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Redaktion 04.03.2022

Rote Karte für Putin: Sport stellt sich Problem

Viele Verbände sperren Russland in Folge des Angriffs auf die Ukraine aus. „Sportwashing” rückt in den Fokus.

••• Von Georg Sander

WIEN. Seit vergangener Woche greifen russische Truppen die Ukraine an. Wladimir Putin hat den Krieg der Bilder indes schon verloren. Angeführt von Präsident (und Ex-Schauspieler) Wolodymyr Selenskyj sowie dem Kiewer Bürgermeister und Boxsuperstar Vitali Klitschko stemmt sich der osteuropäische Nachbar auf den vielen Schlachtfeldern auch mit Bildern, Videos und Co. gegen die Invasion. Putin am sicheren Ort hier, Selenskyj mit Schutzweste an der Front, Klitschko mit der Kalaschnikow. Die freie Welt rückt zusammen, eine Konsequenz aus dem Angriff. Neben den wirtschaftlichen Sanktionen und der Unterstützung des Westens steht aber noch ein Thema im Fokus: Sportwashing. Analog zu Green-/Whitewashing wird damit versucht, das Ansehen des eigenen Landes durch die Veranstaltung von Sport-Events und deren positiven Reputation in den Medien zu verbessern.

Ein Thema, das Putin gut kennt. 2014 richtete Sotschi die Olympischen Winterspiele aus, 2018 fand die Fußballweltmeisterschaft in Russland statt. Über eine Mrd. USD nahm das IOC in der Periode 2013-16 ein, mit weltweiten Partnern wie Coca-Cola, Acer, Atos, DOW, General Electric, McDonald’s, Omega, Panasonic, P&G, Samsung und Visa. Bei der Fußball-WM waren bzw. sind im Kreise der Topsponsoren mit der chinesischen Wanda Group, Qatar-Airways und vor allem Gazprom umstrittene Sponsoren. Kostenpunkt: je 32 Mio. €. Gerade der beliebte Fußball zeigt Putin die rote ­Karte.

Erste Reaktionen

Inwieweit der 24. Februar 2022 eine Zeitenwende darstellt, wird sich noch weisen. Obwohl die USA vor dem Angriff gewarnt hatten, hielten ihn wenige für möglich.

Auch die Sportwelt wurde quasi überrumpelt. Dabei gab es schon Anfang der Woche Gerüchte, St. Petersburg, Heimatstadt von Putin und Standort seines Lieblingsteams Zenit, könnte das Champions League-Finale am 28. Mai verlieren. Theoretisch könnte dort der heimische Meister Red Bull Salzburg antreten. Ein erster Warnschuss dann am 24. Februar: Schalke 04, beliebter deutscher Zweitligist und seit 15 Jahren Günstling von Gazprom, kündigte an, nicht mit dem Schriftzug des Staatsunternehmens anzutreten. Auch die Wiener ­Austria, die pro Jahr rund fünf Mio. € aus Russland bekommt, ließ den Schriftzug vom Dress der 2. Mannschaft entfernen. Medienberichte sprachen auch vom Ende der Partnerschaft, im Standard sagte Austria-Vorstand Gerhard Krisch am Mittwoch: „Aufgelöst ist der Vertrag nicht. Wir prüfen alles rechtlich – und dann schauen wir, wo die Reise hingeht.”
Nach und nach wurde im Westen das Ausmaß der Situation bekannt, der Skiverband FIS drückte sich zuerst noch davor, die ausständigen Rennen abzusagen. Nachdem die skurrile Situation eintrat, dass zu einem Skicross-Event nur russische Athleten an den Start gingen, sagte man alle Events ab. Die Formel 1 sagte in weiterer Folge vorsorglich den September-Grand Prix ab, so gut wie alle größeren Events wurden abgesagt. Der russische Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch zieht sich zurück, Manchester United beendete das Sponsoring mit Aeroflot.

Fast komplett ausgeschlossen

Am Montag schon stellte das Internationale Olympische Komitee (IOC) unmissverständlich fest: „Der Exekutivrat erörterte heute erneut das Dilemma, in dem sich die Olympische Bewegung derzeit nach dem Bruch des Olympischen Waffenstillstands durch die russische Regierung und die Regierung von Belarus durch ihre Unterstützung darin befindet.”

Die Fußballverbände FIFA/UEFA reagierten am Montag ebenfalls. Alle russischen Teams wurden ausgeschlossen, die Chance der Sbornaja auf die WM 2022 in Katar ist dahin, man wäre auf Polen, Tschechien und Schweden getroffen, die sich geweigert hatten, gegen die Russen zu spielen. Betroffen ist auch die Frauen-EM im Sommer in England, für die die Sportlerinnen qualifiziert gewesen wären.
Zudem beendete die UEFA das Sponsoring von Gazprom, das laut Medienberichten aktuell rund 33,5 Mio. Pfund bzw. knapp 40 Mio. € schwer war. ÖFB-Präsident Gerhard Milletich ließ zum Thema wissen: „Eine gemeinsame Stimme ist am lautesten und hat die größte Signalwirkung. So wird die Position des Weltfußballs einheitlich vertreten. Der Fußball steht in dieser schweren Zeit zusammen und zeigt sich solidarisch mit der ukrainischen Bevölkerung. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verstößt gegen alles, wofür die Werte des Sports und der Menschlichkeit stehen.”

Gegenstimmen

Doch einige Stimmen sprachen sich auch gegen diesen Totalausschluss Russlands (bzw. Belarus’) aus. RB Leipzig-Trainer Domenico Tedesco, der mit den Sachsen im Rahmen der Europa League gegen Spartak Moskau gespielt hätte, beim Klub von Lukoil-Manager Leonid Fedun früher selber Trainer, sagte: „Wenn die Frage nach einem Boykott kommt: Dabei trifft es meiner Meinung nach immer die Falschen. Es trifft in erster Linie die Sportler und die Fans.” Mit dieser Meinung ist er nicht alleine.

ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober erklärte in ServusTV, dass eine andere Lösung besser wäre: „Wir finden es gut, wie die internationale Biathlon-Union es hält. Da heißt es unter neutraler Flagge, keine Nationenpunkte, aber doch starten zu können, weil die Sportler können ja de facto auch nichts dafür. Sie sind in dieser Familie ja auch involviert, das wäre unsere Vorgehensweise.” Allerdings schloss der Biathlonverband Russland und Weißrussland am Mittwoch aus, auch die Paralympics zogen mit. Der Tennissport erlaubte zu Redaktionsschluss noch das Antreten. Das ist die sportliche Seite; ein Zurückdrängen der Sponsorgelder aus fragwürdiger Quelle ist aber schwierig.

Nach Peking ist Katar

Der Sport hatte selten ein Problem mit autokratischen Systemen. Angefangen bei Olympia 1936 in Berlin, über die österreichische Fußballheldensaga in Cordoba bei der Fußball-WM in Argentinien 1978. Waren es 1936 die Nazis, regierte in Argentinien eine Militärdiktatur. Jüngst gingen zudem die Olympischen Winterspiele in Peking zu Ende.

Im Fokus steht dabei die allgemeine Menschenrechtslage, Vorwürfe der Zwangsarbeit in Xinjiang, der Umgang mit Tibet oder der Demokratiebewegung in Hongkong. Der Internetriese Alibaba aus China zählt dennoch zu den Top-Partnern von Olympia, wie auch Visa. Eine Vertreterin der Bezahl­services sagte damals vor dem US-Parlament: „Wir sind gegen Völkermord, wo immer so etwas passiert.”
China wurde nicht genannt, das IOC nahm trotzdem das Geld, die globalen Sponsoren schmückten sich mit den Bildern aus dem autoritären China. Insgesamt lukriert das IOC im gegenwärtigen Zyklus, der Peking und die kommenden Sommerspiele in Paris umfasst, mehr als drei Mrd. USD. Und auch wenn sich der Weltfußball der Empfehlung des IOC anschloss, russische Klubs auszuschließen – die nächste WM steigt in Katar.
Dort sollen laut Medienberichten und NGOs mehrere Tausend Arbeiter bei der Errichtung der Wettkampfstätten ums Leben gekommen sein. Das Land ist eine totalitäre Monarchie, Qatar Airways seit 2007 FIFA-Sponsor. Das sind auch die chinesischen Unternehmen Vivo und Wanda, die neben „westlichen” Sponsoren wie Kia/Hyundai, Coca-Cola, Visa, Adidas, Budweiser oder McDonald’s auftreten. Wie verteidigt FIFA-Präsident Gianni Infantino die WM? „Wir müssen uns auch die Geschichte angucken, wo Länder herkommen. Fortschritt ist passiert, das wurde nicht nur von der FIFA, sondern auch von internationalen Organisationen festgestellt. Es ist ein Prozess. Aber das kann nur durch Dialog und Respekt passieren.”
Mit Katar rollt also das nächste problematische Großereignis auf die Sportwelt zu. Manche Verbindungen mit Russland mögen gekappt sein – eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Sportwashing muss aber folgen, Geldquellen hinterfragt werden. Sonst waren die vergangenen Tage nur ein Symbol ohne Wert.

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