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Gianna schöneich 29.06.2018

Droht am Ende ein Machtkampf?

Leistungsschutzrecht und Upload-Filter – die Reaktionen auf die Entscheidung des EU-Parlaments.

••• Von Gianna Schöneich

Die Bekämpfung der Internetgiganten Google, YouTube und Co. ist nichts Neues. Puls 4 Infochefin Corinna Milborn und Puls 4 Gründer Markus Breitenecker dominierten zuletzt die Diskussion in Österreich u.a. mit der Veröffentlichung ihres Buchs „Change the game: Wie wir uns das Netz von Facebook und Google zurückerobern”.

In diesem sind auch Vorschläge zu Regulierungen enthalten; gefordert wird eine Allianz der europäischen Medienunternehmen zur Entwicklung europäischer Social Media. Diesem Wunsch dürfte man mit der europaweiten Einführung des Leistungsschutzrechts und Uploadfiltern, für welche der Rechtsausschuss des EU-Parlaments kürzlich mit einer knappen Mehrheit stimmte, näher gekommen sein.
So erklärt ProSiebenSat.1 Puls 4 gegenüber medianet: „Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dass die bestehenden Medienplattformen der ‚sozialen Medien' erstmals konkret von den Bestimmungen erfasst werden, und dass klargestellt wird, dass sie grundsätzlich für die auf den Plattformen abrufbaren Inhalte haften. Bisher hatten sich die Plattform­anbieter – oft erfolgreich – auf das ‚Host Provider-Privileg' der eCommerce RL berufen.”
Durch das Leistungsschutzrecht erhalten Verleger, wie bereits Musik- oder Filmproduzenten, ein Recht an geschützten Inhalten. Konkret sollen Suchmaschinen nicht mehr ohne Zustimmung oder ein faires Entgelt Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten anzeigen dürfen.
Verlegerverbände wie der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) machen sich für die Regelung stark. In Deutschland hatte man sich bereits 2013 am Leistungsschutzrecht versucht – mit eher bescheidenem Erfolg.

Gratiseinwilligungen

2014 stellten Experten im Ausschuss „Digitale Agenda” im Deutschen Bundestag fest, dass das Leistungsschutzrecht abgeschafft werden sollte. Etliche Verlage der VG Media (eine deutsche Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Sendeunternehmen und Presseverlegern mbH) erteilte zudem „Gratiseinwilligungen” an Google. Geschäftsführer Stefan Heck erklärte auf Nachfrage von medianet, Google hätte seine marktmächtige Position ausgenutzt und gedroht, die Presseerzeugnisse der Verleger auf den Google-Oberflächen nur noch sehr eingeschränkt und ohne Bilderangebote darzustellen. Aus wirtschaftlicher Sicht war man also zu den Einwilligungen „gezwungen”. „Die von der VG Media vertretenen Presseverleger sind von der Marktmissbräuchlichkeit von Googles Vorgehen in diesem Zusammenhang überzeugt und haben daher eine Kartellrechtsklage gegen das Unternehmen eingereicht. Eine rechtskräftige Entscheidung steht noch aus. Die Einwilligung in die unentgeltliche Nutzung der Presseerzeugnisse wurde deshalb bis heute nicht widerrufen”, so Heck.

Gleichzeitig erklärt der Geschäftsführer auch, dass die Sichtbarkeit der Presseerzeugnisse durch das Leistungsschutzgesetz nicht beeinträchtigt werden würde: „Die Verleger haben dadurch die Möglichkeit, zu kontrollieren, über welche Kanäle die Presseerzeugnisse der Verlage konsumiert werden können. Somit liegt die Entscheidungshoheit grundsätzlich wieder bei den Verlagen. Allerdings nutzen Internetgiganten, wie Google und Facebook, ihre Monopolstellung aus. Auf dem Wege der Durchsetzung des geltenden Rechts kann dem Missbrauch dieser Marktmacht begegnet werden. ”
Durch die europaweite Einführung soll nun alles anders werden. So erklärte Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, im „Ö1 Morgenjournal”: „(…) wenn die 27 (Mitglieds­staaten) künftig das gemeinsam umsetzen, ist das sehr viel stärker in der Macht gegenüber großen Konzernen wie Google, Facebook und anderen (…)”.
Doch lassen sich Google und Co tatsächlich von der EU in die Knie zwingen? Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, bezweifelt dies: „Plattformen wie Google und Co haben kein Problem damit, auf Verlinkungen zu Online-Medien zu verzichten, Verlage, die von Werbeinnahmen auf ihren Websites leben, jedoch sehr wohl (…) Es scheint, als gäbe es auf dem österreichischen Markt noch Player, die davon ausgehen, dass das Internet und die damit verbundenen neuen Geschäftsmodelle ein Phänomen sind, das man aussitzen kann, indem man neue Player mithilfe der Politik ‚in die Knie zwingt'.” Schubert erklärte medianet weiter, dass die Zukunft jenen Medien gehöre, die es schaffen, ihre Inhalte zu monetarisierien, indem sie z.B. mit Plattformen zusammenarbeiten und es den Nutzern möglichst einfach machen, einen Beitrag ohne langfristige Anmeldung und ohne Ausfüllen von „Endlosformularen” zu erwerben.

A better way than this

Google selbst erklärt: „We’ve always believed there’s a better way than this, and that innovation and partnership are the keys to successful, diverse and sustainable news and creative sectors in the EU. For both European creators and consumers, it’s vital to preserve the principles of linking, sharing and creativity on which so much of the web’s success is built.”

Doch nun wird wohl der Weg des Leistungsschutzrechts gegangen. Wobei ungeklärt ist, wie Google auf diese europaweite Regelung reagieren wird. Einen Vorgeschmack hierauf dürfte das Beispiel Spanien geben; das Leistungsschutzrecht gilt hier in einer verschärften Version seit 2014: Per Gesetz wurde beschlossen, dass Verleger auch nicht per Einwilligung Google erlauben können, Anreißer von Berichterstattungen zu veröffentlichen. Die Folge? Google stellte Google News ein. Die Zeit veröffentlichte im Dezember 2017 einen Artikel über eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie, die nie veröffentlicht wurde. Laut dieser würden Auswertungen in Spanien belegen, dass der dortige Rückzug von Google News vor allem kleineren Medien schadete – größere Verlage hingegen verzeichneten keine signifikanten Veränderungen. In Deutschland und Spanien hätte laut der Studie durch die Lizenzgebühren von News-Aggregatoren noch niemand Geld verdient. Darum geht es auch nicht, erklärt Grünberger im „Ö1 Morgenjournal”: „(…) Es ist schlichtweg falsch, dass Verleger glauben, sie können damit Werbegeld zurückholen. Es geht letztendlich um den Schutz von Inhalten (…)”. (Hier geht es zur Studie: www.asktheeu.org/en/request/4776/response/15356/attach/6/Doc1.pdf)

Wird aus Schutz Fake?

Gerade diesen sehen Politiker wie Julia Reda, Piratenpartei, und viele Initiativen wie netzpolitik.org allerdings bedroht. Von Fake News ist da die Rede, denn jede zu sehende Verlinkung ist kostenpflichtig. Eine logische Konsequenz wäre, dass Facebook beispielsweise aus Kostengründen auf das Teilen von Nachrichten von bekannten Verlagen verzichtet.

Reda schreibt hierzu: „Da ‚Fake News' und Propagandaquellen stets auf größtmögliche Reichweite ausgelegt sind und gleichzeitig die Verantwortlichen für die Inhalte gern geheim halten, würden sie sicherlich nicht vom Leistungsschutzrecht Gebrauch machen. Deshalb würden Fake News nach Verabschiedung des Leistungsschutzrechts auf Sozialen Medien wahrscheinlich noch sichtbarer.”
Die Branchenvertreter zeigen sich erfreut: „Die Plattform-konzerne verdienen mit Musik und anderen kreativen Inhalten weltweit Milliarden an Werbeeinnahmen und haben sich bisher geweigert, die Content-Inhaber fair daran zu beteiligen”, so Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft.

Das Ende des freien Internets?

Wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille: Während die einen an die Gerechtigkeit für Urheber glauben, sehen die anderen das freie Internet bedroht. Vor allem Upload-Filter erhitzen die Gemüter.

Automatisierte Durchsuchung

Künftig soll jeder Upload von Privatpersonen auf Plattformen – beispielsweise Videos auf YouTube – automatisiert durchsucht werden; Ziel ist es, mögliche Urheberrechtsverletzungen aufzudecken. Die Plattformen selbst sollen die Upload-Filter einsetzen. „Upload-Filter, die dafür sorgen sollen, dass Inhalte auf Plattformen gar nicht erst erscheinen, beschneiden sehr wohl das Recht auf freie ­Meinungsäußerung”, so Schubert.

Die Kritik an der Regelung ist aus Sicht von ProSiebenSat.1 Puls 4 unbegründet: „Sicherzustellen, dass Rechtsinhaber selbst über die Verwertung ihres mit großem finanziellem Aufwand hergestellten Contents bestimmen können, hat mit Zensur oder Einschränkung der Meinungsfreiheit nichts zu tun.” In Österreich erwirkte ProSiebenSat.1 Puls 4 zuletzt ein erstinstanzliches Urteil, dass YouTube kein Host-Provider ist und daher für Urheberrechtsverletzungen haftet, die User ohne Zustimmung der Rechteinhaber begehen. Schon bisher bestimmten Plattformen, welche Inhalte nach ihren jeweiligen Richtlinien gewünscht waren. „Dass im Bereich des Urheberrechts jetzt klare und transparente Vorgaben geschaffen werden, stellt keine Verschlechterung für Kreative dar, die rechtlich einwandfrei agieren”, so ProSiebenSat.1 Puls 4.
Ein befürchtetes Resultat der Filter könnte Overblocking sein – „Rechtsunsicherheit bei den Providern, könnte dazu führen, dass die Anbieter Uploads von Nutzern nur noch in sehr engen Schranken zulassen”, so Schubert. So könnten die Filter ein Ende der Memes und Satire bedeuten – denn die Community versteht den Kontext, ein Filter hingegen nicht.
Was sagen die Kreativen? In der Diskussion wurde beispielsweise die Kabarett-Gruppe maschek genannt. Bekannt sind diese aufgrund ihrer satirischen Synchronisationen von Videomaterial. Einerseits nutzen Peter Hörmanseder und Robert Stachel urheberrechtlich geschütztes Material, andererseits sind sie selbst Urheber. Auf Nachfrage erklärt maschek: „Wenn wir Videos aus dem Netz bearbeiten, entsteht ein neues Werk – das ist für jeden menschlichen Beobachter sonnenklar. Ein Uploadfilter ist aber eine Maschine, die viele falsche Alarme schlagen wird. Wir fürchten uns weniger davor, selbst Schwierigkeiten zu bekommen, als vor einer Totalüberwachung der Contents im Netz durch wenige Konzerne im Einklang mit Regierungen. Das könnte einen großen Rückschritt für die Kunst, den Journalismus und die Bürgerrechte bedeuten.”

Notwendigkeit

Mittlerweile ist bekannt geworden, dass die ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament kommende Woche nicht für ein Durchwinken der Copyright-Richtlinie abstimmen werden. Es zeichnet sich somit eine Revision des Richtlinientexts und eine ausführliche Debatte im Plenum ab.

Faktum ist: Es ist unbedingt nötig, die großen Internetgiganten in die Schranken zu weisen. Allein Google soll Steuern in Milliardenhöhe umgehen. Dass das nicht zu akzeptieren ist, steht nicht zur Diskussion. Gleichzeitig sind Urheberrechte zu wahrende und vor allem zu bezahlende Anliegen.
Die Frage ist, ob die Internetgiganten bei dem neuen europaweiten Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern mitspielen und künftig zahlungsbereit sind. Am Ende wird es wohl ein Machtkampf zwischen europäischen Unternehmen und den Giganten sein.

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