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Redaktion 26.02.2021

Starke Zahlen und neue Impulse für Online-LEH

Nach einem erfreulichen Jahr für den Food-E-Commerce stehen die Zeichen auch 2021 auf Wachstum.

••• Von Paul Hafner

WIEN. Der heimische Onlinehandel ist im Pandemie-geprägten Jahr 2020 um 17% gewachsen, der E-Commerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz hat erstmals die 12%-Marke geknackt. Auch im LEH hat der E-Commerce Fahrt aufgenommen. Doch während im Non-Food-Handel bereits knapp 20% der Konsum­ausgaben online getätigt werden, entfallen nach Schätzungen von Wolfgang Ziniel, Researcher und Retailexperte bei der KMU Forschung Austria, weiterhin weniger als 2% der Lebens­mittel­käufe in den Distanzhandel.

Ein Austriacum ist das mitnichten: Auch beim großen Nachbarn Deutschland liegt der bundesweite Durchschnitt unter 2%, lediglich in Großstädten wie Berlin, Düsseldorf und München kratzt der Online-Marktanteil an der 3%-Marke. Ein bundesweites Überschreiten der 2%-Marke wird von Statista und Euro­monitor auf 2024 geschätzt. Während der Anteil in den USA nach Schätzungen nur unwesent­lich höher als jener Deutschlands und Österreichs liegt, sind Frankreich (5%), Großbritannien (6%) und vor allem Südkorea (8%) bereits deutlich weiter.

Aufwärtstrend

Wenngleich sich Österreich also gemeinsam mit Deutschland unter den Nachzüglern einfindet – auch Nachbar Schweiz brachte es nach Statista-Daten schon 2019, also vor der Coronakrise, auf 2,8% –, ist der E-Food-Markt auch hierzulande zweifellos am Boomen. Ziniel: „Die Coronakrise hat auch den Einkauf von Lebensmitteln im Distanzhandel mit plus 26 Prozent befeuert.”

So kauften Österreichs Haushalte laut GfK-Onlinestudie Lebensmittel und Near-Food-Artikel im Wert von insgesamt 430 Mio. € ein – ein Marktvolumen, das sich angesichts der bekanntermaßen hohen LEH-Standortdichte durchaus sehen lassen kann und auch in den kommenden Jahren kräftig wachsen dürfte. „Der LEH konnte im Vorjahr stationär um 7,5 Prozent und online sogar um 21 Prozent zulegen”, vergleicht Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die Wachstumsraten.
Klar ist: Die Ausgangsbeschränkungen und die Sorge vor einer Ansteckung waren die Türöffner für Kundensegmente, die das Online-Lebensmittelshopping sonst vielleicht gar nicht entdeckt bzw. ausprobiert hätten. Ein nachhaltiger Zukunfts­trend ist allein daraus aber noch nicht ablesbar. Lockdown- und Homeoffice-bedingt konnten bzw. können viele Menschen derzeit Lebensmittellieferungen rund um die Uhr entgegennehmen; Lieferfenster untertags werden von diesen nach der Rückkehr in Büro & Co. zwangsläufig weniger gefragt sein.
Andererseits wird der stationäre Lebensmittelkauf nach Corona den Charakter des „wichtigen Stückchens Normalität” verlieren, den er insbesondere in der Zeit des ersten Lockdowns für viele hatte – möglicherweise werden Menschen die Bequemlichkeit des Online-Kaufs mehr schätzen als aktuell.

Neue Marktteilnehmer

Als im August 2018 der Merkur- Onlineshop eingestellt wurde, wurde das von vielen in der Branche als Zeichen für die Unretabilität des Online-LEH gesehen. Das Angebot der Vollsortimenter schrumpfte auf Billa, Unimarkt (österreichweit) und Interspar (Ostösterreich und Salzburg/Salzburg Umgebung) zusammen. Doch im Zuge der Pandemie haben nun mit Gurkerl.at und mjam market gleich zwei neue Martkteilnehmer das Parkett betreten.

Gurkerl.at startete am 3. Dezember 2020 und liefert aktuell nach Wien, Schwechat, Mödling und Baden. „Eine erste größere Erweiterung des Liefergebiets ist für Sommer geplant, kleinere Erweiterungen folgen laufend”, lässt Birgit Reischl, Marketing Director bei Gurkerl.at, wissen. Der Start sei gut geglückt, „der Kundenzuspruch entwickelt sich sehr gut”, man arbeite aktuell am Ausbau des Bereichs Operations, „damit wir mehr Lieferslots und Lieferautos zur Verfügung haben und der Kundennachfrage noch besser nachkommen können”.
Beim Kunden punkten will Gurkerl.at mit Spezialitäten wie Öfferl-Brot, einem Österreich-exklusiven Marks & Spencer-Sortiment sowie Produkten von regionalen Bauernhöfen und mit der Rücknahme von Pfandflaschen, die als Credit für die nächste Bestellung verbucht werden. Je nach Lieferslots liefert man zudem innerhalb von drei Stunden ab Bestellung, womit man einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Platzhirschen bieten will.

Auch mjam steigt ein

Mit schneller Lieferung punkten will auch mjam market: Keine zwei Monate nach dem Start von Gurkerl.at hat die Essens-Bestellplattform die erste Filiale ihrer „virtuellen Supermarktkette” aufgesperrt – und liefert seit 1. Februar in Teile Wiens, gemäß Versprechen binnen 30 Minuten ab Bestellung. „Wir sind mit den ersten Resultaten sehr zufrieden”, so mjam-CEO Artur Schreiber. Sowohl von Kunden- als auch Fahrerseite habe es „sehr viel positives Feedback” gegeben. „Sehr gefreut haben wir uns über den starken Rücklauf diverser Lieferantenanfragen. Mit vielen Partnern haben wir in den nächsten Wochen bereits Gespräche.”

In den nächsten Monaten wolle man mit vier bis fünf weiteren mjam market Shops eine wienweite Zustellung ermöglichen, danach stehe die Expansion in weitere Landeshauptstädte an.
Bei der Sortimentsgestaltung betont Schreiber Innovation und Exklusivität: „Wir möchten mit einer Mischung aus bekannten Produkten und Trendmarken verschiedene Zielgruppen ansprechen und von unserem Service überzeugen. Einige Artikel, die wir bereits jetzt anbieten und die bisher wenige oder keine Mitbewerber führen, sind beispielsweise Skippy Erdnussbutter, Tony’s Chocolate – belgische Fairtrade-Schokolade, Helgas Algenkräcker oder Bier von Next Level Brewing. Ein nächster Schritt ist die stückchenweise Erweiterung unseres Sortiments, welches wir auf unterschiedliche Bedürfnisse und Geschmäcker ausrichten.”

Billa: Die Nummer 1

Als frischgebackener „Branchen-Champion 2021” darf sich indes der Billa-Onlineshop bezeichnen: Bereits zum vierten Mal wurde der seit 2015 österreichweit zustellende Lieferdienst von der Gesellschaft für Verbraucherstudien (ÖGVS) zum besten Lebensmittel-Lieferdienst gekürt. Besonders überzeugen konnte das Online-Zugpferd der Rewe in den Bereichen Kundenzufriedenheit und Kundenservice, wo man jeweils die Top-Platzierung erreichte.

„Wir sind sehr stolz auf dieses hervorragende Zeugnis, das uns die Kundinnen und Kunden ausgestellt haben. Ihre Zufriedenheit ist für uns das Maß aller Dinge und der Grund, warum wir unser Online-Angebot und unsere Services stetig erweitern. Um etwa der stark steigenden Nachfrage seit Beginn der Corona-Pandemie gerecht zu werden, wurden die Kapazitäten in kürzester Zeit deutlich erhöht und die Lieferzeitfenster entscheidend ausgeweitet. Auch die Auswahl an Produkten und die Anzahl der Click & Collect- Filialen wächst stetig”, so Elke Wilgmann, Vorstand Consumer bei Billa Merkur Österreich.
Konkrete Zahlen zur Performance im Coronajahr 2020 liefert Rewe-Pressesprecher Paul Pöttschacher: „Wir haben im Gesamtjahr 2020 im Billa-Onlineshop ein Umsatzwachstum von ca. 80 Prozent verzeichnet. Der Umsatz entspricht derzeit einem Vergleichswert von 17 Billa-Filialen.” Auf die „Bedarfsexplosion im Frühjahr 2020” hatte man umgegehend „mit Investitionen in unsere Logistik-Infrastruktur und der Ausweitung der Kapazitäten reagiert – im Großraum Wien um 80 Prozent, für das ganze Bundesgebiet um 30 Prozent”.
Wenn Corona das Verhältnis von stationär und online im LEH auch nicht wesentlich verändert hat: Erhöhte Nachfrage, mediale Aufmerksamkeit und neue Marktteilnehmer deuten an, dass ein erster Durchbruch geschafft ist und die Zeichen auf Marktwachstum stehen – es wird sich zeigen, in welchem Tempo.

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