PRIMENEWS
APA Keystone Walter Bieri

Redaktion 30.11.2015

Österreich steigt beim Wachstum sanft aufs Gaspedal

Bank Austria Konjunktureinschätzung für 2016/2017: Aussichten besser als ihr Ruf – Österreich kann beim Wachstumstempo 2016/17 langsam wieder aufschließen.

Wien. Unterschiedliche Herausforderungen, wie beispielsweise die Konjunkturverlangsamung in den Schwellenländern als Folge niedriger Rohstoffpreise oder geopolitische Unsicherheiten nahmen der globalen Wirtschaft im Jahr 2015 den Schwung. Mit rund drei Prozent erreichte die Weltwirtschaft das geringste Wachstum seit der Finanzkrise 2009. Dennoch hat sich die Erholung in Europa nicht nur fortgesetzt, sondern weiter gefestigt, schreiben die Ökonomen der Bank Austria in ihrer aktuellen Prognose. Die Wirtschaft konnte sogar an Dynamik gewinnen. Im günstigeren europäischen Umfeld konnte auch die österreichische Wirtschaft zulegen. „Für das Jahr 2015 gehen wir von einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in Österreich auf 0,9 Prozent aus, nach 0,4 Prozent im Jahr davor. Damit weist Österreich allerdings das zweite Jahr in Folge einen Wachstumsrückstand vor allem gegenüber Deutschland auf“, analysiert Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Das Wirtschaftswachstum betrug 2014/15 in Deutschland durchschnittlich 1,7% pro Jahr, während in Österreich nur ein BIP-Anstieg um rund 0,5% jährlich erzielt wurde. „Unsere Analyse zeigt, dass für den Wachstumsrückstand der österreichischen Wirtschaft vor allem die Schwäche der heimischen Nachfrage verantwortlich ist. Konsum- und Investitionszurückhaltung sind die bestehenden Herausforderungen, während sich kein wesentlicher Unterschied zur Entwicklung in Deutschland beim Wachstumsbeitrag des Außenhandels zeigt“, meint Bruckbauer.
 
Gründe für Konsumschwäche

Insbesondere der private Konsum hat sich in Österreich im Vergleich zu Deutschland sehr schwach entwickelt. „Für die Konsumschwäche in Österreich seit 2012 sind drei Gründe zu nennen, die zu einem Rückgang der verfügbaren Nettoeinkommen geführt haben: die schwächere Beschäftigungsdynamik, das höhere Abgabenplus und die höhere Inflation“, so Bruckbauer. Während das Bruttolohnwachstum pro Kopf in Österreich im betrachteten Zeitraum um 0,3 Prozentpunkte pro Jahr sogar etwas über dem deutschen Vergleichswert liegt, ergibt sich durch die schwächere Beschäftigungsentwicklung ein in Summe um 0,6 Prozentpunkte geringerer Anstieg der verfügbaren Einkommen in Österreich. Unter Berücksichtigung der stärker gestiegenen Abgaben- und Steuerleistung der Österreicher sowie der in diesem Zeitraum um durchschnittlich 1,4 Prozentpunkte höheren Inflation sind in Österreich die real verfügbaren Nettoeinkommen um ein halbes Prozent zurückgegangen, während in Deutschland ein Plus von immerhin 0,8% zu Buche steht.

„Als Ursache für die Schwäche der Inlandsnachfrage, insbesondere des Konsums in Österreich muss auch die unterschiedliche Form der Haushaltssanierung gelten“, meint Bruckbauer und ergänzt: „Während in Österreich die Haushaltssanierung zwischen 2012 und 2015 vorwiegend über die Einnahmenseite erfolgte und damit die Konjunktur belastete, ist in Deutschland fast die gesamte Verbesserung auf den Vorteil der niedrigen Zinsen zurückzuführen.“ In beiden Ländern wurde der strukturelle Budgetsaldo zwischen 2012 und 2015 um rund einen Prozentpunkt verbessert. In Österreich wurden allerdings die Einnahmen um 1,3 Prozentpunkte und die Ausgaben um 0,5 Prozentpunkte des BIP erhöht, was einen wachstumsdämpfenden Effekt von 0,8 Prozentpunkten bedeutet. Niedrigere Zinsen brachten in Österreich einen Vorteil von 0,4 Prozentpunkten, während in Deutschland fast die gesamte Haushaltssanierung auf den wachstumsschonenden Zinseffekt zurückzuführen ist. Bei konstanten Einnahmen wurden die Ausgaben lediglich um 0,2 Prozentpunkte des BIP gesenkt. Deutschland hatte seine Haushaltssanierung bereits vor der Krise begonnen.
 
Arbeitsmarkt belastet

Die gegensätzliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich und Deutschland ist zur Hälfte auf das schwächere Wachstum und somit auf ein geringeres Beschäftigungsplus und zur Hälfte auf das stärker wachsende Arbeitsangebot zurückzuführen. Hinter dem stärkeren Arbeitsangebotsanstieg in Österreich steht ebenfalls zur Hälfte der stärkere Anstieg ausländischer als auch inländischer Arbeitskräfte. „Bei Unterstellung des deutschen Beschäftigungs- und Arbeitskräfteangebotstrends würde die Arbeitslosenquote in Österreich aktuell nicht 5,8 Prozent (Eurostat-Methode) betragen, sondern wäre auf 3,3 Prozent gesunken“, analysiert Bruckbauer.
 
Aussichten 2016/17

Der österreichischen Wirtschaft sollte es 2016 gelingen mit der europäischen und deutschen Wachstumsdynamik besser mithalten zu können. Mit dem Rückenwind der Erholung in Europa verbessert sich in Österreich bereits seit Beginn des Herbstes die Industriekonjunktur. „Trotz eines Rückgangs gegenüber dem Vormonat weist der Bank Austria Einkaufsmanagerindex mit einem aktuellen Wert von 51,4 Punkten weiterhin auf einen klaren Wachstumskurs der österreichischen Industrie hin, die mittlerweile weitgehend zum Wachstumstempo in Europa aufschließen konnte“, meint Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.

Der in einer monatlichen Umfrage unter österreichischen Einkaufsmanagern ermittelte Indikator übertrifft im November den langjährigen Durchschnittswert und zeigt für Österreichs Industrie nun den achten Monat in Folge Zuwächse an. „Aufgrund von weiteren Auftragssteigerungen aus dem In- und Ausland erhöhten die österreichischen Industriebetriebe im November die Produktion, wenn auch langsamer als im Vormonat. Daher agierten die Unternehmen bei Neueinstellungen vorsichtiger als zuletzt“, kommentiert Pudschedl die wichtigsten Teilergebnisse. Die vorliegenden Vorzeichen, wie das günstige Indexverhältnis der Neuaufträge zu den Lagern, sprechen für die Fortsetzung der zumindest moderaten Aufwärtsentwicklung. Dabei erhält die heimische Industrie 2016/17 Unterstützung durch sich etwas verbessernde globale Rahmenbedingungen.
 
Österreich schließt bei Wachstumstempo auf

Die österreichische Wirtschaft sollte 2016/17 die etwas besseren globalen Rahmenbedingungen in eine stärkere Exportdynamik umsetzen können. Die Entwicklung des Bank Austria EinkaufsManagerIndex insbesondere auch im internationalen Vergleich sowie höhere Steigerungsraten im Außenhandel seit dem Sommer stimmen diesbezüglich optimistisch. Das Wachstumstempo wird in Österreich jedoch maßgeblich durch die Inlandsnachfrage bestimmt werden. „Der private Konsum wird 2016 wichtige Impulse durch die Steuerreform erhalten. Allein dadurch ergibt sich nach unserer Berechnung ein positiver Wachstumseffekt von insgesamt rund 0,4 Prozent des BIP, sodass das Wirtschaftswachstum in Österreich auf 1,5 Prozent steigt“, so Pudschedl. Durch die Steuerreform wird die im Vergleich zu Deutschland ungünstigere Einkommensentwicklung der vergangenen Jahre umgekehrt. Im Durchschnitt wird die Steuerreform eine reale Einkommenssteigerung um rund 2 Prozent bringen
 
Trotz bestehender Herausforderungen wird die Weltwirtschaft 2016 insgesamt besser in Schwung kommen, getragen von einem robusten US-Wachstum und weniger Sorgen um die Schwellenländer. Die Erholung in Europa wird unter diesen Rahmenbedingungen 2016 an Stärke gewinnen. Getragen von der Inlandsnachfrage wird im Euroraum mit 1,9 Prozent ein Wirtschaftswachstum über dem langfristigen Trend erreicht werden. Die positiven Impulse durch die niedrige Inflation auf das Realeinkommen im laufenden Jahr werden 2016 durch ein stärkeres Einkommenswachstum aufgrund der Verbesserung am Arbeitsmarkt ersetzt werden. 2016 werden in Europa der Konsum und auch die Investitionen stärker zulegen können. Dennoch ist die Outputlücke weiterhin sehr groß. Dies wird in Kombination mit den sich kaum erhöhenden Inflationsaussichten die Europäische Zentralbank  zu einer weiteren geldpolitischen Lockerung veranlassen. „Wir gehen davon aus, dass die EZB in der nächsten Sitzung Anfang Dezember eine Ausweitung des laufenden Wertpapierankaufprogramms bekanntgeben wird. Ein QE 2 ist für 2016 zu erwarten“, so Bruckbauer.
 
Steuerreform als Turbo?

Nach Einschätzung Bank Austria Ökonomen wird die EZB mit umfassenden Maßnahmen überraschen. Neben einer möglichen Senkung des Einlagenzinssatzes um 10 bis 15 Basispunkte ist vor allem eine Ausweitung des laufenden Wertpapierkaufprogramms um rund 500 Milliarden Euro wahrscheinlich. Die monatlichen Volumina würden sich von derzeit 60 Milliarden Euro auf etwa 75 Milliarden Euro erhöhen und zudem würde das Programm zeitlich bis ins Jahr 2017 hinein verlängert werden.  Die Zins- und Wechselkurstrends werden 2016 von einem Auseinanderdriften der Geldpolitik der beiden großen Wirtschaftsblöcke USA und EU bestimmt werden. Der Lockerung in Europa steht die langsam beginnende Normalisierung in den USA mit Zinsanhebungen ab Ende 2015 gegenüber. Während die US-Zinsen bereits in eine Aufwärtsbewegung eingetreten sind, kommen die Kapitalmarktzinsen in Europa durch die weitere Lockerung zwischenzeitlich unter Druck, werden jedoch etwa ab dem Frühsommer der Aufwärtsbewegung der US-Zinsen folgen. Die Ökonomen der Bank Austria halten den US-Dollar derzeit gegenüber dem Euro für klar überbewertet. Eine Anpassung wird jedoch erst im Jahresverlauf 2016 starten, wenn sich die Erholung in Europa fortsetzt und sich die Aussichten verbessern. Eine graduelle Stärkung des Euro gegenüber dem US-Dollar ist fundamental durch Leistungsbilanzüberschüsse sowie die Kapitalzuflüsse in günstiger bewertete europäische Assets begründet. Die Bank Austria erwartet den Euro Ende 2016 bei 1,12 zum US-Dollar und damit um rund 6 Prozent stärker als derzeit.

„Die Konjunkturaussichten für die österreichische Wirtschaft für 2016/17 sind günstiger als es die derzeitige Stimmung widerspiegelt. Die Steuerreform wird dazu beitragen, eine entscheidende Ursache der Schwäche der heimischen Inlandnachfrage teilweise umzukehren. Auf internationaler Ebene gibt es mit der US-Zinswende, den Konjunktursorgen um China und andere Schwellenländer sowie mit den geopolitischen Unsicherheiten im Mittleren Osten zwar einige Risiken, jedoch keine Stolpersteine für die Fortsetzung der Erholung in Europa und in Österreich“, so Bruckbauer abschließend. (red)

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL