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© Gregor Turecek/dodge and burn

Chris Radda und Sascha Harold 14.06.2019

Mit Re-Branding zurück zum einheitlichen Auftritt

Nach dem zweijährigen Prozess der Markenfindung ­beginnt die Stadt Wien nun mit der Umsetzung.

••• Von Chris Radda und Sascha Harold

Die Stadt Wien bekommt in den nächsten Jahren ein neues Gesicht. Zwei Jahre dauerte der Prozess der Markenfindung inklusive Vorbereitungszeit gesamt. Das Endprodukt ist jetzt da, die Umsetzungsphase beginnt nun aber erst.

Martin Schipany, Abteilungsleiter des Presse- und Informationsdiensts der Stadt Wien, erläutert die Gründe für das umfassende Re-Branding: „Erste Überlegungen gehen bereits bis ins Jahr 2016 zurück. Das Ziel war, die Stadt Wien nach außen wieder einheitlich auftreten zu lassen. Die Logovielfalt der letzten Jahrzehnte zeigt, dass sich eine starke Heterogenität entwickelt hat”, so Schipany.

Viele Marken kosten auch viel

Für die Erhaltung dieser einzelnen Submarken sei viel Geld notwendig gewesen – das versucht man nun durch den vereinheitlichten Auftritt zumindest teilweise einzusparen. Schipany: „Die Stadt Wien hat 70 Marken und noch mehr Logos. Daher war es eine bewusste Entscheidung, zu sagen, einmal diesen großen Aufwand zu betreiben.”

Um bei der Ausschreibung einerseits rechtlichen Anforderungen zu genügen, auf der anderen Seite aber auch auf die Auftragnehmerseite einzugehen, wurde die Stadt Wien von einer Kanzlei und einem Pitch-Berater unterstützt, die den mehrstu­figen Auswahlprozess begleiteten.

Groß angelegter Pitch

Das Agenturtrio, das sich letztlich durchsetzte, besteht aus Saffron Brand Consultants, die die Markenstrategie sowie das neue Design der Marke Stadt Wien verantworteten, saintstephens, zuständig für die Prozesskoordination und -leitung, sowie Instant Design, mit der digitalen Umsetzung betraut.

Benjamin Knapp, Markenstratege bei Saffron Brand Consultants, über die ausschlaggebenden Gründe für den gewonnenen Pitch: „Ich denke, es war eine Kombination aus unserer Erfahrung in der Arbeit mit Städten, Ländern und Regionen und unserer lokalen Erfahrung in Wien. Außerdem hatten wir die entsprechende Umsetzungskapazität für so ein großes Projekt.” Gerd Babits, Geschäftsführer bei saintstephens, ergänzt: „Von unserer Seite haben wir die Prozesssteuerung eingebracht. In Summe haben wir gemeinsam ein gutes Package angeboten.”
Für die digitale Umsetzung holte man mit Instant Design ein Unternehmen an Bord, das abgestimmte Online-Marketinglösung betreut. Geschäftsführer Alexander Berner erläutert die Besonderheiten des Projekts: „Unsere Aufgabe war es, das von Saffron entwickelte Design auf die verschiedenen digitalen Touchpoints umzulegen.” Damit das gelingt, so Berner weiter, müsse man schon im Designprozess an die Machbarkeit der späteren Umsetzung denken. Allein die Website der Stadt Wien mit ihren 1,3 Mio. Unique Clients pro Monat zeigt die hohen Anforderungen.

Lange Vorlaufzeit

Dass das Projekt umfangreich angelegt war, zeigt die lange Vorlaufzeit und Planungsphase. Jetzt, zwei Jahre nach Projektstart, beginnt erst die Umsetzung der ausgearbeiteten Strategie. „Wir haben ein sehr schönes Endprodukt am Tisch liegen; der entscheidende Punkt ist jetzt, das mit den Kollegen in der ganzen Stadt zum Leben zu erwecken”, führt Schipany aus. Insbesondere vier Zielgruppen soll der neue Markenauftritt berücksichtigen: die Mitarbeiter der Stadt Wien, die Bewohner der Stadt sowie die Wirtschaftstreibenden und Studenten. In der Umsetzungsphase geht es um weit mehr als nur digitale Kontaktpunkte. Bei Amtswegen, in öffentlichen Gebäuden oder auf der Straße kommen Bewohner in Berührung mit der Stadt. „Uns war ein holistischer Ansatz wichtig, um gewährleisten zu können, dass das, was wir uns in der Markenidee überlegt haben, in weiterer Folge auf diese Kontaktpunkte übertragbar ist”, erläutert Schipany die Herangehensweise. Berner ergänzt: „Wichtig ist, dass das Erscheinungsbild sowohl offline als auch online gleich ist. Dadurch wird die Marke gestärkt und man nimmt sie unterbewusst viel stärker wahr, wenn man merkt, dass alles aus einer Hand ist.”

Der Mensch im Zentrum

Die Idee, die hinter der Markenstrategie der Stadt Wien liegt, lautet: Der Mensch in der Mitte. Dazu gibt es drei Kernthemen, aus denen sich die zentrale Idee speist. Das ist einerseits die soziale Stadt, anderseits die funktionierende Stadt und drittens das typisch Wienerische. „Aus den Kernthemen entwickeln sich dann für die Zielgruppen einzelne Narrative, die man versucht in die Kommunikation einzubringen”, erläutert Knapp. Der Ansatz ist dabei langfristig gewählt und soll letztendlich von der gesamten Stadt mitgetragen werden.

Auf Menschen hören

Bei der Auswahl möglicher Inhalte machte Wien es den Beteiligten schwer – die vielen Auszeichnungen der letzten Jahre bieten hier einige Möglichkeiten. „Uns war wichtig, dass es bei der Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen auch heute schon zahlreiche Anknüpfungspunkte – vom sozialen Wohnbau, über menschengerechte Stadtplanung bis hin zu den Bereichen Gesundheit und Soziales – gibt”, führt Schipany aus. An diesen Anknüpfungspunkten soll der Markenkern erlebbar werden.

Langfristige Umsetzung

Die Umsetzung ist wie schon die Planung längerfristig angelegt. In den nächsten 3-5 Jahren soll die neue Markenstrategie in allen Bereichen spürbar sein. Für die Umsetzung wurden prioritäre Bereiche identifiziert, die zuerst angegangen werden sollen. „Stark frequentierte Touchpoints werden als erstes behandelt. Das sind Orte, an denen es viele Bürgerkontakte gibt. Ämter und das Wegeleitsystem haben hier Priorität, ebenso wie digitale Touchpoints, also Apps oder Website”, so Schipany. Neben der Kommunikation nach außen ist dabei auch die Kommunikation an die Mitarbeiter der Stadt wesentlich. Die rund 30.000 Mitarbeiter in den Kernmagistraten bzw. 90.000 in allen beteiligten Unternehmungen sind eine der wesentlichen Zielgruppen, die die Markenidee in weiterer Folge mit Leben erfüllen sollen. Schipany fasst zusammen: „Es wird viel Kommunikation notwendig sein, um die Inhalte und Kernwerte dieses Markenprozesses zu den Mitarbeitern zu bringen.”

Einsparungspotenziale

Investiert hat die Stadt in den neuen Markenprozess etwa 600.000 €. Als Investment wird es vonseiten der Stadt auch deshalb gesehen, weil man schon in eineinhalb Jahren mit der Amortisation des Projekts rechnet. Durch die Bündelung der heterogenen Marken spare man nicht nur Mediakosten, sondern auch Kreations- und Produktionskosten, erläutert Schipany. Kurzfristig werde es aber natürlich zu höheren Aufwänden durch Anschubfinanzierungen kommen. Knapp geht näher auf die Komplexität solcher Prozesse ein: „Markenprozesse sind nicht trivial, sondern – wenn sie vernünftig gemacht sind – auf einem breiteren Strategieprozess aufgesetzt. Solche Prozesse haben einen finanziellen Wert für Unternehmen und sind einerseits in der Lage, Einsparungspotenziale zu generieren, und andererseits neue Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen.” Zudem, so Knapp weiter, hätten Konsumenten mittlerweile gelernt, eine gewisse Kongruenz im Markenauftritt zu erwarten – werde dieser Anspruch nicht erfüllt, falle das rasch auf.

Die nächsten Schritte

In der nun folgenden Phase geht es für die Stadt Wien darum, das neue Markenkonzept allen Beteiligten zu vermitteln. Im anvisierten Zeitraum von 3-5 Jahren soll die Umsetzung dann schließlich überall spürbar sein und Effekte zeigen. Babits fasst zusammen: „Es geht um die Dienstleistungen der Stadt. Wir wollen mit dem Konzept auch einen Gegenentwurf zum Wiener Raunzen schaffen – es wird in Wien alles geboten, die Leute nehmen es aber teilweise nicht mehr wahr. Wenn die Marke als Idee gelebt wird, wird sie irgendwann Wirkung zeigen.”

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