MARKETING & MEDIA
© Ernst Kainerstorfer

Thomas Gruber, Obmann AGTT

Redaktion 23.08.2024

Lineares TV bekommt seine Echtzeitmessung

Start am 1. September: Teletest 2.0 und der Media Manager als Basis für die Live-Optimierung der linearen TV-Werbeblöcke, kurz „TV-LOAD“.

•• Von Dinko Fejzuli

Österreichs Broadcaster und TV-Vermarkter machen Ernst mit der weltweit ersten Kombination von Realtime-TV-Nutzungsmessung und digitaler Ausspielung von klassischer, linearer Fernsehwerbung.

Die in der Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) organisierten TV-Anbieter und Vermarkter – ATV, IP Österreich, ORF, ORF-Enterprise, Goldbach, ServusTV und ProSiebenSat.1 Puls 4 – haben sich auf den Einsatz des Media Managers von Virtual Minds verständigt, um auf Basis des Teletest 2.0 erstmals in der Geschichte des klassischen Werbefernsehens eine dynamische Echtzeit-Werbeblockoptimierung im linearen Fernsehen zu ermöglichen („TV-LOAD“, steht für Live Optimized Ads).
medianet bat Thomas Gruber (ProSiebenSat.1 Puls 4), Obmann der Arbeitsgemeinschaft Teletest, um einige Antworten.

medianet: Herr Gruber, am
1. September geht der neue ­Teletest 2.0 an den Start. Bevor wir ins Detail gehen – was sind die grundsätzlichen Neuerungen?
Thomas Gruber: Der Teletest ist seit 1991 die anerkannte, harte Währung in der Reichweitenmessung für Bewegtbild. Der Teletest 2.0 ist eine enorme Evolution und vereint die bestehende Haushaltsmessung mit den Daten von über 1,1 Millionen HbbTV-Geräten in Österreich. Die qualitative Messung wird ab 1. September 2024 um eine enorme Datenquantität angereichert, woraus sich ein noch exakteres Bild über die intensive Nutzung des reichweitenstarken Mediums TV ergibt. Davon profitieren nicht zuletzt kleinere Sender, weil es die bisher diskutierten ‚Nullerreichweiten‘ nicht mehr gibt.

Die hohe Datenmenge ermöglicht noch mehr Präzision in der Planung für Agenturen und Werbetreibende. Vor allem ist der Teletest 2.0 die Basis für eine Welt-Innovation, die live optimierte Ausspielung von Werbespots, kurz ‚TV-LOAD‘. Durch den Teletest 2.0 wird die Stärke von klassischem Live-TV am Big Screen noch besser und präziser messbar und nutzbar.

medianet: Sie sprechen von einem ‚Vorzeigeprojekt‘. Woran machen Sie das im Vergleich zu den Messungen anderer TV-Betreiber in Europa fest?
Gruber: Österreich ist in Europa – wahrscheinlich sogar weltweit – First Mover. Andere Märkte blicken mit großem Interesse auf das österreichische Projekt, das erstmals eine Echtzeit-Messung des linearen Live-TV ermöglicht. Laut aktueller Bewegtbildstudie von RTR Medien und Arbeitsgemeinschaft Teletest werden 94 Prozent des gesamten TV-Angebots am großen Bildschirm konsumiert. 89 Prozent der am Big Screen konsumierten Inhalte entfallen auf die Programme der Broadcaster.

medianet: Und bei den Jungen?
Gruber: Auch in der sehr jungen Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen werden 78 Prozent der Zeit am Big Screen mit Broadcaster-Inhalten verbracht.
Sämtliche Studien belegen, dass die Werbewirkung am großen Bildschirm am größten ist, weil Spots in voller Länge, mit Ton und über die gesamte Bildschirmgröße wahrgenommen werden.
Sowohl für Broadcaster und Vermarkter als auch Agenturen und Werbetreibende ist der Teletest 2.0 ein Meilenstein in der Reichweitenmessung, weil die Datenqualität für das hoch relevante Medium TV auf ein neues Niveau gehoben wird. Darum beneiden uns viele Märkte, weil wir durch die enge Zusammenarbeit der österreichischen Broadcaster und Mediaagenturen hier einen großen Schritt voraus sind und richtungsweisende Entwicklungsarbeit geleistet haben.

medianet: Gehen wir etwas ins Detail – die neue Reichweitenmessung führt das bestehende Teletest-Panel mit Return Path Data von über 1,1 Millionen mit dem Internet verbundenen HbbTVs in Österreich zusammen. Wie bedeutend ist dieser Schritt und welche neue Möglichkeiten ergeben sich dadurch sowohl für die TV-Veranstalter, aber auch für die Mediaagenturen?
Gruber: Auf dem Fundament des Teletest 2.0 fußt die entscheidende Revolution der live optimierten Spotausspielung im klassischen Live-TV. Mit TV-LOAD, das ab dem vierten Quartal dieses Jahres bei den österreichischen Broadcastern und ihren Vermarktungs-Units breiter ausgerollt wird, werden Werbeblöcke erstmals in Echtzeit optimiert und für die Zielgruppe komponiert, die gerade vor dem Bildschirm sitzt.
Dabei bleibt die One-to-many-Qualität des Mediums erhalten, während die Relevanz der Werbeblöcke für die Seherschaft steigt. Was aus dem Digitalbereich gelernt ist, wird nun auch im reichweitenstarken Live-TV möglich.
Dabei profitieren Werbetreibende von der hohen Umfeldqualität der Broadcaster und der überdurchschnittlich hohen Aufmerksamkeit am Big Screen. Auch kleinere Zielgruppen werden noch effektiver erreicht.

medianet: Was ist nun bei beretis gebuchten Werbeblöcken möglich?
Gruber: Bis jetzt wurden einzelne Werbeblöcke im Vorfeld gebucht im Vertrauen, dass sich die gewünschte Zielgruppe in einem bestimmten Umfeld erreichen lässt. Durch den Teletest 2.0 und mit TV-LOAD folgt der Spot seiner Zielgruppe in Echtzeit. Dazu können bewährte Features wie Frequency Caps implementiert werden.

medianet: Eine bedeutende Neuerung ist, dass es künftig keine sogenannten Null-Reichweiten mehr geben soll, die vor allem für die kleinen Sender ein ewiges Ärgernis waren. Erwarten Sie dadurch Verschiebungen bei den Kennzahlen hin genau zu diesen kleinen Sendern?
Gruber: Die wesentliche Erkenntnis aus der mehrjährigen Testphase ist die hohe Genauigkeit, welche die Panel-Messung des bestehenden Teletest geliefert hat. Die hohe Datenmenge der 1,1 Millionen HbbTVs bringt noch mehr Stabilität und Granularität in die Daten. Das heißt, bei over all stabilen Marktverhältnissen können auch einzelne Blöcke, kleinere Zielgruppen usw. ohne Schwankungen und ‚Nullerreichweiten‘ abgebildet werden.
Für den gesamten Markt bedeutet dies bessere Planbarkeit und verlässlichere Reichweiten. Der Teletest 2.0 bringt für alle Seiten mehr Transparenz.

medianet: Ebenfalls neu ist, quasi wie im Online-Geschäft, dass die Daten live zur Verfügung stehen. Nur: Was genau kann man mit dieser neuen Aktualität anfangen?
Gruber: Die Daten des Teletest 2.0 inklusive der Hochrechnung der zeitverzögerten Nutzung werden wie gewohnt am Vormittag des Folgetags zur Verfügung stehen und können bereits für Pressezwecke genutzt werden. Einerseits stellen die Live-Daten die Basis für TV-LOAD dar. Andererseits können die Broadcaster mit den Echtzeit-Daten die Platzierung der Werbeblöcke optimieren und zusätzlich Rückschlüsse auf die Programmgestaltung und -konzeptionierung ziehen.

medianet: Noch eine Frage dazu: Bei Online-Werbung fragen sich manche, ob man sich zum Teil nicht quasi zu Tode targetet. Übertragen auf TV: Wie viel Granulierung in der Zuseher-Ansprache macht noch Sinn? Stichwort TV-LOAD, wo man Werbezeitenblöcke demnächst sogar in Echtzeit wird optimieren können.
Gruber: Der One-to-many-Charakter ist ein essenzielles Asset von Live-TV. TV-LOAD rüttelt nicht an diesem Grundsatz, sondern optimiert die Komposition der Werbeblöcke. Die leidvolle Cookie-Diskussion im Digitalmarketing hat bereits dazu geführt, das Hyper Targeting zugunsten anderer Strategien wie kontextuellem Targeting zu überdenken.

medianet: Eine Frage zum Schluss – wie wichtig ist der Teletest 2.0 für die TV-Veranstalter, um sich gegen die Online-Konkurrenz besser positionieren zu können?
Gruber: Broadcaster mussten ihre Zahlen nie verstecken und haben mit dem Teletest schon bisher ein Höchstmaß an Transparenz und auditierten Daten geliefert. Bei den globalen Plattformen müssen Werbetreibende und Agenturen meist auf Eigenangaben vertrauen, die nicht extern validiert sind. Der Teletest 2.0 entstand in einem sehr engen und konstruktiven Dialog mit den Mediaagenturen. Wir gehen mit diesem enormen Evolutionsschritt sehr selbstbewusst in den Markt und bieten eine Datenqualität, die Werbetreibenden noch mehr Argumente für Werbung im Live-TV und im hochwertigen Broadcaster-Umfeld liefert.

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