Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
ES REICHT. Der „Big Quit”, die „Great Resignation”, die „große Kündigungswelle”, wie auch immer man es nennen mag, startete im Vorjahr in den USA. Arbeitnehmer in Niedriglohnbranchen warfen ihre Jobs hin. In vorher nicht gekannten Dimensionen. Als eine Art „Generalstreik” interpretierten das einige US-Arbeitsmarktexperten. Zu den gesundheitlichen Risiken am Arbeitsmarkt gesellten sich, so die einschlägigen Studien, coronabedingte „Nachdenkpausen”, die die Menschen dazu bewogen, ihre Situation und Karriereperspektiven zu überdenken. Dazu beigetragen habe auch die Diskussion rund um die alternative Erbringung von Leistungen von zu Hause aus. Viele Inhaber von Schreibtischjobs begannen über die Sinnhaftigkeit langer Arbeitswege nachzudenken, viele Arbeitgeber nicht. Jüngere Generationen sehen sich in ihren Erwartungen nach mehr Leben trotz und neben der Erwerbsarbeit schon seit Längerem enttäuscht.
Die größten Probleme mit dem beschleunigten „Quit” ihrer Beschäftigten hat, das kommt uns hierzulande bekannt vor, die Gastronomie- und Hotelleriebranche. Auch in den USA gab es während der Pandemie Ausgleichs- und Hilfszahlungen, die ebenso ein Überleben und nicht viel mehr ermöglichten wie viele extrem schlecht entlohnte „Low-wage-jobs”. Dazu kommen Millionen von Menschen, die an Folgeschäden einer Covid-Erkrankung laborieren.
Mysteriös ist das Phänomen der Massenkündigungen deshalb, weil Arbeitnehmer in Krisenzeiten im Regelfall risikoavers agieren:. „Das Narrativ einer kollektiven Sinnkrise wirft indes Fragen auf – denn die wenigsten können es sich finanziell leisten, die Arbeit ruhen zu lassen, um fortan den Duft der Rosen zu genießen.” (NZZ)
Die Finanzkrise 2007/08 beispielsweise hatte keinen vergleichbaren Effekt.
Angestellte kündigen allerdings vor allem dann, wenn sie auf einem einladend wirkenden Arbeitsmarkt mit lukrativeren Angeboten rechnen können – und müssen. Die Lohn-Preis-Spirale dreht sich.