••• Von Dinko Fejzuli
Das Thema Corona ist allgegenwärtig, nicht nur, aber vor allem auch in der Kommunikations- und Marketingbranche, und jeder stellt sich die Frage, wie sehr wird mich die Krise treffen und welche Möglichkeiten habe ich, um eventuell entgegenzusteuern.
Um mehr Licht ins allgemeine Dunkel zu bringen, lud die International Advertising Association IAA unter dem Titel „How to navigate through and survive after recession” zu einem weiteren Webinar mit ausgewiesenen Experten, und es fanden sich über 100 Interessierte, die nicht nur den Ausführungen der Experten lauschen konnten, sondern am Ende des Online-Panels auch Fragen stellen konnten.
Die Experten dieses Mal waren: David Buttle (Global Marketing Director at Financial Times), Rishi Chande (Global Commercial Director at Captify), Peter Field (Autor, Keynote-Speaker) und Kerrie Finch (Gründungsgesellschafter bei der Agentur Futurefactor).
Marketing nicht reduzieren
Eines vorweg: Auch die Experten wissen nicht, wie lange die Auswirkungen von Corona zu spüren sein werden, doch bei einer Frage waren sich alle einig: Wer jetzt aus vielleicht durchaus nachvollziehbaren Gründen Marketingbudgets kürzt, schwächt unter Umständen seine Marke und verpasst auf jeden Fall, nachhaltig in diese zu investieren – auch, weil sich jetzt quasi durch die Passivität vieler Mitbewerber eine Art Aufmerksamkeitslücke auftut, die man aktuell zu recht „günstigen” Konditionen füllen sollte.
Dazu findet Peter Field durchaus drastische Worte: „Wer jetzt kürzt, wird es bereuen, diese Lücke nicht genutzt zu haben, denn in einem halben Jahr sind die andere auch wieder zurück. Der ROI ist jetzt viel größer.” Das zeitliche Fenster für nun langfristig nachhaltige Investitionen in die Marke sieht Field bei sechs bis durchaus noch 24 Monaten.
Kerrie Finch pflichtet Field bei, wenn sei meint: „Jetzt ist nicht die Zeit, das Licht auszumachen.”
Es sei genau das Gegenteil der Fall, so auch David Buttle, der ebenfalls der Meinung ist, dass jetzt die richtige Zeit sei, die Marke zu stärken. Buttle dazu: „Jetzt ist die Zeit günstig, denn die Erholung wird kommen und dann wird es wieder schwieriger.”
Die positiven Seiten der Krise
Und was sollen jene Branchen tun, die derzeit nicht nur besonders hart getroffen sind, etwa durch den Lockdown, wie beispielsweise die Reisebranche?
Auch hier plädieren die Experten, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, auch wenn man Verständnis zeigt, dass gerade diese Branchen derzeit vermutlich den gut gemeinten Ratschlägen aus verständlichen Gründen eher nicht folgen werden können.
Generell solle man alles unternehmen, um „am Radar zu bleiben”, so der Ratschlag von Field in Richtung der arg gebeutelten Sektoren.
Bei all den negativen Nachrichten stellten sich die Experten die Frage, ob denn so einer Krise auch positive Dinge abgerungen werden könnten und hier ist die Antwort: ja.
Krisenkinder Uber & Co
Rishi Chande dazu: „ Unternehmen wie Slack, Uber oder AirBnb sind Marken, die aus der Krise entstanden sind, weil jemand genau beobachten konnte, wie sich Menschen in Krisen verhalten und wie ihre neuen Bedürfnisse aussehen.”
Diese sei zum Teil auch in der Medienbranche zu beobachten, so David Buttle. So seien in der aktuellen Krise die Digital-Abos bei seinem Unternehmen, der Financial Times, deutlich gestiegen. Der Wermutstropfen an der Geschichte bleibt aber, dass man damit natürlich die Abgänge, die Corona verursacht hat, nicht kompensieren wird können.
Und eine Frage, die sich manche nur hinter vorgehaltener Hand zu stellen trauen, nämlich, ob es denn auch „Gewinner” der Krise gäbe, blieb beim IAA-Webinar nicht unbeantwortet.
Ja, auch die gibt es. So gehören nicht nur die Telcos dazu, die den gestiegenen Kommunikationsbedarf abdecken, sondern auch die eGaming- und eSport-Branche zählen ebenfalls zu den Gewinnern, wie auch all jene Unternehmen, die den vielen Menschen, die nun zu Hause bleiben müssten, die verordnete Quarantäne mit Produkten wie Pizza oder Süßem erleichtern.
Erste Learnings gibt auch bereits. So haben die nun massenhaft angestiegenen Video-Calls, da man sich ja nicht persönlich treffen kann, gezeigt, dass man künftig vermutlich auf die eine oder andere Dienstreise verzichten wird können, was nicht nur die Airlinebranche, sondern auch die Hotellerie eher weniger freuen wird.
Und so meinte einer der Zuhörer des Webinars abschließend: „Unternehmen wie Netflix zeigen, dass man die digitalen Kommunikationswege für neue TV-Produkte nutzen kann und dank Tools wie Zoom werden wir lernen, Geschäfte künftig verstärkt über Video-Calls zu machen.”
Und was bedeutet dies alles für die Globalisierung, die ja erst durch die Skalierung vieler Produkte und Dienstleistungen und damit deren kostengünstige globale Verbreitung möglich geworden ist? Diese werde vermutlich zumindest für den Moment etwas zurückgedrängt; wie nachhaltig diese Entwicklung sei, das könne derzeit natürlich niemand sagen.