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© Arnd Ötting

Redaktion 12.04.2024

Rassismus – im Camouflage-Look

Leitkultur-Kampagne: Mit dem Versuch, FPÖ-Töne ländlich-sittlich anzusprechen, ist die ÖVP krachend in die Lächerlichkeit abgerutscht.

Gastkommentar ••• Von Josef Kalina

WIEN. Immerhin, die ÖVP hat eine Strategie. Die lautet, auf den Punkt gebracht: Liebe Zielgruppe (vor allem Kurz-Wählerinnen und -Wähler, die dieser der FPÖ abgenommen hat), ihr bekommt von uns dieselbe Politik wie von der FPÖ, aber mit einem Spitzenmann, der schon Kanzler ist und der kein Sicherheitsrisiko, ja rechtsradikaler Staatsgefährder ist. Insofern macht die Leitkulturdebatte strategisch Sinn. Denn die überwältigende Mehrheit der Österreicher ist der Meinung, dass erstens „nicht mehr so viele kommen sollen” und zweitens, dass „die, die kommen, gefälligst so leben sollen, wie wir hier es gewohnt sind”.

Gezielt breit streuen

Man hat also sehr kalkuliert auf die Stimmung im Land – und da ganz besonders am Land – gesetzt. Die ÖVP-Strategen wollten ganz gezielt breit streuen, dass Nehammer und Co dafür sorgen werden, dass „mir mir bleiben”.

Groß ist das Risiko, dass sich in so eine Kampagne ein rassistischer Unterton einschleicht, denn das Anderssein vieler Zuwanderer drückt sich ja auch in deren Sprache, Hautfarbe, Aussehen, Kleidung aus, mit denen viele „Autochthone” fremdeln.
Das wird natürlich nicht offen ausgesprochen, aber es schwingt mit. Und schon war das kommunikative Scheitern vorprogrammiert, denn anders als die FPÖ, die auch vor unmissverständlich rassistischen Tönen nicht zurückschreckt, versuchte man in der ÖVP, diese Gefühle camou­fliert, ländlich-sittlich anzusprechen – und ist damit krachend in die Lächerlichkeit abgerutscht.
Außerdem darf sich so niemand in der ÖVP wundern, dass man in fast allen Städten angesichts dieser altvaterischen Optik in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen droht. Und selbst am Land ist die Zeit über diese Darstellung einer Leitkultur längst hinweggezogen.

Blasmusik ins Gesetz?

Auch der einfachste Geist durchschaute leicht dieses üble Spiel: Kein Mensch kann ein Bekenntnis zu Blasmusik und Maibaumaufstellen in ein Gesetz schreiben. Alles nur Theater für die Wahl, getrieben von der Angst, fast alle Kurz-Wähler wieder an die Freiheitlichen zu verlieren.

Den ultimativen Missgriff in Sachen Kommunikation setzte dann ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Einen so peinlichen Rückzieher, wie er ihn in der „ZiB2” lieferte, hätte man von niemand aus der FPÖ je gesehen. „Stay on message” ist die wichtigste Grundregel der politischen Kommunikation. „Schauen Sie, Herr Wolf: Man kann ja alles ins Lächerliche ziehen, aber wir wollen eben, dass unsere Werte und unsere Lebenskultur von allen, die hier leben wollen, respektiert werden. Schon morgen kommt ein neues Sujet und Sie werden sehen, dass wir damit viel mehr meinen als Maibaumfeiern.” So hätte er auch antworten können. Das hätte natürlich neuerlich Aufregung und Widerspruch hervorgerufen, aber man hätte wenigstens die geplante Story weitererzählen können. So bleibt nur der Stoff fürs Kabarett.

Gefragt: Glaubwürdigkeit

Von Haus aus zu wenig bedacht wurde natürlich, dass man als Kanzlerpartei gegenüber der Opposition einen großen Nachteil in der Kommunikation hat: Die Leute verlangen nämlich nach glaubwürdigen Umsetzungsschritten. Und wie schwer, ja meines Erachtens unmöglich es ist, eine „Leitkultur” in Gesetze zu gießen, zeigte sich recht schnell im Laufe der Debatte.

Josef Kalina ist Eigentümer und Managing Director der PR-Agentur Unique relations.

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