WIEN. In den letzten Monaten haben die Lebensmittelpreise überdurchschnittlich stark angezogen. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) untersucht bekanntermaßen seit Herbst letzten Jahres, wie sich der Wettbewerb in der Branche entwickelt hat und wo die Preissteigerungen hingeflossen sind.
Ruf nach mehr Handhabe
Nun gab die gegenwärtige Interimschefin Natalie Harsdorf-Borsch im Ö1-Journal ein Zwischenupdate: Mit in Summe 2.200 befragten Unternehmen – 700 Handelsunternehmen, 1.5000 Lieferanten – wird es die größte Untersuchung, die die Behörde in den 22 Jahren ihres Bestehens durchgeführt hat; der Zeitplan dürfte halten, mit einem Abschlussbericht sei im Oktober zu rechnen.
Anders als das dem Justizministerium unterstellte Bundeskartellamt, ist die BWB weisungsfrei und dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium unterstellt; eine vergleichbare Untersuchung des Lebensmittelhandels unternahm sie zuletzt 2007. Auslöser war damals nachfragemachtbedingtes Marktverhalten, anders als vor 16 Jahren steht diesmal aber nicht nur der LEH, sondern die gesamte Wertschöpfungskette auf dem Prüfstand.
Im Anschluss an den Bericht kann die BWB Empfehlungen aussprechen, aber keine unmittelbaren Maßnahmen für die Unternehmen anordnen, dafür fehlen derzeit die Kompetenzen. Natalie Harsdorf-Borsch wünscht sich daher mehr Eingriffsmöglichkeiten.
In Deutschland etwa stehe der Kartellbehörde ein „breites Instrumentarium” zur Verfügung. So könne die deutsche Behörde Unternehmen Transparenzmaßnahmen auferlegen oder in bestimmte Verträge eingreifen. „Es kann aber auch bis zum Verkauf von gewissen Anteilen gehen um die Konzentration zu verringern auf den Märkten,” so die Interimschefin. Sie wünsche sich für die heimische BWB dieselben Rechte.
Handelsverband rügt Politik
„Wir sind dankbar, dass die BWB als weisungsfreie und unabhängige Behörde eine neutrale und faktenbasierte Analyse vornimmt”, ist Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will anlässlich des Zwischenberichts um eine prinzipiell positive Haltung des HV gegenüber der BWB-Untersuchung bemüht. Österreichs Lebensmittelbranche komme dem Auskunftsverlangen seit Ende des letzten Jahres nach und liefere eine Vielzahl an Geschäftsdaten an die Behörde.
Eine neuerliche Schelte gab es indes für die Politik: „Seit Monaten verwechseln viele Politiker nicht nur Ursache und Wirkung der Inflation, sondern instrumentalisieren eine einzelne Branche als Treiber der Teuerung, die selbst massiv unter den Kostenerhöhungen bei Energie, Mieten, Finanzierung, Personal und Produktbeschaffung leidet.” Man hoffe daher, „dass mit Vorliegen des finalen Berichts im Oktober Klarheit besteht, wer übergebührlich von der Teuerung profitiert hat und wer nicht.”
Eine analoge Untersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) kam zuletzt zum Schluss, dass die dortigen Handelsunternehmen die hohen Preise bei Lebensmitteln nicht verursacht haben. (red)