••• Von Sascha Harold
WIEN. Einen neuen Sieger bringt das medianet xpert.Ranking in der Kategorie Branding & Design. Der Seriensieger e-dialog wurde heuer erstmals vom ersten auf den zweiten Platz verdrängt; dahinter liegt gosh!audio, die damit auch heuer wieder ein Top-Ergebnis einfahren. Der neue Sieger: VMLY&R. Erst 2019 hat sich die Agentur mit den beiden Geschäftsführern Sebastian Bayer und Alexander Hofmann neu aufgestellt, heuer reicht es neben dem Sieg in der Kategorie Branding & Design auch zu einer Top-Platzierung in der Kategorie Digital. CEO Sebastian Bayer spricht im Siegerinterview mit medianet über das herausfordernde – und letztlich erfolgreiche – letzte Jahr, den „experience gap”, unter dem viele Marken leiden, und den Weg, den VMLY&R in den nächsten fünf Jahren beschreiten will.
medianet: Aus dem Stand holt VMLY&R den ersten Platz in der Kategorie Branding & Design; was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Sebastian Bayer: Natürlich freuen wir uns immer über Auszeichnungen. Der erste Platz in der Kategorie Branding & Design ist für uns aber insofern besonders, als es belegt, dass VMLY&R heute mehr als eine klassische Werbeagentur ist. Wir beschäftigen uns seit Jahren mit dem Thema Markenpositionierung und -strategie sowie, damit verbunden, auch mit dem Feld Brand Design. Wir sind nämlich überzeugt, dass ein klares Bild von der eigenen Marke der Startpunkt jeglicher Kommunikation eines Unternehmens sein muss, um am Ende auch ein klares Bild und den Aufbau einer echten Beziehung erzielen zu können.
medianet: Das letzte Jahr war für viele herausfordernd; was waren für Sie persönlich die größten positiven Überraschungen?
Bayer: Überrascht hat mich sicher, wie schnell sich Dinge umgestellt haben, die davor noch schwer denkbar waren, und wir quasi von einem Tag auf den anderen die komplette Agentur auf Homeoffice umgestellt haben – aber das ist ja eigentlich allen so gegangen. Was ich darüber hinaus als sehr positiv erlebt habe, war, dass sich für uns ganz neue Chancen ergeben haben, die vor Corona so nicht absehbar waren. Zum Beispiel ist es uns gelungen, den Mazda Europa und Mazda Deutschland Kreativ-Etat nach Wien zu holen. Dadurch, dass plötzlich alle nur mehr über Screens an Kunden herantreten konnten, war auf einmal eine ‚Waffengleichheit' geschaffen und so konnten wir einfach mit der besten Idee überzeugen – vor Corona wäre das als österreichische Agentur deutlich schwieriger gewesen, weil man gefühlt für Kunden in anderen Ländern dann doch so weit weg war. Durch Corona ist die Welt dann doch ein Stück näher zusammengerückt.
medianet: Welches Projekt fanden Sie 2020 besonders spannend?
Bayer: Wir hatten vergangenes Jahr viele spannende Projekte und haben erstmals komplexe Markenpositionierungsprozesse 100% digital abgewickelt – mit hervorragenden Ergebnissen. Das Spannendste war es aber sicher, mitten im europaweiten Lockdown im Ausland große TV-Produktionen für Mazda Europa umzusetzen. Da war das Team schon sehr gefordert – aber am Ende ist man dann auch umso stolzer, wenn so etwas super klappt!
medianet: Und welche Neukunden konnten sie im letzten Jahr begrüßen?
Bayer: Ich möchte an der Stelle niemanden hervorheben, weil das immer so wirkt, als ob bestehende Kunden weniger wichtig als neue sind, und diese Logik lehne ich ab. Es gibt nichts Schöneres, als die Entwicklung einer Marke kontinuierlich zu betreiben und so zum Erfolg beitragen zu können. Aber ja, wir konnten einige schöne neue Kunden gewinnen und haben viel Freude daran, mit ihnen ihre Marke zu entwickeln.
medianet: VMLY&R ist auch in der Kategorie Digitalagenturen vorne dabei – ein Zeichen für die Breite der Agentur?
Bayer: Ich denke, es ist eher ein Zeichen dafür, dass man heutzutage zwischen digital und klassisch nicht mehr unterscheiden sollte. Wenn es darum geht, eine Marke mit den Menschen in Resonanz zu bringen, darf die Frage nicht mehr lauten, wie man das dann ‚auch digital' bewerkstelligt, sondern wie man die Menschen insgesamt am besten erreicht, und viel der Kommunikation läuft heute digital – da ist es nur logisch, dass man auch das können und verstehen muss.
medianet: Sie stellen die Brand Experience ins Zentrum Ihres Tuns; was heißt das für die tägliche Arbeit konkret?
Bayer: Fast alle Marken leiden heute unter einem sogenannten Experience Gap. Was meine ich damit? Sie versprechen ihren Kunden etwas anderes, als diese dann letztendlich erleben, wenn sie mit ihnen in Kontakt treten. Die Kunden sind dann logischerweise enttäuscht. Unser Modell setzt bewusst dort an, um den vorhandenen Gap zu schließen. Brand Experience läuft so ab: Der erste Schritt ist, die zentrale Markenidee mit unseren Kunden ganz klar herauszuarbeiten. Diese sollte differenzierend zu anderen Marken und relevant für die Menschen sein. Und um diesen zentralen Gedanken zu formulieren, muss man oft schon einen gewissen Aufwand betreiben, damit er richtig gut ist und etwas tut. Erschreckend viele Unternehmen (auch sehr große) können einem nicht sagen, was ihre zentrale Markenidee ist, warum es sie gibt und was damit auch ihre Daseinsberechtigung ist. Wir haben über die letzten Jahre sehr viel Expertise aufgebaut, um einzigartige Markenideen herauszuarbeiten – dafür nutzen wir auch unsere Markenstudie BAV –, das können wir mittlerweile richtig gut. Wenn man diese Markenidee hat, gilt es, diese in die Welt – zu den Menschen – zu bringen. Das tun wir, indem wir eine Brand Experience-Strategie entwickeln, für die wir relevante Zielgruppen definieren, deren Welt analysieren und darauf basierend die Journey mappen sowie an den Schlüsselmomenten Umsetzungen konzipieren. Das kann das Mitwirken an einem neuen Produkt, ein Image-Video, eine Social Media-Strategie, ein Community-Konzept, ein TV-Spot, eine digitale Kundenplattform, eine POS-Inszenierung oder ein Customer Service-Gesprächsleitfaden sein. Brand Experience schließt damit also auch die viel zitierte Customer Experience (CX) ein. Je nachdem, was den größten Hebel fürs Erleben der Marke verspricht, das empfehlen wir unseren Kunden und setzen wir für sie und mit ihnen um. Damit stellen wir sicher, dass wir die vorhandenen Mittel so effektiv wie möglich für die Marke einsetzen und nicht stur in vorgegebenen Mediakategorien arbeiten. Da wird jetzt zwar jeder sagen: Das machen wir auch nicht – letztlich machen das aber doch noch sehr viele, weil sie auch oft nicht wissen, wie sie es anders machen könnten. Da setzt Brand Experience letztlich an und dreht den Spieß um.
medianet: Wie sind Sie bisher ins Jahr 2021 gestartet?
Bayer: Sehr intensiv. Wieder viel zu tun, wieder lange Tage, wieder viel Zeit vorm Bildschirm. Aber auch damit sind wir nicht alleine, denke ich … und ich will mich auch nicht beschweren.
medianet: Blicken wir zum Abschluss in die Zukunft: Wo soll VMLY&R in fünf Jahren stehen?
Bayer: Ich denke, dass Brand Experience – das heute für viele noch wie das nächste Buzzword gilt, das jetzt halt getrommelt wird – zum Marktstandard geworden sein wird, weil die herkömmliche Art, Kommunikation und Marketing zu betreiben, irgendwann nicht mehr effektiv genug war. Dann wird VMLY&R eine der führenden Agenturen sein und mit tollen Marken daran arbeiten, einen festen Platz im Leben der Menschen zu haben. Insgesamt glaube ich übrigens, dass die Rolle des CEOs dann in führenden Unternehmen der des Chief Brand Officers – denn Marke sollte Chefsache sein und Marke und Marketing hören sich zwar auf deutsch ähnlich an, sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe – und die Rolle des CMOs der des Chief Experience Officers gewichen sein wird.