••• Von Gianna Schöneich
WIEN. „Meine Mutter hatte eine natürliche Dauerwelle”, erzählt Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer, während die Visagistin seine Haare mit Haarspray fixiert. Von der Maske geht es in die Prunksäle der österreichischen Nationalbibliothek, wo Martin Thür, der ATV „Klartext”-Moderator, bereits wartet. Zwei, drei Pressefotos, die Filmklappe schlägt zu und das Interview beginnt.
Am 24. April wird Österreich seinen Bundespräsidenten wählen. Der Wahlkampf hat begonnen – auf allen Kanälen. medianet war zu Gast bei „Klartext” und warf im Zuge dessen einen Blick hinter die mediale Kulisse der Wahl 2016.
Hundstorfer startete in den Wahlkampf mit einem sehr persönlichen Video, in welchem er von seiner Familie und seiner Lebensgeschichte erzählt. „Wir sehen einen Trend, dass sich Menschen immer weniger intensiv mit Politik auseinandersetzen. Damit gewinnen weiche Faktoren an Bedeutung. Dazu zählt, dass man die Kandidaten mag, auch als Menschen. Das kann Stimmen bringen. Die Herausforderung ist, mit der Personalisierung nicht die Wähler zu verprellen, die sich substanzielle Argumente wünschen und keine persönlichen Informationen. Es kommt heutzutage auf beides an. Politik geht nicht ohne Botschaften und sie geht immer weniger ohne Persönliches”, erklärt Jörg Matthes, Kommunikationsforscher am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften in Wien, auf Nachfrage von medianet.
Klare Botschaften, bitte!
Das ATV-Format Klartext will hier klare Antworten, und Martin Thür fragte am 4. April erbarmungslos, fern von Privatem oder persönlichen Erlebnissen. Es geht um Botschaften.
Im Herbst 2014 mit ATV-Moderator Thür gestartet, läuft das neue Konzept des Polit-Talk, mittlerweile in der vierten Staffel. Die Grundidee ist gleich geblieben: Keine Duelle zwischen den Kandidaten, nur Thür, Konfrontationen und eine knackige Fragenabfolge.
Die ursprüngliche Sendezeit des Polit-Talks, um 23:25 auf ATV, wurde seitens der Zuschauer stark kritisiert – ein zu später Sendeplatz, so die Reaktion. Jetzt kann man die Sendung auch um 19:45 Uhr auf ATV2 verfolgen und um 20:15 auf www.atv.at/klartext.at
Der Kampf auf allen Kanälen
Im Wahlkamf sollen zwei Funktionen erfüllt werden: Information und Mobilisierung. Zu erreichen ist dies mit den Massenmedien. Nicht nur im TV, sondern auf allen Kanälen müssen sich die Kandidaten der Hofburgwahl zu präsentieren wissen. Auf Facebook wird fleißig geteilt, es wird getwittert, neben ein paar Zeitungsinterviews präsentiert man sich auf YouTube und auch auf Wahlplakaten.
„Politiker müssen das gesamte Portfolio bedienen, um viele Menschen zu erreichen; die klassischen Medien reichen nicht mehr aus”, so Matthes.
Ein bisschen Politainment
Passend zum vergangenen Osterfest, spielte Hundstorfer in einem Video Eierpecken. Was hier betrieben wird, nennt sich Politainment, die unterhaltsame Präsentation von Politik an Orten, wo man sie nicht erwartet: „Politainment hat den Vorteil, dass man nicht nur durch Argumente überzeugen kann, sondern auch durch weiche Faktoren, wie Humor oder der eigenen Persönlichkeit. Zudem erreicht man damit Wähler, die sich sonst kaum für Politik interessieren, wohl aber für Unterhaltungsangebote. Statistisch gesehen sind diese am leichtesten zu beeinflussen, genau weil sie Politik wenig verfolgen”, erklärt Matthes.
Die meisten „Gefällt mir”-Klicks auf Facebook hat die Seite von Norber Hofer, Kandidat der FPÖ; mit 57.941 „Likes” (Stand 6. April) führt er die Liste an. Schlusslicht Lugner kann hingegen lediglich 2.809 Klicks verzeichnen. Ist damit die Wahl schon entschieden? Kann man „Likes” in Wählerstimmen umrechnen? „Ja, das zeigen die Studien”, so Matthes. „Der Effekt ist zwar gering, aber er ist da. Und in vielen Wahlen sind genau diese 1 bis 2 Prozent entscheidend. Grund ist die Vernetzung: Die Kandidaten, die breit durch Facebook vernetzt sind, können am Wahltag besser mobilisieren. Das bringt Stimmen”, so der Kommunikationsforscher.
Ein Wahlkampf kostet und er braucht seine Zeit. Das Fairnessabkommen sollte beides regeln: Die Intensivphase des Wahlkampfs begann vier Wochen vor dem Wahlkampf, die Plakatierung an fixen Stellen sowie das Schalten von Inseraten durfte nicht vor dem 28. März erfolgen. Auch die Anzahl der Plakatflächen selbst ist beschränkt: Maximal 2.250 Groß- und maximal 20.000 Kleinflächen dürfen plakatiert werden. Auf eine Kostenbeschränkung konnte man sich nicht einigen. Nicht am Fairnessabkommen beteiligt ist die FPÖ.
Einmal tief durchatmen
Während die Journalisten im eigens eingerichteten Pressebereich in der Nationalbibliothek sitzen und das Klartext-Interview mit Hundstorfer über einen Monitor verfolgen, muss sich dieser den Fragen von Thür zu seiner Präsidentschaft beim Österreichischen Gewerkschaftsbund, zur Flüchtlingskrise und zu seinem Gehalt stellen. Da muss tief durchgeatmet werden.
Bei der Frage, ob Werner Faymann der bestmögliche Kanzler ist, wird es kurz etwas hektisch: „Die Koalition ist wie sie ist, deswegen stellt sich diese Funfrage nicht”, erklärt Hundstorfer. Dabei wollte Thür doch keine „bösartige Frage” stellen. Nach einer halben Stunde ist es wieder vorbei, das Interview. Der Wahlkampf geht weiter.