••• Von Anna Putz
WIEN. Man wolle die politische Debatte in Österreich versachlichen und vervollständigen, hieß es in einer Presseaussendung des ÖVP-Parlamentsclubs Mitte Februar. Angekündigt wurde der Politik-Blog „Zur Sache”, der mit Claus Reitan als Chefredakteur, „sachliche und verlässliche Information” garantieren könne. Mit 24. Februar ging das Projekt online – und machte Österreichs Medienlandschaft um ein Parteimedium reicher.
Lange Zeit galten mediale Parteiorgane als überholt, manche sprachen auch vom Tod des Konzepts. Mittlerweile sprießen in Österreich aber Parteimedien aller Couleur – meist digital – aus dem Boden.
Andy Kaltenbrunner ist Politikwissenschaftler und Geschäftsführer des Medienhaus Wien und sieht die aktuellen Entwicklungen als „keine Neuerscheinung oder Überraschung”.
Die Chronik eines Revivals
Doch wie sind Parteimedien geschichtlich und gesellschaftlich einzuordnen und worin besteht das Problem des Wiederauflebens in Österreichs Medienlandschaft, die als klein, konzentriert und eng verflochten gilt? Parteizeitungen, die nach 1945 von Gründerparteien und den Alliierten etabliert wurden, „waren Abbild und Ausdruck des politischen und gesellschaftlichen Diskurses”, so Kaltenbrunner, „und deshalb stark in Auflage und Leserzahlen”. In die Hochblüte der Parteipresse fielen unter anderem die Arbeiter-Zeitung (SPÖ), Das Kleine Volksblatt (ÖVP) und Volksstimme (KPÖ) sowie das Dreiparteienblatt Neues Österreich. Zehn Jahre nach Beginn der Zweiten Republik lag die Gesamtauflage von Parteizeitungen noch vor jener der unabhängigen Presse. Mit der Gründung von Boulevard-Blättern und der zunehmenden Konzentration des Medienmarkts schwand das Angebot an parteimedialen Angeboten. Sukzessive verschwanden Parteizeitungen von der medialen Bildfläche; heute ist das Oberösterreichische Volksblatt (ÖVP) das einzig tagesaktuelle Printprodukt in Parteihand.
„Wenn aber die Narration ist, dass Österreicher sich von Parteizeitungen abgewandt haben, dann ist das zum Teil falsch”, erlkärt Kaltenbrunner. Vielmehr hätten konzentrierte Marktverhältnisse und sinkende Werbeerlöse die Einstellungen verursacht. Aufgegeben, im Medienmarkt mitzumischen, hätten Parteien deshalb aber nicht. So hätten die Grüdung von Krone und Heute in parteinahen Umfeldern stattgefunden: „Politischen Parallelismus hat es weiterhin gegeben.”
Parteimedien 2.0
Rechte Parteien, so Kaltenbrunner, hätten das Potenzial digitaler Parteikommunikation am schnellsten erkannt. 2009 ging der der FPÖ nahestehende Onlineblog unzensuriert.at online, 2015 folgte info.direkt.at, ein Jahr darauf wochenblick.at, die ebenfalls dem Umfeld der Partei zugeordnet werden können. Das Feld der parteipolitischen Blogs in Österreich wird von kontrast.at (SPÖ), zackzack.at (Liste Pilz) und zur-sache.at (ÖVP) vervollständigt.
Als Parteimedium, meint Kaltenbrunner, müssten all jene Produkte bezeichnet werden, deren Eigentümer eine Partei bzw. eine politische Vorfeldorgansiation ist. Wenn mit Redationsstatuten und -richtlinien gearbeitet werde, könne aber auch ein Parteimedium ein journalistisches sein. „Die Frage ist, welche Professionalität Journalismus hat”, so der Politikwissenschaftler, der in den 80er-Jahren selbst bei für Arbeiter-Zeitung schrieb. Oftmals seien aber Augenklappen das Problem und „dass im Regelfall nur in eine Richtung geschaut wird”.
Mit den alten Parteimedien hätten die neuen Produkte laut Kaltenbrunner aber wenig zu tun. Erstere wären zum einen thematisch breiter aufgestellt gewesen und hätten in Spitzenzeiten viele Dutzend Journalisten beschäftigt. Aktuelle Blogs seien „verhältnismäßig kleine Projekte” die sich auf eine „rein politische Analyse verengen”. Kaltenbrunner sieht zu früheren Hochblüten keine Entsprechung; vielmehr seien die Parteien auf der Suche nach digitalen Communities.
Vom üblen Beigeschmack
In der Diskussion rund um Parteimedien würde laut Kaltenbrunner oftmals ein übler Beigeschmack mitschwingen. „Dass demokratisch legitimierte Parteien kommunizieren, können und sollten wir nicht abschaffen. Das ist die Vielfalt von Demokratie und Diskurs”, führt Kaltenbrunner aus.
Problematisch werde es erst, wenn Parteimedien regulierend bevorzugt werden würden. Medienpolitisch brauche es daher gewisse Mindeststandards, die eine parteipolitische Bevorzugung unterbinden. Man müsse weg von einer Medien- hin zu einer Journalismus- und Innovationsförderung meint Kaltenbrunner, der selbst Medienförderungen initiierte. Zudem könnten klare gesetzliche Rahmenbedingungen, transparente Förderrichtlinien und eine normative Begriffsdefiniton von Journalismus Förderungen an Mindeststandards binden. Sofern Parteimedien diese Kritieren erfüllen würden, wäre eine Förderung auch unproblematisch, so Kaltenbrunner.
Aufgeklärte Wege gehen
Trotz aller Legitimation der neuen Parteimedien könnten sich demokratiepolitische Probleme auftun. Bewusste Manipulation aufgrund von politischen Intentionen oder Echokammern könnten laut dem Politikwissenschaftler nicht verhindert werden. In digitalen Zeiten würden Probleme aber nicht gelöst werden, indem einzelne Produkte aufgelöst werden würden. Eher müsse man sich in Österreich mit dem Thema ‚Media Literacy' beschäftigen – es fehle quer durch alle Bildungsschichten an Grundwissen über Medien bzw. digitale mediale Entwicklungen. „Alles, was einem unsympathisch ist, abzudrehen, ist kein aufgeklärter Weg”, resümiert Andy Kaltenbrunner. Es sei die Aufgabe mündiger Bürger „sich darüber Gedanken zu machen, in welche Kommunikation man eintritt und in welche nicht”.