WIEN. Die ORF-Gremienreform hat am Mittwoch den Ministerrat passiert und soll am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werden. Die Gesetzesnovelle sieht vor, dass die Bundesregierung künftig sechs (statt neun) Mitglieder in den 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat entsendet. Der künftig zur Hälfte von der Bundesregierung beschickte ORF-Publikumsrat entsendet dagegen neun (statt sechs) Mitglieder. Der ORF-Beitrag wird bis 2029 bei 15,30 Euro pro Haushalt und Monat eingefroren.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte 2023 festgestellt, dass die Regierung zu großes Gewicht bei der Bestellung der ORF-Gremien hat. Die Bundesregierung reagiert darauf nun mit einer Reform, die aber auf größere Umgestaltungen verzichtet. „Der ORF wird unabhängiger, das Publikum bekommt mehr Einfluss, die Politik weniger“, hielt Staatssekretärin Michaela Schmidt (SPÖ) am Mittwoch im Foyer nach dem Ministerrat fest und betonte, dass die Umsetzung fristgerecht erfolge. ORF-Stiftungsräte könnten künftig unabhängiger arbeiten, da die Besetzung von politischen Wahlzyklen entkoppelt werde, so Schmidt.
Umfassende ORF-Reform zu späterem Zeitpunkt
„Unsere Demokratie braucht starke und unabhängige Medien. Wir haben uns viel vorgenommen“, versprach die Staatssekretärin ein „rundes Paket“ für den Medienstandort. Vorgesehen ist auch eine umfassende ORF-Gesamtreform unter Einbezug der Bevölkerung, um den ORF „schlanker, digitaler, transparenter, bürgernäher, regionaler und nachhaltiger“ zu machen, wie es im Ministerratsvortrag heißt. Der Prozess dazu soll zeitnah starten.
Entgegen einer Ankündigung im Regierungsprogramm sagte Medienminister Andreas Babler (SPÖ) vor einer Woche, dass die ORF-Gremien bei der größeren ORF-Gesamtreform nicht erneut angetastet werden. Ob ein letztes Wort in der Sache schon gesprochen ist, bleibt abzuwarten, sprach Staatssekretär Josef Schellhorn (NEOS) am Mittwoch doch mit Blick auf die ORF-Gremienreform nur von einem „ersten Schritt“. Eine „größere Gremienreform“ solle folgen, so Schellhorn.
Öffentliche Ausschreibung und Begründung
Mit der vorliegenden Gremienreform entsendet die Bundesregierung künftig drei Personen weniger und der ORF-Publikumsrat drei Personen mehr in den ORF-Stiftungsrat. Mit der Novelle werden neue Qualifikationsanforderungen bei der Besetzung des ORF-Stiftungsrats festgeschrieben. So ist von der Regierung darauf zu achten, dass ausreichend Expertise in Bereichen wie Medienwirtschaft, Betriebswirtschaft, Kommunikation, Medienrecht oder auch Controlling gegeben ist. Die Funktionen müssen künftig öffentlich für mindestens zwei Wochen ausgeschrieben werden. Die getroffene Auswahl ist zu begründen und zu veröffentlichen. Neubestellungsmöglichkeiten nach einem Regierungswechsel werden für Stiftungsräte, die von Bundesregierung, Bundesländern und Publikumsrat entsandt wurden, gestrichen.
Der Publikumsrat wird auf 28 Mitglieder etwas verkleinert. Die Hälfte davon wird von der Regierung entsendet - bisher wurden 17 Personen vom Bundeskanzler bzw. Medienminister bestimmt. Die Regierung hat dafür Dreiervorschläge von Organisationen, die für einen gewissen Bereich wie Bildung, Sport oder Jugend repräsentativ sind, einzuholen. Neue Regelungen gelten, sollten Organisationen keine Dreiervorschläge einreichen, sondern lediglich eine Person nennen, was in der Vergangenheit wiederholt vorkam.
Dachverband der Sozialversicherungsträger neu dabei
Die weiteren 14 Mitglieder (bisher 13) des Publikumsrats werden direkt von im Gesetz festgelegten Stellen entsendet - darunter diverse Kammern, Kirchen und Parteiakademien. Neu ist der Dachverband der Sozialversicherungsträger. Bei der Wahl der neun Stiftungsratsmitglieder muss darauf geachtet werden, dass die einzelnen ausgewählten Personen möglichst unterschiedliche Erfahrungen für das oberste ORF-Gremium mitbringen.
Neukonstituierung im Juni
Mit der Novelle erfolgt eine Neukonstituierung der ORF-Gremien. Am 16. Juni endet die aktuelle Periode frühzeitig. Die neue Funktionsperiode startet mit 17. Juni „unbeschadet einer Bestellung oder Konstituierung vor diesem Datum“, heißt es im Gesetzestext.
Der ORF-Stiftungsrat wird abseits von Bundesregierung und Publikumsrat weiterhin auch von Bundesländern (9), Parlamentsparteien (6) und dem ORF-Zentralbetriebsrat (5) beschickt. Die einzelnen Stiftungsräte sind mit Ausnahme weniger Personen in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert. Derzeit hat der ÖVP-nahe „Freundeskreis“ mit ihm nahestehenden Unabhängigen eine Mehrheit im Gremium. Mit der Neukonstituierung verliert der türkise „Freundeskreis“ an Größe, während der SPÖ-nahe „Freundeskreis“ Zugewinne verzeichnen dürfte.
Zu den Aufgaben der Stiftungsräte zählt es u.a. alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag Direktoren und Landesdirektoren zu bestellen. Die Gremienmitglieder genehmigen Finanzpläne und beschließen etwa auch Erhöhungen des ORF-Beitrags.
15,30 Euro pro Monat und Haushalt
Die Novelle sieht abseits der Gremienreform auch vor, dass der ORF-Beitrag bis 2029 mit 15,30 Euro pro Monat und Haushalt festgeschrieben wird und somit in den nächsten drei Jahren nicht erhöht werden kann. „Wir entlasten damit die Österreicherinnen und Österreicher, die nun wissen, dass sich der ORF-Beitrag bis 2029 nicht erhöhen wird“, sagte Staatssekretärin Schmidt.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sprach angesichts der Nicht-Valorisierung des ORF-Beitrags vor wenigen Wochen von einem Sparbedarf in Höhe von ca. 220 Millionen Euro, der sich daraus für das öffentlich-rechtliche Medienhaus ergebe. Unbetroffen davon soll laut dem ORF-Chef das Programm und kleinere Sender wie FM4 oder ORF III sein. Stattdessen werde auf verschiedenste Maßnahmen gesetzt - auch im Personalbereich, wo laut Weißmann sehr restriktiv bei Nachbesetzungen vorgegangen werden soll und ein „Handshake“-Angebot für Mitarbeiter angekündigt wurde. (APA)