••• Von Georg Sander
WIEN. Die Pulsmesser-Studie, die Media1 und DMB. vergangene Woche präsentiert haben, soll den Marken, die die Agenturen betreuen helfen, aber durch die Veröffentlichung auch anderen die Möglichkeit geben, Schlüsse daraus zu ziehen. „Die Basis, die sich ergeben hat: Wir sind in die Krise hineingestolpert, und das ist eine große Herausforderung”, erklärt Joachim Krügel, CEO bei Media1 und GL-Mitglied der DMB. Holding, „für Marken und Kommunikation ist es ebenfalls sehr ernst und nicht so leicht.” Etwa: Was geschieht mit den laufenden Mediainvestements und der aktuellen Werbung? Wäre nicht alles, was jetzt getan wird, eine Chance für die Zukunft? „Die Erfahrung aus letzten Krisen zeigt, dass es sich lohnt, aktiv zu werden.”
Krise 2008 als Vorlage
Nun ist das Problem, dass es eine derartige Krise mit so massiven Beschränkungen des öffentlichen Lebens in der modernen Zeit noch nie gab. Die Erfahrungswerte basieren auf der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008. „Kontakte im Außenwerbebereich sind nach unten gegangen, TV, Radio und Digital ging nach oben”, erklärt Krügel und formuliert die sich daraus ergebende, offensichtliche Frage: „Wenn ich aus dem Bereich der Außenwerbung Budgets rausnehme und diese in einen anderen Bereich stecke, hilft mir das?” Es ist eben eine andere Krise, eine Gesundheitskrise, aus der eine gesellschaftliche und letztlich wirtschaftliche erwächst: „Kann ich das als Marke als Chance nutzen und wenn ja, wie?” Investitionen lohnen sich aus Sicht der Experten auf jeden Fall. „Schon vor der Krise war spürbar, dass Marken stark Richtung Sinnstiftung gehen, Purpose gesucht haben”, führt Katharina Schmid, Head of Strategic Planning und GL-Mitglied bei DMB., aus.
Vor allem die junge Generation habe schon zuvor Vertrauen in Institutionen verloren, bewusster Konsum und Sinn käme unter anderem auch aus Marken. Nun werde genau hingeschaut, wie sich die Marken verhalten: „Aus diesem Need heraus haben wir einen Arbeitsansatz entwickelt, der es in einem unkomplizierten Workshopformat ermöglicht, auf schnellem Weg die Rolle von Marken in dieser herausfordernden Zeit zu finden und darauf kommunikative Maßnahmen zu setzen.” Wichtig wäre es auf jeden Fall, klar am Markenkern und genauso bei der Zielgruppe anzudocken.
Die Mindsets
Die Lebensrealität hat sich nun schnell verändert und verändert sich weiter. Viele sind ins Homeoffice übersiedelt, haben sich damit arrangiert und nach ein paar Wochen ist das die neue Normalität. Marken müssten „das Ohr am Gleis” halten und schauen, wie sich die Zielgruppen entwickeln und schnell reagieren. „Die Zusammenarbeit mit den Kunden ist sehr intensiv, es gibt beinahe täglichen Austausch”, illustriert Schmid. So wäre „Stay at Home” etwas, was die Menschen mittlerweile verstanden hätten und Durchhalten nun wichtiger. DMB. betreut beispielsweise eine Marke aus Südtirol und „dort sehen wir, dass die zwei Wochen weiter sind und die Botschaften sich schon verändert haben”.
Das ist aber nicht so einfach. Joachim Krügel meint: „Menschen bilden sich sehr schnell Urteile, der Austausch ist derzeit relativ beschränkt. Man denke nur an einen großen deutschen Sportartikelhersteller.” Und Schmid sagt: „Die Fallhöhe ist höher, man muss sehr flexibel sein und sich gut überlegen, welche Botschaften man wählen kann.” Insofern musste überlegt werden, ob Kampagnen nachjustiert werden müssen. Dafür arbeitet DMB. mit acht verschiedenen Mindsets: Helfer, Wohltäter, Life Hacker, Connector, Danksager, Problemlöser, Socializer und Vertrauter.
Fallbeispiele
Einer der Kunden etwa ist Merkur; dem Lebensmitteleinzelhandel kommt derzeit eine Schlüsselrolle zu: „Hier haben wir das Mindset Problemlöser herangezogen, aber im Sinne des Employerbrandings war es wichtig, stark zu kommunizieren.” Das entwickelte Motto „Zusammen halten, zusammen helfen” war der Claim, unter dem die Maßnahmen (Öffnungszeiten, neue Regeln) kommuniziert wurden. On top kam noch das Mindset Life Hacker: Jetzt hast du Nudeln, Mehl und Co. – was kann daraus gemacht werden?
Marlene, eine Apfelmarke, die weltweit exportiert wird, stelle im B2B-Bereich Aufgaben. Denn wie würde man die Äpfel weltweit in den Handel bringen? Die nicht in Österreich laufende Kampagne hatte den Claim „Marlene – Tochter der Alpen”, der ist zurzeit auf „Wir sind Marlene” geändert, um zu zeigen, dass alle zusammen die Lebensmittelkette aufrechterhalten. Für den Endkonsumenten war man Life Hacker – wie lagert man Äpfel? Was kann man aus Äpfeln machen?
Aber auch Marken, die nicht zur Deckung täglicher Lebensbedürfnisse gebraucht werden, bekamen eine Überarbeitung. Etwa die Salzburger Brauerei Stiegl, beispielsweise einer der Sponsoren der Fußballnationalmannschaft. „Die Gastronomie als Vertriebspartner fällt weg”, erklärt Schmid. Darum wurden die Maßnahmen Richtung Handel und Online verlagert. Dazu kommt noch die Aktion: ‚Alles Wirt gut' – da wird bei Onlineshop-Bestellungen an die Wirten sozusagen ein Trinkgeld weiter- geleitet, um ihnen zu helfen.
Herausforderung gemeistert
Die entscheidenden Fragen sind: Wer ist die Marke und wer kann sie in dieser Zeit sein? Wie kann die Marke einen Beitrag leisten? Was kann die Marke konkret tun? Daraus ergibt sich dann letztlich die Kommunikation. „Die Kunst in der Kommunikation ist, mit dem mündigen und kritischen Konsumenten ehrlich zu sprechen. Es ist schon klar, dass Marken etwas verkaufen wollen. Eine Marke, die sich authentisch in der Thema einfügt, etwas voranbringen will, Hilfsbereitschaft zeigt, wird auch positiv betrachtet”, ist sich Krügel sicher.
Hilfsbereitschaft, Entertainment und Glaubwürdigkeit bringen doppelten Gewinn. Es gibt eine „neue Relevanz”, wie Katharina Schmid es formuliert: „Aber die Tatsache, dass eine Marke nun relevant ist, macht es glaubwürdig, weil man den Menschen Dinge bietet, die sie brauchen.”