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britta biron 01.09.2017

Zielgenaue Werbung bei Tag und bei Nacht

Buchstäblich leuchtende Beispiele von Außenwerbung gibt es nicht nur in der Bundeshauptstadt.

••• Von Britta Biron

 

Wien ist anders”, stand lange Zeit auf Plakaten entlang der großen Zufahrtsstraßen, und auch wenn die Donaumetropole im Zuge der Globalisierung in vielen Bereichen anderen Großstädten mittlerweile sehr ähnlich ist – bei der Außenwerbung ist sie wirklich anders.

Zwischen Tradition …

„Wien ist mit dem Fokus auf seinen historischen Stadtkern, der UNESCO-Weltkulturerbe ist, für grell leuchtende und stark animierte Werbeformen in der Größenordnung einer durchschnittlichen Wohnung oder mehr gänzlich ungeeignet”, meint Gewista-Chef Franz Solta und weist darauf hin, dass hier auch die generelle Einstellung der Passanten eine andere ist als zum Beispiel in Tokio oder New York.

„In einer pulsierenden Großstadt führt kein Weg mehr an Außenwerbung vorbei. An hochfrequenten Straßen und Plätzen, an Bahnhöfen, auf Großveranstaltungen sowie im Linienverkehr oder im direkten Umfeld des Point of Sales steht sie im permanenten Kontakt mit den Menschen und trägt somit auch maßgeblich zum Stadtbild bei. Mit unserem digitalen Netz sind wir sehr darauf bedacht, flächendeckend, informativ, innovativ und auffallend, aber keinesfalls aufdringlich zu wirken”, erläutert Epamedia-Chefin Brigitte Ecker und verweist auf die strengen Vorschriften.

… und Moderne

Was im jeweiligen Fall erlaubt ist, hängt nicht nur von den generell geltenden Vorschriften, sondern auch von der Gegend und dem Gebäude ab. So dürfen Werbeträger und Portalbeschriftung von Geschäften in Einkaufsstraßen größer und markanter ausfallen als in den angrenzenden Nebenstraßen.

„Wien hat eine eigene Charakteristik, zu der blinkende Lichtermeere, die in anderen Metropolen üblich sind, einfach nicht passen”, sagt Robert Kniefacz, Leiter des Dezernats Begutachtung in der MA19 Architektur und Stadtgestaltung und damit oberste Instanz der Stadt für alles, was sich werbemäßig auf den Gebäuden Wiens abspielt.
Klasse statt Masse lautet daher die Devise, die in den letzten 20 Jahren sogar zu einer deutlichen Reduzierung der Werbeflächen geführt hat, ohne dass der eigentliche Sinn der Werbung – die Information der Konsumenten – gelitten hätte.
Möglich wird das vor allem durch moderne Technik, mit der Werbebotschaften smart, interaktiv und mobil geworden sind.
Solta dazu: „Die Digitalisierung stellt einen neuen, nicht unwesentlichen Bestandteil der Außenwerbung dar und ist das Out of Home-Medium, welches die größten Wachstumsraten verzeichnet.”
„Mit der zunehmenden Digitalisierung wird eine neue Möglichkeit geboten, die jeweiligen Marken oder Produkte zu präsentieren. Gerade unsere Posterlights und interaktiven Citylights bieten hier ein multisensuales Marketing für alle Sinne. Bei den Gestaltungsmöglichkeiten sind uns kaum Grenzen gesetzt: Digitale Screens, Bewegtbild, Duftmarketing und erste Touchpoints, die dann im Social-Media-Bereich weitergeführt werden können”, nennt Ecker einige Beispiele.

DOOH fällt auf

Und die digitale Außenwerbung kommt bei den Zielgruppen gut an.

„Vor allem, weil sie einen Mehrwert bieten, wie etwa eingebaute Defibrillatoren oder City-Info-Terminals. Positive Rückmeldungen erreichen uns auch regelmäßig zu den hinterleuchteten City Lights in unseren Wartehäuschen der öffentlichen Verkehrsmittel, die Nutzern und Passanten das Gefühl der Sicherheit vermitteln”, erklärt Solta.
Doch das Licht hat auch seine Schattenseiten: Light Pollution, die nicht nur den Blick in den Sternenhimmel trübt, sondern in der Stadt und ihrem Umland den Biorhythmus von Mensch und Tier empfindlich stört, ist natürlich auch in Wien ein Thema, obwohl die Beleuchtung von Straßen, Sehenswürdigkeiten und Geschäften hier deutlich dezenter ausfällt als in anderen Großstädten.
„Unsere Citylights und Posterlights leuchten acht Stunden ab der Dämmerung  – also nicht die ganze Nacht. Die alljährige Weihnachtsbeleuchtung ist um einiges intensiver als digitale Werbeflächen oder beleuchtete Auslagen am Boden”, sagt Ecker.
In einem groß angelegten Forschungsprojekt hatte die Kuffner Sternwarte in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum und mit Unterstützung der Stadt Wien im Vorjahr mittels Helikop­ter die Lichtflut über der Stadt aus 216 Richtungen erfassen lassen. Damit ist Wien weltweit die erste Stadt, die über eine vollständige Lichtbilanz verfügt.
Diese beträgt 30 Megawatt und verbraucht pro Jahr 90 Gigawattstunden Energie. Die hellsten Lichtquellen der Stadt strahlen mit mehreren Millionen Candela (1 Candela entspricht der Lichtstärke einer Kerze).
Die Studienergebnisse sollen jetzt genutzt werden, um bei den zuständigen Stellen und der Bevölkerung mehr Bewusstsein für das Thema Lichtsmog zu schaffen und nach dem Vorbild von Slowenien, Tschechien oder einigen Regionen in Italien strengere Richtlinien für die Gebäude- und Geschäftsbeleuchtung anzustoßen.
„Man wird hier mit Sicherheit eine sinnvolle Lösung finden”, ist Ecker überzeugt.
Initiativen gibt es in Wien aber nicht nur zum Schutz des Nachthimmels, sondern auch jenem historischer Werbeschriften. Im Vorjahr hat der Kommunikationsprofi Tom Koch gemeinsam mit den Fotografen Daniel Gerersdorfer und Stephan Doleschal das Buch „Ghostletters” herausgebracht. Es zeigt die vielfältigen Spuren, die diese Schriften selbst noch Jahre nach ihrer Demontage auf den Fassaden der Gebäude und im Stadtbild hinterlassen.

Erste Sign Week Vienna

„Einen Gutteil ihrer Identität beziehen Städte durch die Beschriftungen von Fassaden und anderen Flächen des urbanen Raums. Wien hat eine große Tradition der individuellen Stadtbeschriftung und eine besondere Signkultur, die allerdings durch die Verbreitung internationaler Handelsketten zunehmend bedroht ist”, meint Koch, auf dessen Initiative vom 19. bis 27. September erstmals die Sign Week Vienna stattfinden wird. „Unser Ziel ist einerseits, die Awareness der Wiener Bevölkerung für den Formenreichtum alter Schilder und Schriften zu schärfen und diesen damit das Überleben zu sichern. Andererseits wollen wir Wien im internationalen Vergleich eine gebührende Stellung als einen der letzten Orte mit einer besonderen Sign-Kultur verschaffen.”

Spannende Ausstellungen …

Im Rahmen der Veranstaltung sind zwei Ausstellungen geplant. Jene in der KMG Art Galerie zeigt außergewöhnliche Schilder aus unterschiedlichen Kulturkreisen und wie die Globalisierung die Typografie einer Stadt ändert. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Gegenüberstellung von Wien und Havanna. Für die kubanische Hauptstadt habe man sich, so Koch, deshalb entschieden, weil dort bereits viel für den Erhalt des historischen Schildererbes getan wird.

Die Schildermalerwerkstätte Samuel – das letzte Überbleibsel aus jener Zeit, als Wien die weltweite Hochburg der Schildermaler war und jetzt Standort des einzigen Schildermalermuseums in Europa – präsentiert seltene Schildermalerarbeiten aus vier Generationen, das älteste Exponat stammt aus dem Jahr 1877.

… Exkursionen & Workshops

Daneben bietet die Sign Week Vienna eine Vielzahl von Workshops – etwa unter Leitung von Mike Meyers, dem Shootingstar unter den Schildermalern – sowie verschiedene Vorträge, eine Filmpremiere und eine Reihe von geführten Exkursionen zu historisch und typografisch besonders interessanten Geschäften.

Im Vorfeld der Sign Week hatte Koch gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien auch einen Wettbewerb für die Gestaltung von Ladenfronten ausgeschrieben. Vergeben wird er in zwei Kategorien: Bester Umgang mit einem alten Geschäftsportal und Gelungenste Umsetzung eines neuen Portals. Die Gewinner jeder Kategorie erhalten ein Preisgeld von 2.000 €.
Derzeit sichtet die Expertenjury die eingelangten Bewerbungen, die Sieger werden im Rahmen eines Events im Schikaneder Kino am 21. September präsentiert und ausgezeichnet.

Typografisches Erbe

An der Sign Week Vienna beteiligt sich auch der 2009 von Birgit Ecker und Roland Hörmann gegründete Verein Stadtschriften, der mittlerweile über einen Fundus historischer Schilder von rund 100 Wiener Geschäftslokalen verfügt.

Ein kleiner Teil ist seit 2014 auf einer Feuermauer in der Kleinen Sperlgasse im 2. Bezirk permanent ausgestellt, seit 2016 gibt es in der Liniengasse 2a im 6. Bezirk auch einen kleinen Schauraum, der gegen Terminreservierung besucht werden.
„Viele Leute finden es sympathisch, dass wir das stadttypografische Erbe als öffentliches Kulturgut ansehen, das für alle erhalten bleiben soll. Bei unseren Ausstellungen hat sich gezeigt, dass die Leute oft sehr persönliche Erinnerungen und Geschichten mit manchen Schriftzügen verbinden”, sagt Ecker.
Wie in anderen Metropolen gibt es auch in Wien eine Community, die nach erhaltenswerten Schriftzügen und Logos Ausschau hält und ihre Funde über die Sozialen Netzwerke präsentiert.
Auch das Feedback seitens der Bezirksverwaltungen oder der Gebietsbetreuung sei durchwegs positiv. „Eine Förderungsansage der MA7 haben wir aber schon erhalten”, freuen sich die Schilderschützer. Die Reaktion von Hauseigentümerin, Neumietern und Hausverwaltungen fallen dagegen sehr unterschiedlich aus. „Ausgeprägte Hilfsbereitschaft oder aktive Unterstützung sind selten, dafür aber umso erfreulicher. Nett sind die Fälle, in denen Bauarbeiter anbieten, die Schrift gegen ein Trinkgeld abzumontieren, weniger nett dagegen manche Hausbesitzer und -verwaltungen, die Geld dafür verlangen, dass wir die Schilder selbst abmontieren.”

Display der Zukunft

Ob die heutige Außenwerbung in einigen Jahrzehnten ebenfalls als schützenswertes Kulturgut angesehen wird, bezweifeln Ecker und Hörmann allerdings: „Das Schild hat seinen ursprünglichen Zweck verloren, nämlich dass Kunden sich anhand des ‚Aushängeschilds' des hohen Qualitätsanspruchs eines Betriebes vergewissern können.”

Aber das Display, das TriLite, ein Spin-off der TU Wien, entwickelt hat, hätte wahrscheinlich gute Chancen, in die künftigen Annalen der Werbegeschichte einzugehen.
Denn es sendet mittels spezieller Mikrooptiken und beweglicher Mikrospiegel verschiedene Bildinformationen in unterschiedliche Richtungen und ermöglicht damit die Projektion von 3D-Bildern, für deren Betrachtung keine speziellen Brillen notwendig sind.
„Die technische Entwicklung ist mittlerweile abgeschlossen, aktuell sind Flächen von bis zu 3.000 m² möglich, und wir sind bereits auf der Suche nach Partnern, um das System auf den Markt zu bringen”, sagt Jörg Reiterer, einer der Gründer und Geschäftsführer von TriLite.
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und eröffnen auch ganz neue Möglichkeiten, um Werbebotschaften gezielt zu vermitteln. Da für verschiedene Blickwinkel unterschiedliche Bildinformationen übertragen werden können, wäre es möglich, zum Beispiel bei Open Air-Konzerten den Zuschauern günstiger und teurer Plätze unterschiedliche Werbespots zu zeigen.
„Das Interesse seitens Displayherstellern und Vermarktern ist groß, und konkrete Gespräche laufen bereits”, freut sich Reiterer.
Ob ein solches Display einmal in Wien zu sehen sein wird? Bei der MA 19 beobachtet man natürlich die technische Weiterentwicklung.
„Wir wollen den Fortschritt nicht behindern, müssen gleichzeitig aber das Stadtbild schützen”, sagt Kniefacz.

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