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© Marie Stoiser

Sonja Spitzer

Redaktion 08.03.2024

Mutterschaft wird in Österreich abgestraft

Hinsichtlich Karriere sind Frauen in Österreich benachteiligt. Sonja Spitzer, Bevölkerungsökonomin an der Uni Wien, legt Gründe dar.

••• Von Georg Sohler

Kind und Karriere, das geht sich individuell mit Sicherheit gut aus. Im Großen und Ganzen sind Frauen, die sich für Nachwuchs entscheiden, aber benachteiligt. „Die Motherhood-Penalty ist in Österreich und auch Deutschland besonders groß”, erklärt Expertin Sonja Spitzer, Bevölkerungsökonomin an der Universität Wien, im Interview mit medianet. Die „Mutterschaftsstrafe” ist gut belegt. Ab dem Zeitpunkt des ersten Kindes – laut Statistik Austria bei Frauen im Alter von 31,5 Jahren – unterscheiden sich Karriere- und Einkommensverläufe zwischen Männern und Frauen stark: Männer verdienen dann deutlich mehr.

Die Auswirkungen davon sind enorm, wirken lange nach und betreffen mehrere Faktoren. „Das Einkommen der Mütter erholt sich jahrelang nicht, sie bleiben lange in Karenz oder arbeiten Teilzeit, all das wirkt sich in einer viel geringeren Pensionshöhe aus”, berichtet sie. „Darüber hinaus wissen wir auch, dass mit besonders langen Karenzzeiten auch gesundheitliche bzw. mentale Probleme einhergehen.”

Traditionelles Denken

Die Gründe liegen tief in der Gesellschaft verwurzelt. Österreich, aber auch Deutschland und die Schweiz, haben im Vergleich zu anderen Ländern ein sehr traditionelles Rollenbild. So stimmten in einer Umfrage der Aussage „Sollten Frauen mit Kindern im Vorschulalter zu Hause bleiben?” in Deutschland und Österreich weitaus mehr Menschen zu als in skandinavischen Ländern. Es betrifft auch Rollenbilder. In Frankreich etwa würden Frauen oftmals „Glucke” beschrieben – also dem eigenen Nachwuchs gegenüber überengagiert. Im deutschsprachigen Raum spreche man eher negativ, wie etwa „Rabenmutter”.

Ansätze, Frauen vermehrt in Führungspositionen zu bringen, gibt es zuhauf und sie sehen auf dem Papier gut aus. Ein Kernpunkt ist die vorschulische Betreuung. Ganztagesangebote sind aber beispielsweise in Wien sehr gut ausgebaut, in anderen Bundesländern sehr schlecht. Aber auch das führe beispielsweise seit Jahrzehnten kaum zu einer Verbesserung bei der Motherhood Penalty. Laut einer Arbeiterkammer-Studie aus dem Jahr 2022 gehen bei acht von zehn Paaren Männer weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Zehn Prozent nehmen die Karenz bis zu drei Monate in Anspruch, lediglich zwei Prozent der Väter in Partnerschaften für drei bis sechs Monate, nur ein Prozent länger als ein halbes Jahr. Die Datenlage sei sogar so schlecht, dass man daraus nicht einmal Schlüsse ziehen könne. Die Forscherin bringt es auf den Punkt: „Ich frage mich mittlerweile, warum in einem Interview wie diesem immer gefragt wird: Warum bleiben Mütter zu Hause und nicht, warum Väter das nicht tun können oder wollen.”

Beide Elternteile

Denn der Nachteil der einen führt nicht unbedingt zum Vorteil der anderen. Bleiben Frauen zu Hause, lastet der Druck des Geldverdienens auf den Männern. Manche Untersuchungen belegen, dass sie sogar noch mehr verdienen, weil sie sich als Väter mehr Geld ausverhandeln oder noch mehr arbeiten.

Einen Preis verdienen die Väter dafür aber nicht. Sehe man sich an, wer neben der Arbeit die meiste unbezahlte Sorgearbeit erledigt, so sind das nach wie vor Frauen. Sie wenden viel mehr Zeit für Kinderbetreuung, Haushalt und Co. auf. Es gibt aber Hoffnung.
„Nobelpreisträgerin Claudia Goldin hat etwas Interessantes herausgefunden”, erklärt sie: „Die Erwartungen an die Karriere hängen stark davon ab, wie und was die Mutter gearbeitet hat. Jede Frau in einer Führungsposition könnte sich also auf die nächste Generation auswirken.”

Spillover-Effekte

Ein Staat hat allerdings nur beschränkte Möglichkeiten, das zu erwirken. Er kann privatwirtschaftlichen Unternehmen keine Quote vorschreiben. In Sachen börsennotierter Unternehmen gibt es allerdings eine EU-Richtlinie: Gemäß der EU-Führungskräfte-Richtlinie sollen in Aufsichtsräten großer Börsenunternehmen in der EU mindestens 40% Frauen bzw. Männer vertreten sein oder alternativ eine Geschlechterquote von 33% für Aufsichtsrat und Vorstand gelten. Die Quote selbst ist dabei ein zweischneidiges Schwert: Einerseits wäre es begrüßenswert, wenn es ohne ginge, das tut es aber auf der anderen Seite nicht.

Was könnte man nun tun, um nicht nur darüber zu sprechen, was Frauen tun sollen? Etwa die Karenz als „Elternkarenz” deuten und mehr finanzielle Anreize setzen, damit diese gleichmäßiger als bisher verteilt wird: „Sagen wir beispielsweise 60 zu 40 statt über 90 zu unter zehn Prozent, auch wenn das radikal klingen mag.” Doch die Politik denkt leider in eine andere Richtung.

Alles ermöglichen

So will man etwa eine Großelternkarenz ermöglichen, damit Frauen mehr arbeiten können. Das wird von manch konservativer Seite dann „Omakarenz” genannt und widerspricht der Evidenz: „Öffentliche Kinderbetreuung schneidet leicht besser ab, als wenn sich die Großeltern kümmern.” Gesellschaftliche Mühlen mahlen nun einmal langsam, und die biologischen Umstände sind wie sie sind. Als Reaktion auf verminderte Karrieremöglichkeiten durch Mutterschaft verschieben vor allem höher gebildete Frauen den Kinderwunsch nach hinten. Je später man schwanger wird, desto schwieriger ist dies.

Israel wählt einen interessanten Ansatz: Die In-Vitro-Fertilisation ist gratis. Der Druck wird geringer und „es zeigt sich, dass Frauen noch mehr in die Karriere investieren, weil Mutterschaft vermeintlich später möglich ist”. Vermeintlich, weil trotz In-Vitro die Gefahr hoch ist, dass der Kinderwunsch von älteren Frauen nicht (mehr) erfüllt werden kann. Aber selbst im Erfolgsfall wendet sich diese Maßnahme wieder an Frauen.
Viel wichtiger, um Frauen bei der Karriere besser zu unterstützen, bleiben nun einmal Maßnahmen, die die Kindesväter mehr in die Pflicht nehmen.

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