••• Von Jürgen Hofer
WIEN. Mit dem Ziel, das digitale Angebot weiter auszubauen, holte Geschäftsführer Thomas Kralinger den Digitalexperten Martin Gaiger im Jänner 2015 zum Kurier. Der wiederum kam, um den Kurier Digital unter die Top 3-Onlineangebote Österreichs zu führen, wie er in seinem Antrittsinterview sagte.
Zwölf Monate später blickt Gaiger auf ein „spannendes, herausforderndes, interessantes, lustiges und vor allem sehr erfolgreiches” Jahr zurück, wie er im medianet-Interview erläutert. Und wartet zugleich mit der nächsten großen sicht- und spürbaren Veränderung auf: dem Komplett-Relaunch des digitalen Auftritts von kurier.at. Der Relaunch, avisiert für Anfang März, sei dabei keine feinere Adaption des bestehenden Auftritts, sondern ein „großer, gewaltiger Schritt”.
Verlorene Identität?
So räumt man die kurier.at-Navigation auf und unterscheidet künftig nur noch in drei Hauptbereiche mit wenigen Rubriken darunter. Wie das final aussehen wird, behält sich Gaiger für den Launch vor; ein kurzer Blick vorab verrät jedenfalls eine auf den ersten Eindruck deutlich merkbare Reduktion und Neustrukturierung – auch auf Design-Ebene, wie Gaiger betont: „Wir zeigen uns dann optisch leichter und aufgeräumter, die Inhalte werden klarer strukturiert und leichter zu finden sein.” Dabei setzt man auch bewusst – durchaus entgegen dem aktuellen Konzept – auf mehr Text- und weniger Bildanteil auf kurier.at.
Dieser Schritt sei unbedingt notwendig gewesen, führt Gaiger weiter aus: „Was sich tempomäßig in der digitalen Welt tut, ist beachtlich, und da muss man als Medienmarke weitaus schneller als in der klassischen Medienwelt immer wieder nachziehen und optimieren.” Der letzte Relaunch passierte im November 2012, also vor mehr als drei Jahren: „Das ist länger als eine iPhone-Generation”, verweist Gaiger auf die Schnelllebigkeit des Internets. Zukünftig muss man sicherstellen, dass „die Nachrichten die Menschen dort erreichen, wo sie sind”, so Gaiger. Das reiche von den eigenen Plattformen mit besonderem Fokus auf Mobile (55% des Gesamttraffics) über Facebook Instant Articles, Google AMP (Accelerated Mobile Pages) und Google Kiosk, Apple News bis hin zu Partnerprogrammen mit MSN. „Tatsache ist, dass alle Medienanbieter darauf achten müssen, ihre Identität auf diesen Drittplattformen nicht zu verlieren oder aufzugeben”, mahnt Gaiger zugleich.
Paid Content?
Das Aufbereiten der Inhalte für eben diese verschiedenen Kanäle ändere „die komplette redaktionelle Herangehensweise dramatisch”; man müsse auch in einem kleinen Markt mit bescheidenen Ressourcen darauf achten, diesen Anforderungen gerecht zu werden. „Das bedeutet ein hohes Maß an Automatisierung und Effizienzsteigerung und vor allem Journalisten mit Verständnis und Fähigkeiten dafür – und da ist der Markt doch recht dünn gesät”, so Gaiger.
Als Kurier Medienhaus selbst beobachte man internationale Entwicklungen genau, vor allem in puncto Plänen der großen Player über dem großen Teich. Skeptisch zeigt er sich auch beispielsweise gegenüber dem vor Kurzem gestarteten Spotify für Verlage read.it, dessen Geschäftsmodell für Verleger kaum Aussicht auf Ertrag bietet, so Gaiger: „Die daraus generierten Erlöse für die Verleger fallen unter die Kategorie Peanuts.” Denn eben das Thema Monetarisierung ist ein gewichtiges, wie Gaiger schon im Herbst bei den Österreichischen Medientagen ankündigte. Thema Paid Content: Der User verlange „beträchtlichen inhaltlichen Mehrwert”, den man erst einmal stiften müsse. Modelle, vom Verkauf auf Artikelbasis bis hin zum Angebot von kostenpflichtigen Zusatzservices, lägen am Tisch. „Aber das ist nicht gleich die große Geldmaschine, sondern vorab ein Erziehungsprozess des Konsumenten, indem wir ihm sagen: Du bezahlst für Musik, du bezahlst für Videos, es wird Zeit auch für Wissen zu bezahlen.”
Fehlende Wertschätzung?
Apropos Monetarisierung: Mit Martina Zadina, ehemals adworx sowie kürzlich erst im Amt bestätigte IAB-Präsidentin, holte sich Kurier Digital eine laut Gaiger „optimale Ergänzung für das Team”. Gemeinsam gelte es weiterhin sicherzustellen, dass Werbung im richtigen Umfeld bei der richtigen Zielgruppe ankomme. „Qualitätsportale wie der kurier.at und futurezone.at haben es deutlich leichter, das für den Werbekunden sicherzustellen.” Man müsse aber darauf achten, dass nicht Dritte mit geklauten Daten den Werbekunden vorgaukeln, diese Konsumenten auch woanders zu erreichen, so Gaiger, der den Wert von Qualitätsumfeldern betont.
„Wir unterscheiden uns von boulevardesken und billigen Angeboten; die redaktionelle Leistung wird vom Konsumenten gewürdigt, und es ist nicht nachvollziehbar, warum das von der Werbebranche nicht auch in der Form anerkannt werden sollte.” Potenzielle Wachstumsfelder seien, neben dem Haupterlös digitales Anzeigengeschäft, aber auch Content Marketing sowie das Thema Corporate Publishing, dem man sich intensiv widmet.
Praktiziert wird das neben kurier.at weiterhin auf futurezone.at, film.at und events.at, die als „große und starke Marken” in dieser Form auch nach dem Relaunch eigenständig bestehen bleiben.
Job und Immo passieren als ein Teil von kurier.at so wie auch beispielsweise der Medien-Branchendienst atmedia.at, den man vor einiger Zeit im Wirtschaftsbereich von kurier.at integrierte. „Wir halten das für einen intelligenten Weg und glauben, dass man gerade den Medien-Themen dadurch deutlich mehr Popularität und Kraft geben kann, wenn man sie ins Bewusstsein einer breiten Bevölkerung rückt.”