••• Von Dinko Fejzuli und Petra Stückler
Es ist die Erfolgsgeschichte zweier Urgesteine der österreichischen Werbeszene, die mit der Verleihung des medianet xcellence.awards eine verdiente Würdigung erfährt.
Michael Kapfer (CEO) und Dieter Pivrnec (CCO) führen seit 2005 GGK Wien. Ab 2016 firmiert die Agentur nach einer internationalen Neuausrichtung von Lowe International bis heute unter GGK MullenLowe Group, lokal verankert mit weltweiter Anbindung. Das Duo holt während all der Jahre „verlässlich” nationale und internationale Kreativ- und Effizienzpreise, wie die Cannes Lions, den Effie, Eurobest, Top Spot, ORF-Werbehahn, ORF-Onward, den großen Österreichischen Plakatpreis, den Adgar, den Österreichischen Staatspreis und viele mehr.
Ab 2019 übernehmen die beiden Masterminds Michael Kapfer und Dieter Pivrnec mehrheitlich die GGK MullenLowe Group. Gemeinsam stellen sie die Weichen für einen zukunftsweisenden Weg und stehen seither für stabile, nachhaltige und emotionale Kundenbeziehungen.
medianet hat die beiden zum Interview getroffen, in dem sie erzählen, was sie damals wie heute antreibt, was sich in all den Jahren in der Branche verändert hat, wie sie die Chancen und Risiken der neuesten Entwicklungen, wie zum Beispiel beim Thema KI, einschätzen und ob bzw. wie sie diese in den Agenturalltag integrieren.
medianet: Herr Kapfer, Herr Pivrnec, ein kurzer Rückblick zum Beginn der Geschichte. Können Sie uns erzählen, wie Sie den Weg in die Branche gefunden haben, denn wenn man sich Ihre Lebensläufe und Ausbildung aussieht, so war zumindest bei einem der Weg in die Werbung eher nicht vorgezeichnet.
Dieter Pivrnec: Bei mir war der Einstieg klassisch. Ich habe an der Kunstuni in Linz studiert und dann nebenbei schon in einer Agentur gearbeitet. Damals war ja Linz die Designhauptstadt mit Haslinger Keck und dem Sigi Mayer und wir hatten einen Gastprofessor, der mich in die konzeptionelle Richtung gebracht hat. Das habe ich irrsinnig spannend gefunden. Es war damals ja die Zeit, als Werbung intelligent gewesen und als Werbung noch viel mehr im öffentlichen Interesse gestanden ist. Das hat mich eigentlich ziemlich angezogen. Und da bin ich dann über die Grafikseite picken geblieben. Zuerst war ich Grafiker, dann Junior Art Director, dann Art Director und habe so alle Stationen durchlaufen, bis heute.
Kapfer: Ich bin das Kind eines Werbers, mein Stiefvater, mit dem ich groß geworden bin, war Kreativdirektor bei McCann, dann bei Lintas und später hat er als Geschäftsführer einer Agentur gearbeitet, die hieß damals DMB&B, D’Arcy Masius Benton & Bowles. Das hat mir ein völlig verzerrtes Bild der Werbung gegeben. Der ist mit mir Mittagessen gegangen, am Nachmittag ins Kino und wenn ich in der Agentur war, waren dort unfassbar schöne Menschen, die alle viel Spaß gehabt haben. Genau mein Job. Das möchte ich auch machen. Dann hat er zu mir gesagt, als ich den Wunsch hatte, nach der Schule in die Werbung zu gehen: ‚Die Werbung ist ein Sammelbecken gestrandeter Existenzen.' Ich soll bitte was studieren. So habe ich ihm zuliebe Tourismus und Verkehrswirtschaft studiert. Ich habe mir daheim die Leading Hotels of the World rausgeholt und überall, wo schöne Bilder waren von türkisem Wasser, habe ich mich beworben.
Komischerweise wollte mir niemand einen Job geben. Und so hat er mir letztendlich ein Praktikum bei D’Arcy in Frankfurt besorgt.
Da habe ich dann ein Jahr lang gearbeitet. Ich musste dann zurück nach Österreich und so ging’s klassisch in die DDM, also die Direct-Agentur von der GGK, damals, dann kurz zur EuroRSCG, Sales Promotion, Thompson, 1998 zu Ogilvy. Dort habe ich Dieter kennengelernt und ab 2005 sind wir gemeinsam bei der GGK.
medianet: Weil Sie von den schönen Menschen gesprochen haben, die viel Spaß hatten – damals sind auch noch die Agenturchefs mit dem Rolls-Royce durch die Gegend gefahren …
Kapfer: (lacht) Der eine ist mit dem Rolls Royce gefahren, der andere im Ferrari. Es war eine wilde Zeit.
Pivrnec: Wobei man aber dazusagen muss: Die Menschen hatten Spaß. Es war einfach, wie sagt man heute, nicht Work Life Balance, sondern Erfüllung. Man hat in der Agentur gewohnt und das war einfach super. Es hat Spaß gemacht und man wollte gar nicht aufhören. Also das war extrem befriedigend und es sind super Sachen rauskommen. Es war wirklich eine lässige Zeit.
medianet: Wie hat sich die Werbung geändert und wo stehen wir jetzt? Wie sehen Sie Ihren Anspruch, mit der Agentur hier einen Beitrag zu leisten?
Kapfer: Die Werbung ist einerseits im Griff von Political Correctness, Wokeism, Marktforschung, die teilweise neue Ideen, die im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdig sind, verhindern. Kunden wollen auf Nummer sicher gehen. Das heißt, es ist wenig Spaß am Experimentieren da in der klassischen Werbung. Gleichzeitig gibt es durch das gesamte Feld des Digitalen eine unglaubliche Chance, neue Dinge auszuprobieren. Wo man tatsächlich auch noch meiner Ansicht nach sehr kreativ arbeiten kann. Das ist der Teil, der Spaß macht. Das ist der Teil, der neu ist.
Und overall, ohne zu jammern, ist es noch immer der Job, der mir so eine Freude macht, dass ich nichts anderes machen möchte.
Pivrnec: Es ist taktisch extrem spannend geworden durch die digitalen Kanäle. Das, finde ich, ist das Positive an der Entwicklung.
Früher war es, wenn man beim Kunden war und man seine Ideen präsentiert hat, wie Weihnachten. Man hatte auch den Mut, irgendwie außergewöhnliche und spannende Sachen zu machen. Jetzt haben wir das Gefühl, es herrscht nur die Fehlersuche vor. Früher wurde viel mehr nach den großen neuen Ideen gesucht. Eine spannende neue Idee – formulieren wir es so – hat es gerade irrsinnig schwer, das Licht der Welt zu erblicken.
medianet: Weil die Werbung durch die Digitalisierung viel messbarer in der Wirkung geworden ist? Dass sozusagen KPIs im Vordergrund stehen? Vielleicht schon bei der Präsentation? Werbung soll verkaufen, das ist schon klar. Aber wie ist das Verhältnis?
Kapfer: Vor der Messbarkeit verstecken wir uns nicht. Ich halte das eher für einen Vorteil, vor allem, weil im Vergleich zu früher ist es jetzt ein Prozess, der nie aufhört, der immer weitergeht. Das finde ich extrem positiv. Das finde ich spannend. Wenn ich Kontrollmechanismen habe, dann ist es gut.
Was mich mehr nervt, ist, zu sagen, wir wollen überhaupt nichts ausprobieren. Ich glaube sehr stark daran, dass kreative Werbung verkaufen kann. Wenn man das vorher schon tötet, wird es halt schwer.
Pivrnec: Ich finde es somit etwas widersprüchlich, weil die Entwicklung, die Geschwindigkeit, dass man alles viel schneller machen kann und schneller ausprobieren kann, dass man die Zielgruppen in den Kanälen viel direkter erreichen kann … das schreit eigentlich nach Experimentierfreudigkeit und nach Mut. Aber das Gegenteil ist der Fall. Man will sich 100 Mal absichern, will keine Fehler machen, will gar kein Budget vergeuden, will alles richtig machen von Anfang an.
medianet: Apropos Schnelligkeit. Etwas, das viel schneller kommt, als wir uns das alle vorgestellt haben, ist das gesamte Thema ‚Künstliche Intelligenz'. Wie sehen Sie die Entwicklung und setzen Sie sie schon ein?
Kapfer: Wir haben vor einem Jahr begonnen, uns damit auseinanderzusetzen.
Wir hatten vor eineinhalb Jahren dazu ein internationales Meeting. Das sind halt die Vorteile, dass wir eine gesunde Netzwerkanbindung haben. Unsere Jungs aus Amerika haben sich damit schon vor zwei Jahren auseinandergesetzt. Damals haben wir noch gar nicht gewusst, was ChatGPT ist, was es überhaupt heißt. Das heißt: Ja, wir arbeiten damit, wir setzen es lustigerweise im Moment weniger in der Werbung nach außen ein. Das haben wir auch schon zweimal gemacht, aber sehr stark für Verkaufsprozesse, weil man die Dinge im Layout-stadium besser und einfacher darstellen kann
Pivrnec: Ich finde es durchaus positiv, weil es für mich ein Tool ist, das die Kreativität sogar inspiriert und fördert. Wir hätten rund um den Jahreswechsel die erste ‚powered by AI'-Kampagne gemacht, aber der Kunde hat sich dann für eine andere Kampagne entschieden.
AI ist durchaus lässig. Ich habe keine Angst, dass die AI die kreativen Jobs fressen wird. Weil, wie wir alle wissen, ist es die Kunst des Prompt-Designers, die richtigen Dinge rauszuholen. Da muss man eine sehr, sehr große Erfahrung haben. Als Unkundiger wirst du da nie was Gescheites rauskriegen, weil die AI muss auch mit dem richtigen Menschen zu tun haben, damit sie die besten Ergebnisse liefert.
medianet: Haben Sie auch Bedenken? Wo sehen Sie Gefahren?
Kapfer: In dem Moment, wo ich Automatisierung und mehr oder weniger Ungefiltertes oder noch viel schlimmer bewusst gesteuertes Spinning verknüpfe und das Ganze dann für Politik verwende, wird das Ganze eine sehr große Gefahr. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.
Pivrnec: Ich finde auch die Diskussion über die Kennzeichnungspflicht durchaus angebracht.
Speziell die Generation, die damit aufwächst, weiß wahrscheinlich wirklich nicht mehr, was jetzt real und was nicht real ist. Da sehe ich auch eine große Gefahr. Vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen ist es eine Herausforderung.
medianet: Apropos gesellschaftspolitisch bzw. politisch – Sie haben auch Kampagnen für politische Parteien gemacht. Hatten Sie nie Bedenken, dadurch in eine bestimmte politische Ecke gedrängt zu werden?
Kapfer: Ich fand politische Werbung persönlich immer hochgradig spannend. Und ich glaube, wir haben eigentlich die These, wenn man für eine Partei etwas macht, damit in ein bestimmtes Eck gedrängt wird, widerlegt. Wir kamen von Ogilvy und haben dort politische Werbung – nona – für die ÖVP rauf und runtergemacht und kamen dann zu einer in der Vergangenheit eigentlich rot punzierten GGK, wo wir ja übrigens den berühmten Wahlkampf für Christian Kern gemacht haben.
Pivrnec: Für mich war Politik ebenfalls ein hochspannendes Feld, und mittlerweile ist es normal, dass große Agenturen auch für die Politik arbeiten.
Wenn das Ziel der politischen Vision gut ist, finde ich es extrem spannend, dafür zu kämpfen.
medianet: Abschließend zwei kurze Fragen: Was bedeutet Ihnen der xcellence.award und sagen Sie uns kurz, was Sie von der Zukunft erwarten?
Kapfer: Nachdem wir ganz überrascht waren, dass man uns diesen Preis zugedacht hat, haben wir uns danach überlegt, was das eigentlich heißt. Da wir als GGK so ziemlich jede Auszeichnung national wie international gewonnen haben – von Cannes Löwen, über die CCA Venus bis Effie –, ist es jetzt quasi der Oscar fürs Lebenswerk. Sonst ist es ja meistens so, dass die Oscars fürs Lebenswerk nur die kriegen, die keinen normalen Oscar zusammengebracht haben. Deswegen freut es uns unglaublich. Gleichzeitig ist es offensichtlich aber auch ein Reminder, dass wir nur mehr im Kopf 29 sind. (lacht)
Pivrnec: Der Blick in die Zukunft – wir wollen weiter Gas geben. Wir glauben an das Positive in der Zukunft. Wir glauben, dass Expertise und Erfahrung, kombiniert mit neuen, frischen, jungen Mitarbeitern, für unsere Kunden das beste Ergebnis bringt.
Und wir haben uns ja schon sehr genau überlegt, wie hilft die Architektur bei einer idealen Struktur in der Zusammenarbeit. Wir haben jetzt die Filmproduktion von Anfang an mit am Tisch. Das macht extrem Spaß, wenn man so richtig aus dem Vollen schöpfen kann. Und ja, es bleibt natürlich spannend. Und zu guter Letzt: wir lieben unseren Job wie am ersten Tag.