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Redaktion 23.03.2018

Wie digital ist der ­Mittelstand?

Die Zweiklassengesellschaft im österreichischen Mittelstand driftet ­immer weiter auseinander und wird vom Fachkräftemangel gebremst.

Es wird geschätzt, dass 1993 lediglich drei Prozent der weltweiten technologischen Informationskapazität digital waren; 2007 waren es schon beachtliche 94%.

Heute sprechen schon die ersten Fachleute vom Unternehmen 5.0. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young Wien machte sich daran und überprüfte die aktuelle Entwicklung in einer Studie über den digitalen Wandel im österreichischen Mittelstand.
Das Ergebnis zeigt, dass die Digitalisierung bei Österreichs Mittelstandsunternehmen weiter zunimmt – gleichzeitig bildet sich dadurch aber eine digitale Zweiklassengesellschaft: Während große Unternehmen immer stärker auf digitale Technologien setzen, zeichnet sich bei kleinen Unternehmen ein gegenteiliger Trend ab.

30 Millionen-Break

So geben nur 51 Prozent der mittelständischen Betriebe mit weniger als 30 Millionen Euro Umsatz an, dass digitale Technologien bei ihnen eine sehr große oder mittelgroße Rolle spielen; vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 56 Prozent.

Im Gegensatz dazu setzen bereits 73 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz auf digitale Technologien; bei der letzten Befragung Anfang 2017 waren es erst 66 Prozent.
Bei den Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 30 Millionen und 100 Millionen Euro ist der Anteil fast gleich geblieben (58 Prozent im Vergleich zu 59 Prozent im Vorjahr).
Insgesamt spielen digitale Technologien bei der Mehrheit der Unternehmen in Österreich (56 Prozent) eine mittelgroße bis sehr große Rolle für das Geschäftsmodell, bei jedem fünften Unternehmen sind sie sogar ein integraler Bestandteil. Allerdings geben auch 44 Prozent – und damit etwas mehr als im Vorjahr (42 Prozent) – an, dass digitale Technologien für sie keine oder nur eine geringe Relevanz haben.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 900 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern in Österreich befragt wurden. Entsprechend bewerten die kleineren Unternehmen die Digitalisierung auch deutlich weniger optimistisch. 61 Prozent der Mittelständler sehen eine Chance durch die neuen Technologien, bei den großen Unternehmen mit über 100 Millionen Euro Umsatz ist der Anteil mit knapp 84 Prozent deutlich höher. Unternehmen mit 30 bis 100 Millionen Euro Umsatz liegen mit rund 75 Prozent im Mittelfeld.

Die Ursachen

Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich, warnt vor einer größer werdenden Kluft: „Der österreichische Mittelstand steht am Scheideweg”, denn kleinere Unternehmen hätten nicht die nötigen Mittel, um in neue Technologien zu investieren. „Zudem haben sie es am Arbeitsmarkt oft schwerer, die nötigen Fachkräfte zu finden, da sie weniger bekannt sind als größere Unternehmen. Dadurch geraten sie aber schnell ins Hintertreffen, weil sie beispielsweise ihre Lieferketten nicht durch Auswertung von Echtzeitdaten optimieren oder ihre Kundenbeziehungen digital pflegen können”, beschreibt Reimoser die Situation.

Diese Entwicklung drohe sich weiter zu beschleunigen, so Reimoser: „Digitalisierung darf keine Frage der Unternehmensgröße sein. Sie betrifft jedes Unternehmen, vom Ein-Personen-Unternehmen bis zum Konzern. Es ist alarmierend, wenn digitale Technologien immer noch für die Hälfte der heimischen Unternehmen keine oder nur eine geringe Rolle spielen. Auch kleinere Unternehmen können durch Digitalisierung flexibler werden und viel Geld, Zeit und Ressourcen sparen. Wenn Unternehmen das Geld und das Personal fehlen, müssen sie kreativer werden, um trotzdem mit der Entwicklung Schritt zu halten. Kooperationen mit anderen Unternehmen oder mit einer Forschungseinrichtung können sinnvolle Alternativen sein.”

Bremse Fachkräftemangel

Der Personalmangel stellt die größte Bedrohung für die Zukunftsfähigkeit des österreichischen Mittelstands dar: Nach wie vor klagt rund jeder Zehnte (9%), dass ihm die Mitarbeiter fehlen, um überhaupt oder mehr in die Digitalisierung zu investieren. Zweitgrößtes Problem sind aktuell finanzielle Hürden (8%), die vor einem Jahr noch auf Platz eins rangierten.

Weitere fünf Prozent der Mittelständler haben nach eigener Einschätzung nicht das nötige Know-how für die Digitalisierung. Das kann schnell zu Nachteilen im Wettbewerb führen. So setzen Wachstumsunternehmen – also solche, die mit mehr als drei Prozent Wachstum im Jahr 2018 rechnen – stärker auf digitale Technologien als Unternehmen mit weniger guten Geschäftsaussichten. Die digitale Zweiklassengesellschaft verfestigt sich. Bei 61 Prozent der besonders dynamisch wachsenden Unternehmen spielen digitale Technologien eine wichtige Rolle, im gesamten Mittelstand nur bei 56 Prozent. Gar keine Rolle spielen digitale Technologien nur bei 14 Prozent der Wachstumsunternehmen; im gesamten Mittelstand ist der Anteil mit 20 Prozent höher.

Von Spreu & Weizen

„Einige erfolgreiche Unternehmen nutzen längst beherzt die Chancen, die ihnen digitale Technologien bieten – sie stellen beispielsweise die Lieferanten- und die Kundenbeziehungen konsequent auf digitale Technologien um und können ihre Marktposition ausbauen. Auf der anderen Seite warten immer noch viele Unternehmen ab und zögern die notwendigen Investitionen hinaus. Die ausbleibende Digitalisierung bei diesen Unternehmen kann sich schnell rächen. Im schlimmsten Fall ist sogar die Existenz in Gefahr, wenn die Unternehmen den Anschluss an den Wettbewerb verlieren oder wenn unerwartet neue Konkurrenten mit digitalen Lösungen auftauchen und etablierte Geschäftsbeziehungen gefährden”, so Reimoser.

Dabei empfindet eine Mehrheit von 69 Prozent der österreichischen Unternehmen – etwas mehr als im Vorjahr (66 Prozent) – die Digitalisierung als Chance, bei den Wachstumsunternehmen beträgt der Anteil sogar 76 Prozent. „Zahlreiche Unternehmen haben ihren Vertrieb oder ihre Produktion bereits erfolgreich modernisiert. Sie passen sich flexibel an neue Herausforderungen an und integrieren digitale Technologien in ihre Produkte und in die eigenen Unternehmensabläufe. Allerdings gibt es auch Unternehmen, die nicht so stark in Zukunftstechnologien investieren können, wie sie gern würden.”

Schlüsselfaktor Personalpolitik

Sicherheit und Mitarbeiter sind aus Sicht vieler Unternehmer der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitalisierung: 42 Prozent schreiben Cybersecurity eine große Relevanz bei der Digitalisierung zu, 39 Prozent erkennen in den gestiegenen Anforderungen an die Kompetenz der Mitarbeiter eine große Bedeutung. 32 Prozent betrachten die Entwicklung neuer Vertriebswege als zentrale Herausforderung. Das zeige, dass eine strategische und moderne Personalpolitik immer mehr zum Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung wird, so Reimoser. „Es ist ein Alarmsignal, dass jedes zehnte Unternehmen wegen fehlenden Personals Investitionen in die Digitalisierung unterlässt. Gut ausgebildete Fachkräfte sind inzwischen nur noch schwer zu finden, weil der Arbeitsmarkt momentan fast leergefegt ist. Unternehmen müssen deswegen langfristig planen und mit Voraussicht suchen, ihren Mitarbeitern regelmäßige Fort- und Weiterbildungen anbieten und sich insgesamt als attraktiver Arbeitgeber positionieren.”

Wien voraus

Im Bundesländerranking liegen Unternehmen mit Sitz in Wien vorn: 66 Prozent der Unternehmen in der Hauptstadt geben an, dass die Digitalisierung bereits jetzt große Bedeutung für das eigene Geschäftsmodell hat. Damit untermauert Wien seinen Status als digitaler Hotspot Österreichs vor der Steiermark (62 Prozent), die sich im Vergleich zur letzten Befragung von Platz sechs auf Platz zwei vorschiebt. Auf Rang drei folgt Salzburg (59 Prozent). Schlusslichter sind wie schon bei der letzten Befragung das Burgenland (45 Prozent), Oberösterreich und Niederösterreich (je 51 Prozent). Am optimistischsten wird die Digitalisierung in der Steiermark eingeschätzt: Dort sehen sie 76 Prozent als Chance. Dahinter folgen Niederösterreich und Oberösterreich (je 73 Prozent). Am negativsten eingestellt sind wie schon Anfang 2017 Unternehmen im Burgenland: Dort sieht nicht einmal die Hälfte (47 Prozent) eine Chance in der Digitalisierung.

Finanz und Händler

Insbesondere die heimischen (Finanz-)Dienstleister setzen bereits heute stark auf Digitalisierung. Bei 28 Prozent spielt sie eine sehr große Rolle – im österreichweiten Durchschnitt liegt der Anteil nur bei 20 Prozent. Auch Handel und Industrie setzen mit 22 Prozent beziehungsweise 21 Prozent überdurchschnittlich stark auf digitale Technologien. Künftig wollen vor allem Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich und dem Industriesektor stärker in digitale Technologien investieren – dort sehen 78 Prozent bzw. 77 Prozent die Digitalisierung als Chance.

Vertrieb & Produktion

Aus dem Vertrieb ist die Digitalisierung fast gar nicht mehr wegzudenken. Vor allem die Kundenbeziehungen werden immer stärker digital organisiert: 76 Prozent der heimischen Unternehmen nutzen digitale Technologien dafür – deutlich mehr als noch vor einem Jahr (68 Prozent). Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets werden wie im Vorjahr in 62 Prozent der Unternehmen eingesetzt. 49 Prozent wickeln Verkauf und Bezahlung online ab. Auf dem Vormarsch ist die automatisierte Produktion (Industrie 4.0), die 35 Prozent und damit deutlich mehr als Anfang 2017 (26 Prozent) nutzen. Indes bieten nur 15 Prozent (2017: 14%) eigene digitale Produkte an. (skf/fej)

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