••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer
In knapp zwei Jahren ist es soweit und die Green Claims Directive der EU muss im österreichischen Recht umgesetzt und angewandt werden. Konkret regelt die Richtlinie umweltbezogene Aussagen mit dem Ziel, Verbraucher und Verbraucherinnen vor Greenwashing zu schützen.
Zwar arbeitet die Europäische Union derzeit noch an der finalen Verabschiedung, klar ist jedoch: Die Directive soll künftig verbindliche Standards für die Kommunikation von Umweltaussagen schaffen; damit einher gehen unter anderem auch Verbote von zu allgemeinen Umweltaussagen oder von Gütesiegeln, die nicht von öffentlichen Behörden oder anerkannten Zertifizierungseinrichtungen geprüft wurden. Generell müssen demnach umweltbezogene Aussagen von Unternehmen transparent und nach wissenschaftlichen Kriterien kontrolliert und bestätigt werden.
„Hier kommt ein regulatorisches Monster auf uns zu”, betonte Sabrina Oswald, Spartenobmann-Stellvertreterin der Sparte Information und Consulting in der Wirtschaftskammer Wien (WKW). Oswald ist Initiatorin des WKW-Whitepapers zur Green Claim Directive, das vergangene Woche gemeinsam mit Jürgen Bauer, Obmann Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation, Michael Straberger, Präsident der Österreichischen Werberats, sowie Co-Autorin des Whitepapers, Mariella Franz, präsentiert wurde. „Wir haben das Whitepaper erarbeitet, um die Branche bei der Vorbereitung auf die neue Richtlinie bestmöglich zu unterstützen”, so Oswald.
Neben dem kostenlosen Whitepaper bietet die WKW außerdem noch in Kooperation mit dem Österreichischen Werberat eine Workshopreihe zum Thema und eine geförderte Unternehmensberatung für WKO-Mitgliedsunternehmen an.
Nachhaltigkeitsexpertin und Co-Autorin des WKW-Whitepapers Mariella Franz erzählt im medianet-Interview, was auf jeden Fall auf Unternehmen zukommen wird und welche Auswirkungen die Green Claims Directive auf Werbung und Unternehmenskommunikation haben könnte.
medianet: Frau Franz, einiges ist ja auf EU-Ebene noch nicht entschieden, anderes allerdings schon. Worauf müssen sich Unternehmen denn auf jeden Fall einstellen?
Mariella Franz: Fix ist, dass es eine Kontrolle geben soll für Green Claims. Das sind explizit Umweltaussagen, die freiwillig von Unternehmen oder auch von Werbetreibern im Auftrag von Unternehmen in der EU, auf dem Binnenmarkt, in kommerziellen Kommunikationen getätigt werden. Das heißt gegenüber dem Konsumenten, das betrifft also das B2C-Geschäft.
Fix wird die Regelung schriftliche Aussagen betreffen. Ob die mündliche Kommunikation miteingeschlossen wird, das wird noch auf EU-Ebene diskutiert. Und fix ist auch die Validierung bereits bestehender Umweltzeichen und Gütesiegel, ob die weiter verwendet werden dürfen.
Es könnte sein, dass Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro haben, davon ausgenommen werden – aber das wurde ebenfalls noch nicht entschieden.
medianet: Wie gut sind die Unternehmen denn bereits auf diese Richtlinien, die ja weitreichend sind, vorbereitet?
Franz: Ich glaube, sie sind noch nicht vorbereitet. Sie sind vielleicht bei dieser Thematik bereits sensibilisiert. Viele stecken aber auch den Kopf in den Sand und verdrängen das Thema, weil es ja noch dauert, bis es in österreichisches Recht integriert wurde.
Als Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberaterin versuche ich da aber positiv zu bleiben und Mut zu machen, denn wir kommen an diesem Thema so oder so nicht vorbei. Und ich versuche den Unternehmen auch immer verständlich zu machen, welche Rolle sie bei einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele in unserer Gesellschaft einnehmen.
Neben Soziales und Umwelt muss auch der Bereich Wirtschaft bedient werden. Und wir werden die Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen können ohne Mittun der Wirtschaft. Diese größere Vision versuche ich den Unternehmen näherzubringen.
medianet: Wie ist denn die Zeitschiene bei der Richtlinie?
Franz: Man muss hier zwei Richtlinien unterscheiden. Es gibt die Green Claims Directive, die sich auf Aussagen über die Umwelt bezieht, die noch nicht verabschiedet wurde. Die andere ist die EU-Verbraucherschutz-Richtlinie mit dem Titel ‚Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den grünen Wandel'. Es steht also der Verbraucher, der Konsument im Mittelpunkt. Der Verbraucher soll sich für Grün, für Nachhaltigkeit, für Umweltbewusstsein entscheiden können aufgrund von verlässlicher, vergleichbarer, überprüfbarer Information. Und das wiederum spannt den Bogen zu der Green Claims Directive, weil diese Richtlinie für überprüfbare, vergleichbare und verlässlichen Information sorgen soll.
Die Verbraucherschutz-Richtlinie wurde im März 2024 verabschiedet und ist innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Unsere Experten gehen davon aus, dass das zu einer Novellierung des UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Anm. Red) führen und dann ab September 2026 anzuwenden sein wird.
medianet: Warum kam es überhaupt zu diesen Richtlinien?
Franz: Weil das Bedürfnis da war, spezifisch Umweltaussagen zu klären. Denn das unlautere Wettbewerbsrecht nimmt nicht explizit Bezug auf Umweltaussagen. In der jetzigen Richtlinie widmet man sich also spezifisch diesen grünen Aussagen, um die Verbraucher besser zu schützen und Greenwashing zu vermeiden. Eine 2024 publizierte Studie der EU-Kommission zu ‚Umweltaussagen in der EU' bestätigt die Notwendigkeit einer solchen Regelung auch. Demnach fanden sich unter den untersuchten Produkt- oder Dienstleistungsaussagen mehr als 30% umweltbezogene Aussagen, und 53% der Umweltaussagen wurden als potenziell irreführend befunden. Das Ziel ist also, dass da, wo grün draufsteht, dann auch wirklich nur grün drinnen ist.
medianet: Besteht denn durch die neuen Richtlinien die Gefahr, dass grüne Themen aus der Werbung und Unternehmenskommunikation verschwinden?
Franz: Die Gefahr besteht schon. Vor allem bei Unternehmen, die es sich nicht leisten können, jede Umweltaussage verlässlich zu überprüfen. Das trifft vor allem KMU, weil die großen Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung ihre Nachhaltigkeitsleistungen ohnehin bestätigen und damit Nachweise erarbeiten, die sie für Umweltaussagen verwenden können. Wenn also Unternehmen grüne Themen in der Kommunikation und die damit verbundenen Auflagen vermeiden, nennt sich das ‚Green Hushing'. Was natürlich sehr schade wäre, weil damit würden die Richtlinien das Gegenteil bewirken und es gebe gar keine grünen Produkte und damit auch keine Information mehr darüber. Wobei man aus Konsumentensicht schon auch sagen muss, wenn man vorm Regal im Supermarkt steht, dann ist es schwierig, sich auf Basis verlässlicher Informationen für grüne Produkte zu entscheiden.
medianet: Sie plädieren dafür, die Richtlinie etwas zu entschärfen – wie könnte das aussehen?
Franz: Es gibt einen Vorschlag vom EU-Rat für ein vereinfachtes Verfahren für Unternehmen. Wenn dieses vereinfachte Verfahren durchlaufen ist, soll es den Unternehmen erlaubt sein, eine Liste an vereinfachten Umweltaussagen in ihrer Kommunikation zu verwenden. Damit müsste nicht jedes Unternehmen für jeden Green Claim vorab bei einer Prüfstelle eine Konformitätsbescheinigung einholen. Das würde den enormen bürokratischen Aufwand auch sehr reduzieren.
medianet: Welche Rolle nimmt den KI im Kontext von ESG-Reporting und der Green Claims Directive ein?
Franz: Also gerade bei den Nachhaltigkeitsberichten entwickeln sich da sicher viele neue und innovative Softwarelösungen. Denn da geht es natürlich um eine große Menge an Daten, die erhoben, analysiert und miteinander in Verbindung gebracht werden müssen. Das wird durch KI natürlich extrem erleichtert. Was uns aber nicht erspart bleibt, ist, dass man dabei die Zielsetzung nicht aus den Augen verliert. Wenn ich meinen Impact und meine Nachhaltigkeitsleistungen messe, dann muss das Ziel immer sein, mich in dieser Hinsicht zu verbessern.
Darum geht es im Endeffekt bei einer Umweltaussage ja auch: Es geht immer darum, etwas für die Umwelt zu verbessern, deshalb kauft der Konsument dann auch das Produkt, weil er damit einen Beitrag zur Umwelt und Nachhaltigkeit leisten möchte.