••• Von Christian Novacek
Es gibt Grund zur Freude: „Der stationäre Handel hat in Österreich 2017 ein nominelles Plus von zwei Prozent geschafft”, ist es Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich, der sich hier freut. Zu Recht, denn: „Das ist das höchste Plus seit 2010.” Die positive Stimmung im Handel sollte sich ins Jahr 2018 verlängern lassen. Der Spartenobmann gibt einen positiven Ausblick, „die Konsumlaune sollte anhalten”.
Zuvor, 2016, war die Umsatzentwicklung gedämpft. Woran es heute liegt, dass der Umsatzzug Fahrt gewinnt, will sich nicht gänzlich erschließen. Fakt ist, dass speziell der heimische Lebensmittelhandel als Wachstumsmotor fungiert. Ein Warum und Wieso in Sachen Umsatzplus wird aber auch hier nicht klar: Die höheren Preise waren's nicht, denn der LEH legt nominell um 4,1% zu, während sich die Preissteigerung auf zwei Prozent beläuft. Ergo folgert Buchmüller: „Man weiß nicht, wo es (das Umsatzwachstum, Anm.) herkommt!”
Bevor die Freude über mysteriöse Wachstumsraten zu groß wird, sei angemerkt, dass das Konjunkturwachstum in Österreich gegenüber dem EU-28-Durchschnitt hinkt. Das reale Plus in Österreichs Handel stand von Jänner bis November 2017 bei 1,3%, in der EU 28 war es mit 2,6% signifikant höher.
Jenseits der 70 Mrd. Euro
In absoluten Zahlen liest sich der Handels-Status quo wie folgt: Der Umsatz im stationären Einzelhandel in Österreich ist von 69,2 Mrd. € 2016 auf rund 70,6 Mrd. € 2017 gestiegen. Er hat damit die 70 Mrd.-Grenze „geknackt”. Der stationäre Einzelhandel erwirtschaftet in Österreich rund 95% des gesamten Einzelhandelsvolumens.
40% der Einzelhandelsgeschäfte melden für das Gesamtjahr 2017 ein Umsatzwachstum; 18% können das Vorjahresniveau wieder erreichen, und immerhin 42% sind mit Umsatzrückgängen konfrontiert. Diese Zahlen entstammen der Einzelhandels-Bilanz 2017 – einer Konjunkturbeobachtung, erstellt von der KMU Forschung Austria, beruhend auf der Befragung von 4.500 Einzelhandelsgeschäften. Die LEH-Umsatzzahlen basieren auf dem Nielsen-Umsatzbarometer.
Bemerkenswert ist die Zuversicht der befragten Händler: 73% von ihnen rechnen mit einem stabilen Geschäftsverlauf 2018. Haben also die Schreckgespenster Digitalisierung und Onlinehandel ihr Bedrohungspotenzial mittlerweile verbraucht? Schaut man sich die Entwicklung der Onlinehändler in Österreich an, wirkt das anders: Die haben 2017 ein Umsatzplus von sechs Prozent und, so führt es Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, aus: „Das ist ein dynamisches Wachstum.”
Kleiner Online-Happen?
Die WKO hat in ihrer Bestandsaufnahme ausschließlich die Umsätze der heimischen Onlinehändler betrachtet. In Summe ist im Gesamtjahr 2017 der Brutto-Jahresumsatz im österreichischen Internet-Einzelhandel um 200 Mio. auf rund 3,6 Mrd. € angestiegen und erreicht damit rund fünf Prozent des Einzelhandelsvolumens in Österreich. Thalbauer schätzt aber, dass etwa gleich große Umsatzbrocken, wie sie die österreichischen Onlineanbieter erwirtschaften, nach Deutschland rollen – in den Schoß von Amazon & Co. Diese ihre Mutmaßung wird vom Handelsverband mehr als nur gestützt: Der veröffentlichte dieser Tage (in Kooperation mit dem KSV1870) ein Umsatzranking der Händler mit dem Titel „Austrian Top 100 Retailers”. Hierin lautet die Generalaussage, dass, wer sich zu den Top 100 zählen will, zumindest ein Umsatzvolumen von 31,2 Mio. € stemmen muss. Wenig überraschend: Das Ranking führen die Lebensmittelhändler an, in der gleichermaßen erwartbaren Reihenfolge Rewe, Spar und Hofer, die zusammen für ein Viertel der österreichischen Einzelhandelsumsätze stehen.
Um jetzt den Kreis zu Thalbauers Bedauern bezüglich abwandernder Onlinehandels-wertschöpfung zu schließen: In der kanalübergreifenden Betrachtung der Einzelhandelsumsätze ist Amazon mit seinem reinen Online-Angebot bereits der größte Generalist in Österreich. Der Pure Online-Player hat es fast in die Top 10 geschafft – er liegt auf Platz 11 im Gesamtranking und somit umsatzmäßig fast gleichauf mit Bipa, vor Ikea, Müller und kika. „Nicht umsonst sind die Online-Händler die Sieger unter den Generalisten: Sie haben kaum flächenbedingte Sortimentslimitierung und spielen diesen Vorteil mit einem nahezu unbegrenzten Warenangebot bestens aus”, beurteilt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die Situation. Er folgert: „Das kommt beim Kunden vielfach an. Dieser wünscht sich aber vor allem ein nahtloses Einkaufserlebnis – sowohl online, als auch auf der Fläche. Hier tut der klassische Handel gut daran, seine stationären Schmuckstücke digital aufzuladen.”
Zuwächse querbeet
Wiewohl der LEH als umsatzstärkste Branche maßgeblich zum Konjunkturaufschwung im Einzelhandel beiträgt, haben sich 2017 auch andere Abteilungen gut sortiert: Der Einzelhandel mit Schuhen und Lederwaren (+3,3%) sowie der Einzelhandel mit Sportartikeln (+2,5%) verzeichnen 2017 überdurchschnittliche Umsatzzuwächse. Erfreulich ist das Jahr 2017 für den Einzelhandel mit Bekleidung verlaufen, der erstmals seit 2010 ein nominelles Umsatzplus erzielen kann (+1,4%). „Damit zeigt sich für 2017 eine positive Entwicklung in allen modischen Branchen”, resümiert Handelsforscher Ernst Gittenberger von KMU Forschung Austria.
Bei den weiteren umsatzstarken Einzelhandelsbranchen liegen die Erlöse über (Einzelhandel mit Bau- und Heimwerkerbedarf: +1,5%) bzw. ziemlich auf dem Vorjahresniveau(Möbelhandel: +0,2%).
332.100 Handelsangestellte
Erfreuliches berichten die Handelsauguren bezüglich Beschäftigungslage im Handel: Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten im gesamten Einzelhandel in Österreich ist 2017 stärker als 2015 und 2016 gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr steigt die Zahl der Mitarbeiter um rd. 2.900 bzw. 0,9%. Im vierten Quartal 2017 ist das Beschäftigungswachstum besonders signifikant ausgefallen. Letztlich bietet der Einzelhandel rd. 332.100 unselbstständig Beschäftigten einen Arbeitsplatz, Teil- und Vollzeitarbeitsplätze halten sich dabei nahezu die Waage. „Damit sind wir ein Beschäftigungsgarant”, betonen WKO-Handelsobmann Buchmüller und Bundesspartengeschäftsführerin Thalbauer. Weniger erquicklich dünkt die Strukturentwicklung in Sachen Outlets: Die Zahl der Geschäfte nimmt ab. Während diese Abnahme ehedem gern mit einem Flächenzuwachs verbunden war (weniger, aber größere Stores), ist das nun gleichlaufend negativ: Auch die Verkaufsflächen sinken. „Weniger Quadratmeter, weniger Geschäfte – dort geht's hin”, skizziert Buchmüller realistisch. Die gute Lage ist mithin die beste Basis für ein gutes Geschäft, wobei der Handelsobmann gern relativiert: „Die gute Lage können Sie auch in kleinen Dörfern finden!”
Langsam, aber stetig
Die Empfehlung in Anbetracht des unaufhaltbaren Abschmelzprozesses ist eindeutig – und es wird ihr bereits eifrig entsprochen: „Immer mehr Einzelhändler haben begleitend einen Onlineshop”, führt Buchmüller aus. Dabei räumt er ein, dass die Veränderungen im Handel eben langsam vor sich gehen; dennoch „werden sich die Händler auf diese Veränderungen einstellen”, zumal: „Sie haben das bisher auch geschafft!”
Diese Langsamkeit der Veränderung relativiert der Handelsverband in Bezug auf die Top 100: Seiner Erhebung nach betreiben schon 82% der stationären Handelsunternehmen einen Webshop bzw. eine vergleichbare digitale Lösung zur Verfügbarkeitsprüfung oder Reservierung von Produkten. Nur 21 der 100 größten Retailer verzichten (zumindest in Österreich) gänzlich auf die digitale Filiale. Die Bedeutungsverschiebung von stationär auf online steht in der Umsatzgewichtung indes noch am Anfang. Rainer Will vom Handelsverband: „Die reinen Online-Player unter den Top 100-Retailern besetzen gerade einmal drei Plätze und erwirtschaften zusammen nur eine von 36 Mrd. Euro. Der Rest, nämlich 35 Mrd. Euro innerhalb der Top 100, wird also nach wie vor vom stationären Einzelhandel erwirtschaftet.”
Desgleichen bricht Peter Buchmüller eine Lanze fürs stationäre Geschäft – unter Verweis auf jene 95% des Umsatzes, die nach wie vor klassisch-bodenständig gehoben werden. Ihm zufolge sei gar der Einbruch der Umsätze in den Elektromärkten nicht zwingend aufs verlockendes Onlinebusiness zu schieben. „Der Elektrohandel liegt nicht am Boden”, sagt Buchmüller. Vielmehr fand eine Umsatzverschiebung in andere Branchen statt.