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Redaktion 08.02.2019

Immer mehr greifen zum Genuss aus der Region

Die Genuss Region Österreich ist heute mit Abstand die größte heimische Regionalmarke.

Österreich, Weltmeister im Kleinen – so sehen wir uns gern, und wann immer Erfolge mit nationalem Bezug publik werden, klopfen wir uns selbstbestätigend auf die Schulter: Wir sind zwar nicht groß, aber was wir tun, ist Großes. Die heimische Küche etwa lässt uns regelmäßig den Kamm schwellen. Bedingt durch das angeblich strengste Lebensmittelgesetz der Welt, entsteht vielerorts Food-Qualität, die sich tatsächlich sehen lassen kann. Das Problem dabei: Offenbar sehen nur wir selbst das so.

Richard Bauer, Tourismusexperte und zuvor langjähriger Mitarbeiter der Österreich Werbung, zeichnet ein differenziertes Bild. Obwohl die Qualität österreichischen Essens unbestritten hervorragend ist, gilt unsere Alpenrepublik nicht als Food-Brand im Range Italiens, Frankreichs oder Spaniens. Bauer: „Die kulinarische Assoziation mit Österreich beginnt beim Wiener Schnitzel und endet – wenn überhaupt – bei Tafelspitz und Kaiserschmarrn.“ Das würde bedeuten, wir haben ein Produktproblem – denn wo blieben sonst Stelze, Saibling, Salzburger Nockerln, Käsespätzle, Mohnzelten und der ganze Rest?

Genussgipfel im Ländle
Genau dessen hat sich die Genuss Region Österreich (GRÖ) angenommen, auf deren Jahrestagung im vorarlbergischen Mellau Richard Bauer seine Thesen ausführte. Ein Zufall? Keineswegs. Denn genau hier beginnt die Mission des Vereins von GRÖ-Obfrau Margareta Reichsthaler: „Die Leitprodukte der 120 Genussregionen stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit.“ Im Mainstream der Regionalvermarktung ist das ein völlig anderer Ansatz, nämlich die Marke nicht allein auf die Region abzustellen, sondern in Assoziation zu einer regionalen Spezialität. So hat die Genuss Region Ybbstal die Forelle, der Tennengau das Berglamm, und der Bregenzerwald punktet mit dem Alpkäse.
Das Geniale dabei: Die jeweilige Region bekommt ein zusätzliches Label, an dem sich das Publikum orientiert, sich aber keinesfalls darauf beschränkt. Wer in die Südsteiermark der Kürbisprodukte wegen kommt, wird auch vor anderen regionalen Spezialitäten wie dem Teichland Karpfen oder dem Vulkanland Schinken nicht halt machen.

Destination für Genießer
Österreich auf diese Weise auf die Landkarte der in- und ausländischen Genießer zu setzen, heißt also das Motto. Was höchste Not tut. Bauer: „Nach Österreich kommt man in erster Linie der Gastfreundlichkeit und der Landschaft wegen. Das kulinarische Angebot spielt eine untergeordnete Rolle.“ Selbst unter Inlandsurlaubern wären Wein und Kulinarik nur zu zwei Prozent entscheidungsrelevant. Dabei ist das Potenzial ungeheuer groß, wie Richard Bauer herleitet: In einer dominant urbanen Gesellschaft sehnen sich „Stadtflüchtlinge“ nach Regionalem.

„Das Kleine wird größer“, so Bauer, „und die Kulinarik wird zum analogen Rückzugsort, zum individuellen Luxus.“ Als Konsequenz sei Regionalkulinarik in der Leitkultur angekommen, verstärkt durch die Sozialen Medien. „Speisen werden fotografiert und geteilt. Und nichts verbindet mehr, als gemeinsames Essen und Trinken“, so Bauer weiter. Zudem seien regionale Lebensmittel das Urlaubs-Souvenir Nummer zwei – gleich nach den Kühlschrank-Magneten.
Es geht also um heimischen wie um touristischen Konsum gleichermaßen. „Landwirtschaft und Tourismus sind Erfolgszwillinge“, bringt es der Vorarlberger Agrarlandesrat Christian Gantner auf den Punkt. „Landwirt.schafft.Leben“ lautet die Überschrift seiner Strategie mit dem Ziel, das „Ländle“ zur Nummer 1 im heimischen Tourismus zu machen und dabei Regionalität in den Vordergrund zu stellen. Es sind die Pioniere, die Individualisten und Innovatoren im Kleinen, die diese Strategie umsetzen. Mehr als 1.500 von ihnen in allen neun Bundesländern zählt die Genuss Region Österreich zu ihren Mitgliedern und hat damit einen Mikrokosmos geschaffen, der von den eigentlichen Produzenten über „Genuss Bauernhöfe“ genannte Leitbetriebe bis zu Gastronomie und Handel reicht.

Regionalität als Bekenntnis
Einer von ihnen, Jürgen Denk, führt im Kleinen Walsertal gemeinsam mit seiner Frau Kirsten das Restaurant Hoheneck, das sich zu 100% der Regionalität verschrieben hat. Vergeblich wird man auf seiner Karte Coca- Cola suchen, nicht einmal Almdudler gibt es. Und nach dem Essen wird heimischer Wermut angeboten, als Alternative zu Ramazzotti, Martini & Co. Damit wurde er zum „Genuss-Wirt“ 2019. Mit dem Vorzeigewirt gewann auch die ganze Region: Das Kleine Walsertal wurde vom GRÖ-Vorstand zur Genuss-Region des Jahres gewählt. Auf 5.000 Einwohner kommen im nur von Deutschland aus erreichbaren Tal 1,7 Mio. Übernachtungen pro Jahr. Nicht zuletzt aufgrund dieser Lage setzt man besonders auf regionale Produkte. Für das Leitprodukt Rindfleisch hat man etwa einen digitalen Marktplatz entwickelt, sodass die Rinder regionaler Züchter direkt zu Abnehmern im Tal finden und Transportwege vermieden werden.

Das Fazit der Veranstaltung in Mellau: Margareta Reichsthaler kann stolz darauf sein, dass „mit der Genuss Region Österreich die mit Abstand größte Regionalmarke des Landes geschaffen wurde“, wie die umtriebige Obfrau mit zahlreichen Daten zu belegen weiß – in einem an Labels und Herkunftsbezeichnungen nicht eben armen Markt, wohlgemerkt.

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