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© Katharina Schiffl

Redaktion 27.08.2021

Restart im Einzelhandel mit 6,4 Prozent Plus

WKÖ-Handelsspartenobmann Rainer Trefelik will die ­positive Stimmung ins zweite Halbjahr mitnehmen – geht das?

••• Von Christian Novacek


Was der Handel jetzt braucht: eine Kristallkugel! Der Restart ins Jahr 2021 stimmt optimistisch, aber die Erleichterung zum Optimismus stellt sich nur zögerlich ein. Denn: Was das zweite Halbjahr bringt, da reicht das Spektrum der Möglichkeiten von Lockdown bis hin zu Konsumrausch. Umso wichtiger wäre: „Die Politik muss uns Rahmenbedingungen schaffen, auf die wir Händler uns verlassen können”, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Zurzeit wirkt noch die Zufriedenheit mit einem imposanten Comeback: „Der österreichische Handel konnte nach einem coronabedingt extrem herausfordernden Jahr 2020 in den vergangenen Monaten einen deutlichen Restart hinlegen”, so Trefelik. Um sogleich zu relativieren: „Das ist ein Grund zur Freude, aber nicht für Euphorie: Das aktuell wieder steigende Infektionsgeschehen könnte dieser positiven Entwicklung nämlich einen Strich durch die Rechnung machen.”

Zwischen Turbo und Fehlstart

In Summe konnte der österreichische Handel in den ersten fünf Monaten 2021 Netto-Umsätze in Höhe von rd. 114,2 Mrd. € generieren; das war um nominell 11,8 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2020. Auch gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 gibt es eine Steigerung im Erlös, nämlich um 0,8 Prozent. Allerdings – und zu Pandemiezeiten quasi naturgemäß – gibt es innerhalb des Handels Bereiche, die in der ersten Etappe des Jahres 2021 ziemlich durchschnaufen mussten.

Im Bekleidungs- sowie Schuhhandel etwa ist der Restart zu einem Fehlstart gediehen: Die Umsätze liegen nach wie vor mehr als 20 Prozent zurück. Ebenso konnten der Schmuckhandel, der Spielwaren- und Sportartikelhandel sowie der Bücher- und Zeitschriftenhandel bislang nicht das Umsatzniveau von 2019 erreichen.
„Um allen Branchen einen Restart zu erleichtern, den heimischen Handel generell zu stärken und damit krisensicher aufzustellen, braucht es dringend Entlastungsmaßnahmen”, fordert Trefelik. „Insbesondere eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, damit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt, und die Senkung der KÖSt”, macht der Handelsobmann seine Forderung konkret.

Solide Performance

Im Einzelhandel lagen die Netto-Umsätze im ersten Halbjahr 2021 bei rund 35,2 Mrd. €. Das entspricht einem Wachstum von 6,4 Prozent (+4,3 Prozent zu 2019) bzw. von rund 2,1 Mrd. € netto (+1,4 Mrd. € zu 2019) gegenüber 2020. Und auch der Großhandel konnte von Jänner bis Mai 2021 mit einer Steigerungsrate von nominell 11,1 Prozent gegenüber 2020 das Vorkrisenniveau übertreffen (+0,4 Prozent gegenüber 2019).

Was nun den bestens etablierten Wettstreit zwischen E-Commerce und stationärem Geschäft betrifft, hat pandemiebedingt der Onlinehandel den Wachstumsschub für sich gepachtet. Aber bleibt das so? „Das Wachstum im Onlinehandel hielt an, wenngleich sich die Wachstumsdynamik im ersten Halbjahr 2021 abschwächte und zum Teil wieder in den stationären Handel verlagerte”, skizziert Peter Voithofer vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung ein Bild, das aufzeigen soll: Der Handel ist stationär eine unerschütterliche Größe. Und die Wege an ihm vorbei sind zwar keine Schleichpfade mehr, aber doch Entwicklungen unterworfen, die im E-Commerce zusehends das einfordern, was der stationäre Handel vergleichsweise locker aus der Hüfte schießt.

Service is our success

Bestes Beispiel dafür sind die Serviceerwartungen der Konsumenten. Eine Studie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der Bundessparte Handel belegt, dass für acht von zehn Österreichern Services beim Einkauf in Ladengeschäften wichtig sind. Genauso wichtig ist es für sieben von zehn allerdings auch beim Online-Shopping.

Bonmot dazu: Ausgerechnet die Platinausgabe von Service im Digital Retail, also Amazon, hat dieses im Detail schon mal zurückgefahren; z. B. wurde die Übersicht über noch offene Bestellungen gestrichen.
Unter Umständen stand hier der Lehrsatz Pate: Service ist am besten dort angebracht, wo es nachvollziehbar positiv auf den Erlös schlägt, und weniger dort, wo man als Händler mit Gewissheit draufzahlt.
„Basierend auf den gestiegenen Serviceerwartungen in der Covid-19-Krise, kristallisieren sich mehrere Trends heraus: Kunden und Kundinnen im Einzelhandel wollen mehr Qualität, digitale Begleitung im Einkaufsprozess, höhere Sicherheit sowie mehr Effizienz und Flexibilität beim Einkauf”, erläutert Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der JKU. „Einkaufen dient längst nicht mehr nur dem Konsumbedürfnis selbst, sondern steht für Shopping­erlebnisse”, ergänzt Ernst Gittenberger, Leiter des Centre of Retail and Consumer Research an der JKU.

Fünf Trends der Zukunft

Auf Basis der durchgeführten Konsumentenbefragung sollten in Zukunft fünf Trends besonders gut reüssieren: „Labeling” (Kennzeichnungen, für 70% der österreichischen Konsumenten in Zukunft wichtig), „Prove it” (68%) sowie „Return to Experts” (Expertenberatung/62%). Speziell im Lebensmittelhandel kommen die „Unmanned Stores” und „Vending Maschines” (Verkaufsboxen) dazu.

Zum Thema Supermarkt in der Box weist Gittenberger darauf hin, dass es das erstens als regional possierliche Ausgabe in Oberösterreich bereits seit Jahrzehnten gibt und zweitens: „Auch die Unmanned Stores sind durchaus in der Lage, ein Einkaufserlebnis zu bieten.” Das gilt aktuell für die neu eröffnete Unibox in Dorf an der Pram, die auf 36 m² ebenda die Nahversorgung sichern soll. Prinzipiell sind der Fantasie auch jenseits der Nahversorgung wenig Grenzen gesetzt. Aggressiv wäre im Kontext ein Discounter in der Box und wahrscheinlich nur potenziell charmant das eingeboxte Café.

Nahversorgung ist persönlich

Speziell im Belang Nahversorgung divergiert Handelsobmann Trefelik dann aber doch merklich. Er sieht diese nämlich keinesfalls zwingend personalbefreit: „Überall nur Boxen würde mir auch nicht gefallen”, sagt Trefelik und verweist auf Lösungen inklusive Personal, zum Beispiel mit der Post als Partner, wo die Post über ihren angestammten USP hinaus zugleich als Bank und Nahversorger agiert.

Die zur Personalfrage dazugehörige Zahl macht übrigens ebenfalls wenig Angst vor Digitalisierung und LEH in der Schachtel: Mit über 555.000 unselbstständig Beschäftigten kann der Handel (durch Beschäftigungszuwächse im Groß- und Einzelhandel) nämlich im ersten Halbjahr 2021 ein Beschäftigungsplus von 2,3 Prozent verzeichnen. Das ist ein Zuwachs von 1,1 Prozent bzw. 6.000 Beschäftigten gegenüber dem Vorkrisenniveau.

Schwelle überschritten

Beachtlich dabei ist, dass der Einzelhandel erstmals die Marke von 300.000 Beschäftigten überschreiten konnte. „Mit dem Anstieg der Beschäftigung sank auch die Arbeitslosenquote. So können 9,6 Prozent weniger Arbeitslose als im Vergleichszeitraum 2020 verzeichnet werden. Gleichzeitig stieg die Zahl der offenen Stellen auf 13.250, davon 70 Prozent im Einzelhandel”, so Trefelik.

Von den insgesamt mehr als 300.000 aus dem Handel insgesamt zur Kurzarbeit gemeldeten Personen seit März 2020 sind im Mai 2021 nur mehr weniger als zehn Prozent gemeldet. In Anspruch genommen wird sie vorwiegend in Branchen, die umsatzmäßig das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht haben.

Prognose zweites Halbjahr

Inwieweit sich das vielversprechende Backup der Entwicklung im ersten Halbjahr positiv ins zweite verlängern lässt, ist eine Frage für die eingangs geforderte Kristallkugel. Trefelik begegnet ihr mit Zuversicht: „Der Restart im österreichischen Handel wird sich im zweiten Halbjahr 2021 fortsetzen.”

Dafür sprechen nun ein paar deutlich verbesserte Rahmenbedingungen, als da wären: ein reales BIP-Wachstum im Gesamtjahr von vier Prozent (laut Wifo-Juni-Prognose), eine Steigerung der Bruttowertschöpfung im Handel von sechs Prozent sowie ein erwarteter deutlicher Rückgang der Sparquote von 13,9 Prozent im Jahr 2020 auf 10,2 Prozent im Gesamtjahr 2021.
Im Handel wird für 2021 mit einer realen Steigerung der Bruttowertschöpfung von sechs Prozent gerechnet, die damit also über dem realen BIP-Wachstum liegen würde.
Hinzu kommt, dass der Handel in der Krise durchaus lernfähig war – sowohl betreffend die Sicherheit beim Shoppen (Paradesatz: Der Handel ist kein Hotspot) als auch im Bereich der Digitalisierung. „Wir haben bei der Digitalisierung in den letzten Monaten viel erreicht”, ist Trefelik überzeugt – und schränkt ein: „Aber es ist klar, dass wir innerhalb eines Jahres Amazon noch nicht eingeholt haben.”

Infektion & Inflation

Die aktuell wieder signifikant steigenden Infektionszahlen könnten die insgesamt positiven Erwartungshaltungen indes konterkarieren – je nachdem, ob bzw. welche Maßnahmen im Herbst 2021 kommen. „Wir müssen alles daransetzen, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Daher appelliere ich dringend an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen”, so der Handelsobmann, für den auch klar ist, dass Einkaufen mit Maske zwar notwendig sein mag, aber die Kauflust steigert das sicher nicht.

Die steigende Inflationsrate sieht Trefelik hingegen nicht sonderlich problematisch: „Seit zwanzig Jahren ist die Inflation im Handel geringer als insgesamt!”

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