WIEN Wenig begeistert zeigt man sich bei den Vertretern der heimischen Privatsender ob der neuen ORF-Gesetztes. Der VÖP spricht von einem Kollateralschaden für den gesamten Medienstandort und sieht darin auch eine „grobe und EU-rechtswidrige Wettbewerbsverzerrung“
In einer Aussendung heißt es dazu: „Nach monatelangen Gesprächen haben Bundesministerin Raab und Klubobfrau Maurer heute das Gesetzespaket zu Finanzierung und Onlineangebot des ORF präsentiert. Das Gesetzespaket stärkt nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF: Dieser soll nicht nur weitreichende Online-Freiheiten erhalten, auch sein Budget wird deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet wird. Dass dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten aller privaten Medien in Österreich signifikant beschränkt werden, und die Lebensgrundlage privater Radio- und TV-Sender noch stärker unter Druck gerät, nimmt die Regierung offenbar in Kauf. Viel diskutierte Verpflichtungen des ORF zu Einsparungen oder Leistungseinschränkungen sind nicht oder nur kaum erkennbar. Der ORF soll ja laut dem Entwurf sein Angebot „sogar ausweiten dürfen, u.a. im Social-Media-Bereich“, so der VÖP weiter.
Die Erlaubnis, neue Inhalte unabhängig von TV- und Radioprogrammen ausschließlich für das Onlineangebot zu produzieren, werde die dominante Position des ORF im Online-Markt noch zusätzlich verstärken, analysiert Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP): „Der ORF ist bereits mit Abstand der größte Medienanbieter Österreichs, nicht nur im Rundfunk, sondern auch im Online-Bereich. Die geplante Stärkung seiner Dominanz schadet der Medienvielfalt in Österreich, vor allem mit Blick in die Zukunft. Das ist nicht sinnvoll und demokratiepolitisch problematisch.“
Radiovertreter: „Das Ergebnis ist dramatisch“
„Wir anerkennen die Bemühungen der Medienministerin um eine ausgeglichene Lösung.“, hält Christian Stögmüller, VÖP-Präsident und Geschäftsführer von Life Radio, fest. „Dennoch stellt sich das Ergebnis für uns sehr dramatisch dar: Der ORF erhält mit der geplanten Gesetzesänderung das Geld und alle Freiheiten, um den privaten Rundfunkmarkt noch stärker an den Rand zu drängen.“ Denn bis auf einige wenige Zugeständnisse wurden die Forderungen der Privatsender nach Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs nicht umgesetzt.
Die Überlegenheit des ORF werde „weder durch spürbare Vermarktungseinschränkungen noch durch andere Maßnahmen, wie etwa eine Reduktion der kommerziellen Programmanteile von ORF1 und Ö3, ausgeglichen werden. Jetzt, wo jede Österreicherin und jeder Österreicher für den ORF zahlen soll, muss doch sichergestellt werden, dass er ausnahmslos öffentlich-rechtliche Inhalte anbietet“, fordert Corinna Drumm.
Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Präsident und Geschäftsführer von Puls4 und Puls2424, kommentiert den Entwurf ebenfalls negativ: „Der ORF sollte mit seinem Verhalten am Markt nicht die privaten Anbieter übermäßig konkurrenzieren dürfen, sondern er soll den Medienstandort aktiv fördern. Dazu gehört neben dem Bereich Content auch, dass der marktschädigende Druck des ORF im Werbemarkt durch gesetzlichen Eingriff reduziert wird. Die Umstellung und Ausweitung der ORF-Finanzierung bietet dafür eine Chance und ist eine EU-rechtliche Notwendigkeit.“
Alexander Winheim von ServusTV, zweiter stellvertretender VÖP-Vorsitzender, ergänzt: „Das Gesetzespaket stärkt den ORF und schwächt alle anderen Medien in Österreich. Wir fordern wirksame Gegenmaßnahmen, die die Finanzierbarkeit von privatem TV und Radio für die Zukunft besser absichern allem voran ein Ende der intransparenten und marktschädigenden Durchrechnungszeiträume für ORF-Werbung.“
Mario Frühauf, Geschäftsführer des größten nationalen Privat-Radiosenders Kronehit ist ebefalls wenig erbaut ob des Entwurfs: „Der Vorschlag ist in vielen Teilbereichen schlecht für die Vielfalt und die Qualität des Medienangebots, schlecht für die Pluralität von Meinungen und Inhalten, und damit schlecht für alle. Wenn es nicht noch deutliche Nachbesserungen gibt, werden wir Privatsender uns mit allen Mitteln dagegen wehren“
Und keine Fans findet der Koalitionsvorschlag auch bei den Vertretern der kleinen, regionalen TV-Sender. So meint etwa Lorenz Cuturi, Geschäftsführer von TV1 Oberösterreich: „Das Paket aus neuen Online-Freiheiten und der Ausweitung der Finanzierung verzerrt den Markt in Österreich. Dies betrifft nicht nur den Rundfunkmarkt, sondern es hat auch weitreichende Auswirkungen auf den Zeitungsmarkt und in weiterer Folge auf die Medienlandschaft als Basis einer pluralistischen Meinungsbildung in einer funktionierenden Demokratie“.
Und für Gottfried Bichler, Geschäftsführer von Antenne Steiermark, Antenne Kärnten und Radio Flamingo ist es „völlig unverständlich, dass der ORF ungebremst mit seinem kommerziellen Programmangebot weitermachen kann, sich im Online-Bereich ausbreiten darf und für all das sogar noch mehr Geld erhält. So wird die wirtschaftliche Lebensgrundlage frei finanzierter Medien in Österreich zerstört.“
Kollege Ralph Meier-Tanos, Geschäftsführer von Radio 88.6. fügt hinzu: „Ich verstehe nicht, warum der ORF in seinen Social-Media-Aktivitäten unbeschränkt bleibt. Die ORF-Reichweite in der jungen Zielgruppe ist ohnehin sehr hoch. Soll er gesellschaftsschädigende Plattformen nun auch noch fördern, indem er ihnen seine Qualitätsinhalte zur Verfügung stellt? Und Alexander Wagner, Geschäftsführer von Radio Energy sieht nun den Druck weiter steigen: „Die Situation der Privatsender ist aufgrund des wirtschaftlichen Drucks durch die großen internationalen Plattformen ohnehin extrem schwierig. Die vorgeschlagenen Maßnahmen erhöhen diesen Druck, anstatt den Medienmarkt zu entlasten. Die vorgesehene Reduktion der ORF-Radiowerbezeit wird keinen spürbaren positiven Effekt haben, sie fällt einfach zu gering aus.“
Und Bernhard Albrecht, Geschäftsführer von ATV, bezweifelt die Wirksamkeit der geplanten Kontrollmechanismen: „Der Erlös aus dem ORF-Beitrag wird weit über dem bisherigen Erlös aus Programmentgelten liegen. Umso wichtiger ist es, dass es eine Kontrolle der ORF-Finanzgebarung gibt, die mindestens so effektiv ist wie jene der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF in Deutschland.“
Am Ende heißt es seitens der Privatsendervertreter: „Der VÖP appelliert eindringlich an die Bundesregierung, die Konsequenzen des ORF-Pakets für den gesamten Markt stärker zu berücksichtigen und dringend notwendige Änderungen vorzunehmen: Die Digitalfreiheiten müssen marktverträglich sein, eine Überfinanzierung des ORF ist auszuschließen und die kommerzielle Konkurrenz durch den ORF ist in sämtlichen Bereichen seines Angebots deutlich zu reduzieren. Radio, TV und Online sollten frei von rein kommerziellen Programminhalten sein und die Werbeintensität ist spürbar zu reduzieren, insbesondere durch ersatzlose Streichung von langen Durchrechnungszeiträumen.“