WIEN. Bereits vor der jüngsten Verschärfung der Coronakrise in Österreich erwarteten 85% der heimischen Händler einen massiven Umsatzverlust im heurigen Jahr. Im Schnitt wird von einem 32%igen Minus ausgegangen. "Der Handelsverband befürchtet vor diesem Hintergrund ein Corona-bedingtes Händlersterben historischen Ausmaßes: bis zu 6.000 Geschäften droht hierzulande die Schließung", warnt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
"Corona befeuert den Strukturwandel im Einzelhandel, der durch das geänderte Kaufverhalten geprägt ist. Der Shift in Richtung Digitalisierung fängt trotz aller positiven Intentionen nur Teile der entgangenen Umsätze auf und verändert das Gefüge der Handelsbranche nachhaltig. Das wird zweifellos zu einer Verödung von Stadt- und Ortskernen führen", ergänzt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.
Consumer Check: 31% der Österreicher erleben negative finanzielle Auswirkungen durch Corona
Laut der neuesten Consumer Check-Umfrage von Handelsverband und Mindtake Research erlebt bereits ein Drittel der österreichischen Bevölkerung am eigenen Leib heftige finanzielle Auswirkungen durch Corona im persönlichen Alltag. Das Ampelsystem - mit Rotschattierungen entkoppelt von Geltungskriterien - verunsichert die überwiegende Mehrheit die Bevölkerung, da der Kernaspekt eines Ampelsystems verloren gegangen ist: die klare Signalwirkung.
Der Handelsverband ist stets für ein "Klima der Zuversicht" eingetreten. Das ist dringend erforderlich, um die Konsumstimmung aufrechtzuerhalten und damit auch den Wirtschaftsprozess mit mehr als 600.000 Beschäftigten allein im heimischen Handel. "Die rapide angestiegene Sparquote von 8,3% auf 13,4% alleine im Jahr 2020 ist stiller Zeuge dieser Entwicklung, die gemeinsam mit den bevorstehenden Umsatzeinbrüchen in allen Branchen hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet", so Handelssprecher Rainer Will.
Was muss jetzt seitens der Politik getan werden? EU-Beihilfenrahmen komplett ausschöpfen
Den von Umsatzeinbrüchen betroffenen Handelsunternehmen muss schnellstmöglich geholfen werden. Die Europäische Kommission hat erst kürzlich einen befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen in der Coronakrise veröffentlicht, der jetzt im Sinne der heimischen Wirtschaft bestmöglich ausgenützt werden muss.
Notleidenden Unternehmen könnten - bei einer Kombination der drei europäischen Beihilfesäulen - deutlich höhere Summen zur Verfügung gestellt werden als durch den bisher diskutierten Fixkostenzuschuss II. Neben dem Fixkostenzuschuss sind nämlich gemäß der EU-Beihilfenregelungen auch Zuschüssen für Verluste bis zu 3 Mio Euro ("Verlustausgleich") möglich. Darüber hinaus könnten zur Kompensation von Schäden in besonders hart betroffenen Sektoren, die direkt vom Covid-19 Ausbruch verursacht wurden, pro Unternehmen 3 Mio. € gewährt werden.
Die freien Wirtschaftsverbände (bestehend aus Handelsverband, Österreichische Hoteliervereinigung, Senat der Wirtschaft und Gewerbeverein) sowie EPU Österreich haben deshalb gemeinsam ein kombiniertes 3-Säulen-Beihilfenmodell zur Rettung österreichischer Betriebe erstellt, das den EU-Beihilfenrahmen komplett ausschöpft.
Der Handelsverband stellt sich hinter dieses Dokument und fordert die rasche Beantragung der EU-Hilfen, damit zeitnahe geholfen werden kann und die Gelder auf den Konten der angeschlagenen heimischen Unternehmen landen.
Lockdown-Gerüchte sorgen für zusätzliche Verunsicherung
Der bevorstehende "sanfte Lockdown" in Deutschland sorgt auch für zunehmende Verunsicherung in der österreichischen Händlerschaft. Sollten in Österreich ähnlich weitreichende Maßnahmen angedacht werden, muss auch hierzulande der Handel von den Zutrittsbeschränkungen ausgenommen bleiben. "Der Einzelhandel war und ist kein Corona-Hotspot. Das Einkaufen ist aufgrund der strikten Einhaltung der Hygienemaßnahmen absolut sicher und darf daher keinesfalls erneut von Betretungsverboten erfasst werden. Das würde jeder Logik und Grundlage entbehren", stellt Will klar.
Auch wenn die Handelsgeschäfte in Österreich weiterhin offen haben, stehen starke Frequenzrückgänge aufgrund der Verunsicherung der Bevölkerung bevor. "Die erlittenen Verluste können durch das kombiniertes 3-Säulen-Beihilfenmodell der freien Wirtschaftsverbände zumindest teilweise ausgeglichen werden. Es ist jetzt höchste Zeit zu handeln", betont Will.
Was kann langfristig gemeinsam getan werden? Stakeholder-Dialog gegen das Händlersterben
Um die Perspektive der ländlichen Regionen und insbesondere der angeschlagenen Ortskerne, die von einem Händlersterben akut betroffen sind, aktiv zu gestalten, ruft der Handelsverband einen runden Tisch ins Leben: Alle Stakeholder - von der Politik über den Handel, vom Stadtmarketing bis zu den Immobilienentwicklern - sollen vernetzt werden, um gemeinsame Lösungen zu diskutieren und an Modellregionen weiterzuarbeiten. Digitale Lösungen werden hierbei bewusst integriert. (red)
Das 3-Säulen-Modell der Freien Wirtschaftsverbände finden Sie hier.