Zukunft vor allem in der Bewusstseinsbildung eine zentrale Rolle zu. Lange Zeit war es beispielsweise positiv konnotiert, ein möglichst großes Auto zu haben und viel mit dem Flugzeug zu fliegen – das ändert sich gerade, wenn auch langsam. „Marketing wird neue Bilder und Werte in die Köpfe der Konsumenten bringen müssen. Gleichzeitig hat Marketing aber nicht die Aufgabe, belehrend zu sein. Immer nur den Finger heben, zu bewerten und zu benoten, bringt nichts. Wir müssen Alternativen aufzeigen, die wünschenswert und begehrenswert sind”, erläutert Oswald.

Rauchwarter stimmt diesem Befund zu und ergänzt: „Das ist genau das, was Marketing gut kann. Marketing kann Begehren erzeugen. Wir müssen diese Veränderung, diese anderen Werte positiv besetzen.” Richtet sich dieser Aufruf zum Wertewandel an Konsumenten oder Unternehmen? Für Rauchwarter sind beide entscheidend. „Natürlich adressierst du am Ende des Tages nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Unternehmen, die ja ein entsprechendes Angebot machen müssen. Was ich immer noch glaube, ist, dass wir als Konsumenten gewisse Dinge in der Hand haben. Wenn wir gewisse Dinge nicht kaufen, weniger kaufen, sagen, was wir gerne hätten, dann beginnen Dinge, sich zu ändern.” Abschließend ergänzt sie, dass es nicht darum gehe, zwischen Menschen zu polarisieren und sie zu verärgern, sondern sie mitzunehmen – auch indem gemeinsame Betroffenheit aufgezeigt wird. „Dieses Mindset des ‚Wir haben das immer schon gemacht' – davon werden wir uns verabschieden müssen”, so die ÖMG-Präsidentin. Die Wege dorthin seien gar nicht so unterschiedlich wie in der klassischen Produktwerbung. „Ich muss mir überlegen, wo die Zielgruppen sind, über welche Kanäle ich sie erreiche und kann ich dort meine Botschaften so platzieren, dass sie dort erreichen kann.”

Gesetzliche Regulierung

Ein zweiter Bereich, dem bei der Erreichung der SDGs zentrale Bedeutung zukommt, ist die rechtliche Dimension. Dabei geht es weniger um strikte Verbote und mehr um die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen. Oswald nennt ein Beispiel: „Auf EU-Ebene gibt es einige wunderbare Bestrebungen. Im Rahmen des Green Deals der EU wird aktuell diskutiert, dass in Zukunft nachhaltige Investitionsprojekte bessere Finanzierungsmöglichkeiten bekommen sollen. Es wird wahnsinnig wichtig sein, Positives zu fördern.” Großbritannien ist ein weiteres Beispiel; dort wurde TV-Werbung für ungesunde Lebensmittel eingeschränkt und darf erst nach 21 Uhr gesendet werden. Es wird also einen Gleichklang aus Imagebildung und rechtlich verbindlichen Impulsen brauchen. Herausfordernd wird vor allem sein, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen so anzubieten, dass sie nicht nur wohlhabenden Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen – in erster Linie also eine Preisfrage. Doch, ergänzt Rauchwarter, dürfe man auch nicht verschweigen, dass es ein gewisses Maß an Verzicht brauchen werde: „Wir werden nicht mehr jeden Tag das Schnitzel auf dem Tisch haben”, fasst sie zusammen.

In den kommenden Jahren will die ÖMG ihren Mitgliedern zahlreiche Impulse in Form von Veranstaltungen und Kooperationen rund um die SDGs anbieten. Wieso es gerade jetzt Vereinigungen wie die ÖMG braucht, das erklärt Oswald so: „Es ist immer gut, Orte der Vernetzung und des Austauschs zu haben. Gerade jetzt, wo so viel Veränderung im Marketing passiert.” (df/sh)

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