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Rainer Will, Handelsverband.

Redaktion 18.10.2021

KV-Verhandlungen: Handelsverband gegen weitere Zuschläge und für Gehaltsanpassung mit Augenmaß

"Zukunftsdeal" heißt, bürokratische Regelungen über Bord zu werfen und den Arbeitseinsatz zu erleichtern; Rechtsanspruch auf Stundenerhöhung undenkbar.

WIEN. Die heute von der Gewerkschaft geforderten "kräftigen" Gehaltserhöhungen für die mehr als 415.000 Angestellten im heimischen Handel, die "nicht hoch genug ausfallen" können, sowie ein Nachtzuschlag von 50% zwischen 21.00 und 6.00 Uhr und weiteren Zuschlägen ab der ersten Stunde Mehrarbeit sind für den Handelsverband nicht nachvollziehbar.

"Wenn die Gewerkschaft mitteilt, dass die Gehaltserhöhung im Handel nicht hoch genug ausfallen kann, möchten wir daran erinnern, dass dies auch jemand zahlen muss, der es im Vorfeld erwirtschaftet. Ansonsten ist der Arbeitsplatzerhalt im zweiten Pandemiejahr gefährdet. Daher muss die Gehaltsanpassung mit Augenmaß erfolgen und unter dem Gesichtspunkt, dass es für den Handel zurzeit eine Vierfach-Belastung gibt", erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme. "Der österreichische Handel hat zurzeit nicht nur mit einer globalen Beschaffungskrise, hohen Rohstoff- und Logistikkosten sowie mit einem erneuten Rückgang der Verbraucherstimmung zu kämpfen. Darüber hinaus leiden viele Geschäfte noch immer stark unter den negativen Folgen der Coronakrise. In dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase muss die Arbeitsplatzerhaltung und -sicherheit im Vordergrund stehen. Zusätzlich müssen alle Händlerinnen und Händler spätestens mit 1. Jänner 2022 auf den neuen Handels-Kollektivvertrag umstellen, der wiederum Lohnerhöhungen und steigenden Kosten mit sich bringt."

Umsätze 2021 unter den Erwartungen: kein Spielraum für überbordende Gehaltserhöhungen
Auch der Handelsverband steht für einen "Zukunftsdeal" mit den Beschäftigten. Daher ist ein "kräftiges" Gehaltsplus heuer einfach nicht drinnen. Nachdem die Steuerreform "mehr netto vom brutto" für die Arbeitnehmer bringen wird, ist es jetzt wichtig, dass wir uns gemeinsam für eine
Lohnnebenkostensenkung einsetzen. Immerhin ist Österreich hier EU-weit auf Platz 3 der Höchstbelastung.

Der Einzelhandel steht jedenfalls unter großem Druck und dieser wird sich auch in absehbarer Zukunft nicht reduzieren. Die Umsätze haben in vielen Bereichen noch immer nicht das Niveau vor der Pandemie erreicht, auch die Kundenfrequenzen liegen derzeit deutlich unter den Erwartungen. Vor diesem Hintergrund appelliert der Handelsverband, die anstehenden Kollektivvertrags-Verhandlungsrunden mit Maß und Ziel zu führen. Denn während jetzt das Inflationsgespenst als Folge der Pandemie und der weltweiten Beschaffungskrise herumgeistert, steigt auch die Erwartung, dass bei den KV-Verhandlungen hohe Abschlüsse möglich seien. Die Gewerkschaft hat recht, dass es noch viele Betriebe gibt, die pandemiebedingt eine schwierige Situation durchlaufen. Daher braucht es Verhandlungen mit Augenmaß. Schließlich handelt es sich um den Kollektivvertrag und nicht um Anpassungen auf betrieblicher Ebene, wo differenziert werden kann. Die Inflationsabgeltung kann nicht allein durch den Handel erfolgen. Das ist auch nicht der Fall, denn die kürzlich beschlossene Lohn- und Einkommenssteuersenkung bedeutet mehr netto vom brutto für die arbeitende Bevölkerung.

Kompliziertes & antiquiertes Zuschlagwesen dringend aufzulösen
Verbesserungen im Rahmenrecht wären begrüßenswert, wenn damit eine radikale Entbürokratisierung gemeint ist, die seit Jahren überfällig ist. Der Mitarbeitereinsatz ist hierzulande hochkompliziert und nimmt in der Ab- und Verrechnung unfassbare Ausmaße an, wir sind schon jetzt am Ende der Administrierbarkeit. Statt über neue Zuschläge nachzudenken, sollte das Zuschlagswesen stark vereinfacht und überholte Zuschläge, wie jene an Samstagen ab 13 Uhr, endlich abgeschafft werden.

Der größte "Digitalisierungsbonus" für die Lehrlinge war die Einführung der eCommerce-Lehre, für die der Handelsverband jahrelang gekämpft hat. Der Handel bekennt sich überdies klar zu verbesserten Rahmenbedingungen für Lehrlinge. Hier wurde in den letzten Jahren auch monetär bereits überdurchschnittlich bei den Entschädigungen angepasst. Der von der Gewerkschaft geforderte Digitalisierungsbonus von 250 € pro Lehrling wir damit begründet, dass diese von der Bundesregierung nicht mit Laptops und Tablets ausgestattet werden. Dieses politische Versäumnis nun auf die Handelsunternehmen abwälzen zu wollen, ist nicht nachvollziehbar.

Die von der Gewerkschaft geforderte bessere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche ist in eine Pandemiephase, wo jede Person im Geschäft gebraucht wird und die Branche 20.000 weitere Arbeitskräfte sucht, eine Illusion.
Rechtsanspruch auf Stundenerhöhung wäre unverhältnismäßiger Eingriff in Geschäftstätigkeit

Es gibt im Übrigen kaum eine Branche, in der die Beschäftigten auch in einer Teilzeitrolle Leitungs- und Führungsverantwortung übernehmen können. Das von der GPA geforderte Recht auf Stundenerhöhung, wenn Beschäftigte mehr als drei Monate lang regelmäßig Mehrstunden geleitet haben, ist jedoch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Geschäftstätigkeit. Das Ausmaß der Arbeitszeit muss einvernehmlich festgelegt werden.

Klar weist der Handelsverband die Behauptung zurück, dass eine hohe Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitsbedingungen für viele der neue Alltag geworden sind. "Die Gewerkschaft hat stets die Gehaltsrunden und das Rahmenrecht mitgestaltet, das in Österreich europaweit einzigartige Ausnahmeregeln abbildet. Jedoch können die Arbeitgeber nichts für pandemiebedingte Erschwernisse, etwa die Maskenpflicht. Hier setzen wir darauf, dass sich die GPA weiterhin gemeinsam mit uns beim Gesundheitsminister für einen Entfall der Maskenpflicht bei Vorlage eines 3-G-Nachweises für Handelsangestellte einsetzt, um Erleichterungen im beruflichen Alltag zu erwirken", so Branchensprecher Rainer Will.

Arbeitsplatzerhalt muss im Vordergrund stehen
Tatsächlich ist es so, dass viele Betriebe ihre Krisenverluste noch lange nicht getilgt haben. Gerade die KMU-Händler leiden noch immer massiv unter der Pandemie, viele können sich eine deutliche KV-Erhöhung schlicht nicht leisten. Laut einer bundesweiten Befragung von HV und EY haben die heimischen Händler aufgrund der Coronapandemie einen Umsatzeinbruch von durchschnittlich 25% verzeichnet. Jeder zehnte Händler musste sogar Umsatzeinbußen von über 75% bis hin zum Totalausfall verkraften. Das betrifft insbesondere kleine und mittelständische Betriebe in den Tourismusregionen.

"Für das Gesamtjahr 2021 rechnen unsere Händler im Schnitt mit einem Umsatzrückgang von vier Prozent, also sogar mit weiteren Verlusten im Vergleich zum Krisenjahr 2020. Angesichts dieser herausfordernden Lage gilt es, an einem Strang zu ziehen. Wir ersuchen dies in den KV-Verhandlungen zu berücksichtigen", appelliert Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch. (red)

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