RETAIL
© medianet/Katharina Schiffl

christian novacek 22.03.2019

Jetzt dafür sorgen, dass für Alibaba kein Platz ist

Bei Horvath & Partners mutmaßt Andreas Unruhe, dass auch Onlineriesen ihre Schwächen haben.

••• Von Christian Novacek

Andreas Unruhe von der international tätigen Managementberatungsfirma Horvath & Partners berät Retail-Kunden in Österreich und Deutschland. Wie kaum ein anderer ist er prädestiniert, den Vergleich zu ziehen: Österreich schneidet im Match mit dem großen Nachbarland erstaunlich gut ab! Das liegt nicht zuletzt daran, dass in Deutschland die Positionierung zu stark über den Preis erfolgt, was letztlich niemanden nützt – den Konsumenten so wenig wie den Händlern.


medianet: Nachdem Sie Kunden in Österreich und Deutschland beraten – wie schaut aus Ihrer Sicht der Vergleich LEH in Österreich und Deutschland aus?
Andreas Unruhe: Die Deutschen können sich von Österreich noch was abschauen. Gerade im Lebensmittelhandel. Nehmen Sie Hofer: Da hat Aldi einen guten Usecase, wie sie sich in Deutschland noch optimieren können.

medianet: Beklagt wird in Österreich seitens der AK, dass das Preisniveau im Vergleich zu Deutschland zu hoch ist. Wie sehen Sie die Preisfrage?
Unruhe: Es ist grundsätzlich ein Irrtum des Lebensmittelhandels, wenn er glaubt, sich über den Preiskampf differenzieren zu müssen. Der Preiskampf in Deutschland ist jedenfalls alles andere als gesund. Da hat sich der österreichische Handel besser positioniert. Deutschland ist einer der größten Märkte mit den niedrigsten Preisen – natürlich kommt dann das Qualitätsbewusstsein unter die Räder. Und genau deswegen sind dort große Lebensmittelskandale passiert. Der Preiswettbewerb ist ruinös und dient bestimmt nicht dem Verbraucher.

medianet: Worauf sollte denn der Handel mehr Wert legen als auf den Preis?
Unruhe: Die Positionierung des Handels sollte auf Mehrwert, auf Content, auf Service gerichtet sein. Das klare Profil ist wichtig. Und wenn ich das ganz gut spiele, komme ich gar nicht in die reine Preisdiskussion, wo ich übrigens sowieso nur verlieren kann.

medianet: Wie sieht es im Ländervergleich mit der Frische aus? Hat Deutschland das aufgrund der geringeren Flächendichte besser im Griff?
Unruhe: Nein, weil das ist eben eine Positionierungsfrage und das sind auch Trends, auf die der deutsche Handel zurückhaltender reagiert. Österreich ist da mutiger. Aber Potenzial nach oben gibt es immer; nehmen Sie zum Beispiel die Niederlande oder England, da spielt die Frische eine ganz andere Rolle und wird als Differenzierungsmerkmal klar herausgestellt.

medianet: Nun befindet sich der Handel grundlegend in einer Umwälzungsphase, Stichwort Digitalisierung – was wird passieren aus Ihrer Sicht?
Unruhe: In Österreich steht das Thema Flächendichte den Effizienzbestrebungen noch im Wege, da könnte ich mir gut vorstellen, dass es da noch eine Konsolidierung gibt. Flächen werden optimiert werden. Und die strikte Trennung von offline und online sehe ich in Zukunft nicht mehr so.

medianet: Wo steht der Onlinehandel mit Lebensmitteln in der Zukunft? Ist Deutschland hier klar weiter als Österreich?
Unruhe: Das Onlinegeschäft ist mit Lebensmitteln ist weder in Deutschland noch in Österreich ein Erfolg. Auch in Deutschland ist das nicht mehr als ein Prozent vom Umsatz und das ist mittlerweile stabil auf geringem Niveau. Ich sehe da kein maßgebliches Wachstum.

medianet: Ist die Digitalisierung im Handel somit überschätzt?
Unruhe: Die Digitalisierung ist immens wichtig, aber sie spielt sich insbesondere am POS ab. Technologien, die das Einkaufserlebnis stützen, sind gefragt – das können VR-Brillen ebenso sein wie das Handy, auf dem ich vor dem Einkauf die Einkaufsliste draufgespielt bekomme. Die Technologien am POS bieten die Möglichkeit der Individualisierung, der Differenzierung –gemäß dem Motto: Der Feind des Guten ist immer das Bessere.

medianet:
Am besten im Onlinebusiness ist aber Amazon …
Unruhe: Oder Alibaba. In dem Moment, wo einer den Markt aufräumt, werden sich die anderen schon umgucken. Am besten wäre es aber, jetzt schon dafür zu sorgen, dass es für Alibaba nicht attraktiv wird, hierher zu kommen.

medianet: Die Onlineriesen sammeln immer mehr Erfahrung im stationären Geschäft. Wird das den heimischen Handel absehbar betreffen?
Unruhe: Die Integration von online und offline übt Amazon derzeit noch in den USA, dann werden sie das nach Europa bringen, wahrscheinlich in ähnlicher Form wie in Amerika; heißt: Sie werden einen Retailer kaufen und als Speerspitze benutzen. Beispielsweise steht in Deutschland Real immer noch zum Verkauf.

medianet: In Österreich ist mit Zielpunkt der letzte kauffähige Player vom Markt verschwunden …
Unruhe: Das mag stimmen, aber ich glaube auch nicht, dass Österreich das erste Land in der EU sein wird, in dem Amazon sich mit stationären Geschäften ausbreitet. Wahrscheinlich passiert das in den großen Metropolen – eine Strategie der Nadelstiche. Aber die Konsequenz, wenn sie in neue Märkte gehen, wird größer und nicht kleiner.

medianet: Das Zünglein an der Waage des Erfolgs ist der Konsument. Wie mündig ist der? Wird er sich auf Dauer ein rudimentär angelegtes Kontaktservice wie bei Amazon gefallen lassen?
Unruhe: Ich bin sehr gespannt, wie lange Amazon diese Art der Abschottung durchhalten wird. Die nächste Generation der Konsumenten gibt ein knallhartes Feedback und wenn da etwas nicht passt, gibt es kein zweites Mal, dann ist das Thema durch. Für Hersteller bedeutet das in Zukunft, dass sie nicht aus dem Produkt heraus denken müssen, sondern aus den Bedürfnissen des Verbrauchers heraus.

medianet:
Was sind somit die aktuellen Trends, um die sich alles dreht?
Unruhe: Grundsätzlich muss ich mich der Herausforderung Verbraucherverhalten stellen – wenn ich das mache, hat das Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen. Die Technologieentwicklung wird sehr schnell voranschreiten, somit ist keine Position auf ewig manifestiert. Alles ist immer wieder infrage zu stellen. Das Umfeld der Fragestellung lautet auf: Verfügbarkeit rund um die Uhr, Transparenz und Effizienz – das sind, wenn Sie so wollen, die großen Trends.

medianet: Welche Rolle spielt künftig die Marke? Wird sie von der Eigenmarke ausgeknockt?
Unruhe: Ich glaube fest an die Kraft der Marke, es müssen nur künftig nicht die selben Marken sein, die es heute gibt. Aber sie werden Orientierung bieten und Märkte machen, wenn sie einen Mehrwert und Zusatznutzen bieten.

medianet: Insgesamt haben Sie jetzt genauso viele Fragen gestellt wie Antworten geliefert …
Unruhe: Man muss immer Fragen stellen, aber auch Antworten finden und die Bereitschaft, ­Antworten zu prüfen.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL