••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Am Ende war die Mehrheit für Roland Weißmann als neuer ORF-Generaldirektor nicht knapp, sondern mit zwei Drittel mehr als deutlich – auch, weil die drei Grünen Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte für Weißmann mitgestimmt haben.
Wie schon am Wahltag zu hören war, sollen die Grünen dafür zwei der vier neuen Direktorinnen und Direktoren bestimmen dürfen. Ob das stimmt, warum die Grünen Alexander Wrabetz nicht mehr ihr Vertrauen aussprechen wollten und warum Roland Weißmann für sie der bessere Kandidat war, dazu haben wir den Grünen Stiftungsrat Lothar Lockl befragt.
medianet: Herr Lockl, Roland Weißmann hat gesagt, dass er sich als Schutzschild für die Unabhängigkeit des ORF sieht. Nachdem Sie nun ihm als neuen Generaldirektor des ORF und nicht Alexander Wrabetz Ihre Stimmen gegeben haben: Ist der Umkehrschluss erlaubt, dass Sie Alexander Wrabetz nicht mehr als Schutzschild für diese Unabhängigkeit sehen?
Lothar Lockl: Ich möchte Alexander Wrabetz, der 15 Jahre das Unternehmen erfolgreich geführt hat, jetzt nichts ausrichten, was nicht passt. Das würde auch sein Leistung für den ORF nicht würdigen.
Ich habe großen Respekt vor ihm, er hat genauso wie Lisa Totzauer ein gutes Konzept abgeliefert, aber am Ende hat uns doch Roland Weißmann überzeugt – ungeachtet der Punzierungen, die alle Kandidaten hatten.
medianet: Was genau hat Sie überzeugt?
Lockl: Erstens, weil er uns versichert hat, dass ihm die Stärkung der Unabhängigkeit des ORF ein großes Anliegen ist. Zweites, weil er versichert hat, ein Teamplayer zu sein, der auch ein starkes Team will, welches parteiunabhängig agiert und dessen Mitglieder aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit bewiesen haben, dass sie erfolgreich sind; der dritte Grund ist, dass Roland Weißmann glaubhaft ausgesprochen hat, dass ihm die Digitalisierung ein Anliegen ist und er das jetzt in Angriff nehmen will.
medianet: Neben den inhaltlichen Konzepten war auch die Geschlechterverteilung bei Führungspositionen des ORF im Wahlkampf ein Thema – etwas, was den Grünen ja ein Anliegen sein müsste. Wie soll es hier weitergehen? Es sind fast keine Frauen in Führungspositionen vertreten …
Lockl: Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis an der ORF-Spitze ist für uns essenziell, und ich finde es beschämend, dass seit so langer Zeit so wenige Frauen im ORF in Führungspositionen tätig sind – auch auf Länderebene und bei den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren. Wir haben derzeit auch nur zwei Landesdirektorinnen …
medianet: … von denen eine jetzt in Pension geht …
Lockl: Ich hoffe, dass es im künftigen Direktorium zumindest zwei Frauen gibt, und auch, dass das Verhältnis bei den Landesdirektorinnen und Direktoren, aber auch in den ORF-Töchtern, künftig ausgewogener ist.
medianet: Kommen wir zurück zur Wahl des Generaldirektors. Die Grünen haben für Roland Weißmann gestimmt und bekommen dafür angeblich zwei der vier Direktoren. Stimmt das?
Lockl: Das weise ich zurück und ich halte es für eine Unkultur, zu sagen, es würden jetzt irgendwelche Parteien irgendwelche parteinahen Kandidaten in das Direktorium bringen. Damit diskreditiert man die Journalistinnen und Journalisten im Haus und auch jene, die dann diese Direktorenposten besetzen.
Ich hoffe, dass so, wie das auch der Redakteursrat gefordert hat, fachlich unbestrittene Kandidaten, die eine Distanz zu allen Parteien haben und in der Vergangenheit bewiesen haben, Medien und Sender erfolgreich führen zu können, im ORF auch etwas werden können. Darum geht es und nicht darum, dass irgendwelche Parteien irgendwelche Funktionen bekommen. Ganz im Gegenteil.
medianet: Gegen Ende des Wahlkampfs wurde der Ton hörbar rauer. So hat etwas Alexander Wrabetz Roland Weißmann die Qualifikation abgesprochen, den ORF führen zu können. Was hat nun tatsächlich gegen die Wiederwahl des bisherigen Generaldirektors gesprochen?
Lockl: Wie gesagt, 15 Jahre sind eine sehr lange Zeit, und Alexander Wrabetz hat viele Erfolge gehabt, aber es gibt natürlich einen Handlungsbedarf, und wir sind der Meinung, dass Roland Weißmann die anstehende Aufgaben besser lösen kann. Generell wären aber alle drei Kandidaten geeignet gewesen, den ORF zu führen, aber neben den genannten anderen Punkten war eben das Bekenntnis von Roland Weißmann zur Unabhängigkeit des ORF für uns einer der wichtigsten Punkte.
medianet: Die Abstimmung fand aber trotzdem streng entlang der Koalitionslinie statt. Setzen sich die Grünen hier nicht der Kritik aus, wieder einmal mit der ÖVP mitgegangen zu sein, obwohl klar war, dass die ÖVP ungeachtet der Sachlage einen Wechsel will und ‚ihren' Kandidaten auch mit der eigenen Mehrheit wählen kann?
Lockl: Es gab vor der Wahl viele Punzierende und viele Wortmeldungen vor allem außerhalb des Hauses, die dem ORF sicherlich nicht gutgetan haben. Wir als Stiftungsräte sind dem Wohl des Hauses verpflichtet, und ich bin überzeugt, dass wir einen Generaldirektor und Direktoren brauchen, die ein starkes Team für den ORF sind, und das hat für uns den Ausschlag gegeben.
medianet: Der neue Generaldirektor tritt sein Amt am 1. Jänner 2022 an. Alexander Wrabetz hat angekündigt, ungeachtet des anstehenden Wechsels die letzten Monate seiner Amtszeit nutzen zu wollen, um wichtige Personalentscheidungen, die auch in die Amtszeit von Roland Weißmann nachwirken werden, treffen zu wollen. Wie finden Sie das rein aus unternehmenspolitischer Sicht – unabhängig vom ganzen Partei-Hickhack?
Lockl: Ich kenne die Aussagen konkret nicht. Mir ist es wichtig, dass es einen guten Übergang gibt zwischen dem alten und dem neuen Generaldirektor, und ich traue es den beiden zu, dass sie das gut machen werden. Ich vertraue darauf, dass der Übergang trotz der derzeitigen Emotionen, die verständlicherweise im Spiel sind, gut laufen wird.