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© Valerie Voithofer

Redaktion 05.02.2021

„Viel Inszenierung, wenig Expertise”

Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, kritisiert Medienpolitik und -förderung.

••• Von Nadja Riahi

WIEN. Medien seien bei Kritik vorsichtiger geworden, Aussagen von Politikern werden aus Interviews geschnitten und Medienvertreter ausgeschlossen: Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, über die Situation der Pressefreiheit in Österreich, Medienpolitik und Presseförderung.

„Verglichen mit anderen Regionen, geht es uns in Österreich ganz gut”, sagt Möhring. „Das heißt nicht, dass man hier nicht auch aufpassen muss, denn es ist schon bemerkbar, dass auch westliche Politiker in Demokratien autokratische Züge ent­wickeln”, fährt Möhring fort.
„Wir wissen, dass das Bundeskanzleramt über 50 Medienmenschen hat, die den Auftritt des Kanzleramts vorbereiten”, so Möhring. Das merke man vor allem jetzt, während der Krise. „Die Corona-Pandemie wird von der Politik richtig verkauft, ohne dass da eine merkbare Strategie dahinter wäre. Man sieht schon, wie versucht wurde, die Medien zu manipulieren. Dadurch ist dann eine gewisse Verdrossenheit entstanden”, erzählt Rubina Möhring. Die Politiker haben sich inszeniert, Experten wurden erst spät hinzugezogen. Die Leute wollen nicht mehr. „Die Folge der Medienpolitik in 2020 ist eine Übersättigung der Hörer, Seher und Leser”, sagt Möhring.

Exklusive Einladungen

Bezeichnend für die aktuelle Bundesregierung sei nicht nur die Überpräsenz von Politikern in den Medien, sondern auch die Tatsache, dass bei Informationsgesprächen regelmäßig einige Medienvertreter nicht eingeladen werden. „Prinzipiell können die Politiker ja einladen, wen sie wollen; sie bedenken nur nicht, dass sich das relativ schnell herumspricht und kein gutes Licht auf die Regierung wirft”, sagt Möhring. „Die Medienlandschaft hier in Österreich ist so klein, dass viele Medien natürlich auch Sorge haben, zu viel Kritik zu üben, sodass sie dann keine Subventionen beziehungsweise keine Presseförderung mehr bekommen”, sagt Möhring.

Die aktuelle Presseförderung mache Möhring zufolge „einen merkwürdigen Eindruck”, denn: „Das meiste Geld bekommen Printmedien, die Boulevardmedien und zum Teil auch Gratismedien. Da gibt es kommerzielle Medien, die das meiste Geld bekommen, obwohl sie eigentlich sehr gut verdienen. Die bringen dann auch die meisten Interviews mit den maßgeblichen Politikern”, kritisiert Möhring.
Kleinere, regionale Medien, die sich um ethnische Minderheiten „kümmern”, bekommen nichts: „Da frage ich mich oft: Warum? Gerade Menschen aus autoritär geführten Staaten, also aus Diktaturen, müssen über die demokratiepolitische Situation informiert werden und das passiert am besten in ihrer eigenen Sprache”, sagt Möhring.
Die Medienpolitik sei sehr kurzfristig, es werde viel verschlampt. Das zeige auch der Umgang mit dem Anschlag, der vergangenen November in Wien verübt wurde. „Politiker rücken ihre eigenen Interessen in den Vordergrund, anstatt die medienpolitischen”, sagt Möhring.

Wie frei sind wir hier?

Die Situation der Pressefreiheit in Österreich hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Reporter ohne Grenzen veröffentlicht jedes Jahr die ­Rangliste der Pressefreiheit. „Österreich war mal auf Platz zehn”, erinnert sich Möhring. In den vergangenen Jahren fiel Österreich auf der Rangliste immer weiter ab – aktuell liegt Österreich auf Platz 18.

Die Spitzenreiter in puncto Pressefreiheit sind Norwegen auf Platz 1 und Finnland auf Platz 2. „Ich fürchte, dass Österreich auch im nächsten Jahr wieder runterfallen wird”, so Möhring. Der Auslöser dafür sei die Medienmanipulation. „Das ist wirklich etwas ganz ganz Schlimmes und ich habe das Gefühl, es ist den Politikern völlig egal. Wir sind Gott sei Dank ein kleines Land und deshalb nicht so wichtig”, lacht Möhring, und weiter: „Die Ereignisse in den USA sind viel schlimmer, da wird es auch sehr schwierig werden, das wieder einzufangen”, sagt Möhring. „Aber wir sehen, dass die Medien mit dem Abbau von Ex-Präsident Trump bereits wieder mutiger sind und sich trauen zu kritisieren. Aber eine Zeit lang waren sie sehr reserviert – aus Angst, Leser und Inserate zu verlieren”, sagt Möhring.

Wie in alten Zeiten

Für Möhring hat die Berichterstattung etwas von k.u.k.-Methoden. „Das wirkt ein bisschen wie Hofberichterstattung, denn in jedem Medium steht fast das Gleiche. Da gibt es eine Pressekonferenz oder Presseaussendung von der Regierung, und diese Informationen werden dann überall zum Aufmacher. Diese Vereinheitlichung der Information ist auch etwas Gefährliches, denn es wird – glaube ich – gleichzeitig viel unter den Teppich gekehrt ”, sagt Möhring.

Für die Zukunft

Auf die Frage, wo sie ansetzen würde, wenn sie morgen alles verändern dürfte, antwortet Möhring: „Ich würde die Presseförderung wirklich auf den Kopf stellen und dafür sorgen, dass das Geld vernünftig verteilt wird. Ich würde neben den regionalen und Minderheiten-programmen auch die Schülerzeitungen fördern, denn das sind möglicherweise die professionellen Journalisten von morgen.”

Außerdem möchte Möhring mehr für die mediale Bildung an Schulen sorgen. Denn Jugendliche sollen erkennen zu unterscheiden, wo ein Medium steht, was es heißt, eine gute Recherche zu erkennen und richtig zu lesen. „Eine Sache, die ich noch verändern würde, ist die Media Control durch die Politik. Medien sollen wieder die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, was für sie ein Aufmacher ist und was nicht”, sagt Möhring zum Abschluss.

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