MARKETING & MEDIA
APA Boris Roessler

Google kaufte YouTube vor 10 Jahren.

Redaktion 04.10.2016

Mega-Deal binnen 72 Stunden - vor zehn Jahren übernahm Google YouTube

Für 1,65 Mrd. Dollar übernahm Google die Videoplattform - der bis dahin teuerste Zukauf.

MOUNTAIN VIEW. Der Mega-Deal wurde in einem Restaurant am Rande des Highways zwischen dem Google-Standort in Mountain View und San Bruno eingefädelt. Alles bei diesem Geheimtreffen sollte möglichst unauffällig über die Bühne gehen. Vor genau zehn Jahren kaufte der Internet-Riese Google für 1,65 Mrd. USD (1,48 Mrd. €) die Videoplattform YouTube. Es war der bis dato teuerste Zukauf in der Google-Geschichte - und vielleicht einer der schnellsten Deals dieser Art. An einem Wochenende im Oktober 2006 wurde das Geschäft in trockene Tücher gebracht, das Ganze habe sich innerhalb von 72 Stunden abgespielt, erinnerte sich YouTube-Mitgründer Steve Chen auf dem heurigen South-by-Southwest-Festival in Texas, "von den ersten Übernahmegesprächen bis zur Bekanntgabe nach Börsenschluss am Montag. (…) Ich war zu nervös, um überhaupt etwas zu essen", erinnerte sich Chen. Der damalige Google-Chef Eric Schmidt verkündete dann: "Das ist der nächste Schritt in der Evolution des Internets." Nur 19 Monate zuvor, im Februar 2005, hatten die drei ehemaligen PayPal-Mitarbeiter Chen, Chad Hurley und Jawed Karim YouTube gegründet, das eigentlich als Dating-Plattform starten sollte.

"Die Idee war, dass sich die Leute mit Kurzvideos vorstellen", sagte Chen. Nachdem sich aber nach fünf Tagen niemand gemeldet habe, sei der Dienst für alle möglichen Videos geöffnet worden. "Somit kamen dann auch die süßen Katzenvideos und alles andere." Nach Anlaufschwierigkeiten setzte der Erfolg rasant ein: YouTube zählte nach eineinhalb Jahren etwa 100 Mio. Videoabrufe pro Tag. Mehrere Interessenten klopften bei dem Start-up an, das mit etwa 65 Mitarbeitern im kalifornischen San Bruno agierte. "Aber Google war die richtige Wahl", sagte Chen rückblickend. Das Start-up habe dringend Hilfe bei der Internationalisierung, aber auch in technischen Bereichen gebraucht. Mehr als 50% der User kamen nach Angaben des heute 38-Jährigen bereits von außerhalb der USA; zudem zeichnete sich die mobile Internetnutzung als wichtiger Markt ab.

In den kommenden Jahren entwickelte sich die Plattform zum Massenphänomen. 2012 knackte der koreanische Rapper Psy mit "Gangnam Style" als Erster die Marke von einer Mrd. Abrufen. 2014 konnte man zuschauen, wie auf der ganzen Welt Menschen zu Pharrell Williams' Hit "Happy" tanzten. Und YouTube-Stars - von LeFloid bis zu Bibi mit ihrem "Beauty Palace" - sind die Teenie-Idole von heute.

Zehn Jahre nach der Übernahme durch Google hat YouTube heute mehr als eine Mrd. Nutzer. Der Dienst steht in 76 Sprachen zur Verfügung. Minütlich werden weltweit mehr als 400 Stunden Material hochgeladen. Allerdings, so gigantisch diese Zahlen sind - ob und wie viel Geld Google letztendlich mit YouTube verdient, ist unbekannt. Die Marktforschungsfirma eMarketer schätzt, dass 2014 etwa 1,13 Mrd. USD Umsatz (1,01 Mrd. €) mit Werbung gemacht wurde. YouTube selbst erklärte 2015, dass die Partnerumsätze im Werbebereich im Vergleich zum Vorjahr um 50% gestiegen seien, "bereits das dritte Jahr in Folge in dieser Höhe".

Doch YouTube steht dennoch vor Problemen: Prominente Künstler wie Lady Gaga, Coldplay oder Ed Sheeran beschwerten sich erst im Sommer bei der EU-Kommission, dass der Dienst durch seine Gratisangebote die Musik entwerte. Die Branche kritisiert, dass YouTube, gemessen an seiner Größe, viel zu wenig Geld abgebe. "Es muss endlich klargestellt werden, dass auch Online-Plattformen wie YouTube Lizenzen für ihre Inhalte zahlen müssen - so, wie es Spotify, Apple Music oder Deezer tun", fordert etwa Florian Drücke vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI).

YouTube verweist auf sein "Content ID"-System, eine Art digitaler Fingerabdruck zur Piraterie-Bekämpfung. Darüber werden Rechteinhaber benachrichtigt, wenn ihre Inhalte auf YouTube auftauchen. Sie können dann entscheiden, ob das Material gesperrt wird - oder ob sie an den Umsätzen, die aus dem Werbeumfeld generiert werden, beteiligt werden.

Ein weiterer Vorwurf, der YouTube - aber auch Facebook und Twitter - gemacht wird, ist, nicht effizient genug gegen problematische Inhalte wie etwa islamistische Propaganda oder Hasskommentare vorzugehen. Nach Angaben der Google-Tochter löschte der Konzern 2014 weltweit 14 Mio. Inhalte, 2015 waren es bereits 92 Mio.; allerdings wächst auch die Menge des hochgeladenen Materials rasant und hat sich von 2014 bis heute vervierfacht. Und: Von den 92 Mio. gelöschten Inhalten stand demnach nur ein Bruchteil (1 Prozent) im Zusammenhang mit Hasskommentaren oder terroristischen Inhalten. Größtenteils handelte es sich etwa um Spam, pornografisches oder sonstiges Material, das gegen die YouTube-Richtlinien verstieß.

Doch die wahrscheinlich größte Herausforderung für YouTube ist die verschärfte Marktsituation: Googles großer Konkurrent Facebook mit seinen 1,6 Mrd. Mitgliedern setzt inzwischen massiv auf Video und konnte sich dort zuletzt besonders im Bereich Live-Streaming positionieren. Und auch andere Netzwerke wie Snapchat, Twitter und Instagram haben Videos längst in ihr Angebot integriert. (APA)

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