WIEN/OSLO. Die E-Mobilität ist auf dem Vormarsch: Mittlerweile wird eine breite Auswahl an Elektro-Modellen angeboten – laut einer aktuellen ÖAMTC-Befragung zählen neben schnellen Ladezeiten vor allem hohe Reichweiten zu den wichtigsten Kriterien für den Umstieg. Um Konsumenten eine Entscheidungshilfe für den Kauf zu bieten, testet der norwegische Automobilclub NAF (Norwegian Automobile Federation) die Reichweiten von Elektroautos regelmäßig in der Praxis. Beim diesjährigen Winter-Reichweitentest konnte sich das Tesla Model S unter 29 E-Autos durchsetzen: Mit einer Gesamtreichweite von 530 Kilometer bei Temperaturen zwischen 0 und minus 19 Grad Celsius stellte der Premium-Stromer einen neuen Reichweitenrekord auf.
ÖAMTC-Technikleiter Thomas Hametner hat den Test vor Ort begleitet und sich die Fahrzeuge im Detail angesehen: „Das Ergebnis des Tesla Model S ist beeindruckend, zumal der Unterschied zwischen dem beworbenen zum tatsächlichen Verlust der Strommenge, die beim Einsatz auf der Straße in der Kälte verloren geht, nur bei 16 Prozent liegt. Das ist ein guter Wert.“
Bei zahlreichen Fahrzeugen im Test zeigte sich jedoch eine Diskrepanz zwischen den beworbenen Reichweiten und der Strecke, die mit den Autos unter winterlichen Bedingungen tatsächlich zurückgelegt werden konnte. Nur ein E-Auto aus dem Mitteklassesegment konnte überzeugen: Der Maxus Euniq6 hält dem Test aus Sicht der Experten stand. Bei vier Fahrzeugen entsprach die gefahrene Maximalstrecke in der Praxis hingegen nicht annähernd der versprochenen Reichweite.
„Tiefe Temperaturen wirken sich negativ auf die Antriebsbatterien von E-Autos aus. Daraus ergibt sich eine höhere Ladezeit – und eben auch, wie viele Kilometer ich mit meinem E-Auto fahren kann. Im NAF-Reichweitentest wird genau untersucht, ob die Angaben der Hersteller mit der realen Reichweite auf der Straße übereinstimmen“, erklärt Hametner. Im Bereich der Mittelklasse-Wagen konnte der E-SUV Maxus Euniq6 überzeugen – das Auto fuhr unter winterlichen Bedingungen 317 Kilometer, was einem realen Reichweitenverlust von rund elf Prozent entspricht (anstatt der beworbenen Reichweite von 354 Kilometer).
Deutlich höhere Verluste müssen bei vier anderen Fahrzeugen hingenommen werden: Bei Mercedes EQE 300, Skoda Enyaq Coupe RS, Toyota bZ4x 2WD und Hongqi e-HS9 wurde ein Reichweitenverlust von 32 Prozent festgestellt. Hametner: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Realität nicht immer den Werbeversprechen standhält. Wir stimmen daher mit dem norwegischen Automobilclub NAF überein, dass ein offizieller Winter-Reichweitentest in die WLTP-Ergebnisse einfließen sollte. Nur so können sich Konsumenten einen ehrlichen Überblick verschaffen.“
Beim NAF-Winter-Elektroautotest, der 2023 zum vierten Mal stattfand, werden E-Fahrzeuge realitätsnah bei einer Überlandfahrt getestet. Alle Fahrzeuge wurden in Hinblick auf die für die Alltags- und Reisetauglichkeit wichtigen Parameter Reichweite und Ladezeit untersucht. Durchgeführt wurden die Tests auf einer festgelegten Route von Oslo via Lygnasæter, Gjøvik, Ringebu, Dombås, Hjerkinn, Folldal und dann in Richtung Süden nach Venabygdsfjellet und Ringebu. (jz)