••• Von Paul Hafner
Nicht alle Fragen, die im Zuge der Coronakrise auftauchen und um die Zukunft kreisen, geben Anlass zur Sorge. Auch mit Ausblick auf verschiedene verheerende Auswirkungen, die uns schon ereilt haben und noch ereilen werden, scheint es einen Aspekt zu geben, der positiv heraussticht: unser Konsumverhalten.
Ein Wort, das Fairtrade Österreich-Geschäftsführer Hartwig Kirner in diesem Zusammenhang gerne verwendet, lautet „Rückbesinnung”. Er ortet eine neuentdeckte Wertschätzung der Lebensmittel und die Hinwendung zu regionalen Lebensmitteln hält er für „total begrüßenswert” und gerade, was den Grundbedarf angehe, für „essenziell”; das Verbraucherbewusstsein komme aber auch der fairen Produktion in tropischen Gebieten zugute.
Österreich im Spitzenfeld
Der in Österreich mit Fairtrade-Produkten erzielte Gesamtumsatz im Vorjahr wird auf 351 Mio. € geschätzt – „ein Zuwachs von 5,4 Prozent”, wie Kirner bestätigt. Ein deutliches Wachstum gibt es in den größten Kategorien Bananen (13%), Kaffee (11%) und Kakao (6,9%).
„Österreich ist bei den Märkten weiterhin unter den Top vier, was den Pro-Kopf-Verbrauch betrifft - wir gehören ganz eindeutig zum Spitzenfeld”, so Kirner. Unter den Fairtrade-Ländern weltweit stelle Nachzügler Deutschland derzeit den „dynamischsten Markt” dar, was wiederum heimischen Partnerfirmen zugutekomme, die mit fairer Produktion nun auch im Nachbarland ein an Bedeutung gewinnendes Verkaufsargument haben.
Was den heimischen Markt betrifft, attestiert Kirner dem Lebensmittelhandel eine wichtige Vorreiterrolle und freut sich über stetig wachsende „Sichtbarkeit”; die teilweise bzw. komplette Umstellung auf Fairtrade-Kakao von Markenartiklern wie Heindl, Manner und Berger in den letzten Jahren stelle einen „deutlichen Schwenk in Richtung Fairtrade dar”, der sich auch im Regal zeige. Auch bei den Diskontern habe sich – gerade bei Saisonwaren – „ganz viel getan”.
Stolz ist Kirner darauf, dass bei der 20%igen-Erhöhung des Mindestpreises auf Fairtrade-Kakao „so gut wie alle Partnerfirmen mitgezogen” seien – eine Maßnahme, die die Lebensbedingungen der Bauern in denProduzentenländern erheblich verbessern.
Der Faktor Corona
Kirner geht davon aus, dass „im Zuge des krisenbedingten Bio-Booms” auch die Nachfrage nach Fairtrade-Produkten steige; wenn man etwas Positives an der Krise sehen wolle, sei dies, „dass Lebensmittel wieder an Wert gewonnen haben”.
Aber werden sich die Veränderungen im Bewusstsein der Verbraucher als nachhaltig erweisen? „Davon bin ich zutiefst überzeugt”, lässt Kirner keinen Zweifel zu.
Derartige Einsichten könne man in Entwicklungsländern, „wo man ohnehin schon von der Hand in den Mund leben muss”, freilich nicht erwarten; Kirner erinnert daran, dass dort „auch die Gesundheitsversorgung eine ganz andere ist, dort gibt es auch weder staatliche Hilfsprogramme noch Kurzarbeit”. Fairtrade leiste vor allem Informations- und Aufklärungsarbeit; aus den Prämiengeldern von Fairtrade werden Gesundheitsmaßnahmen finanziert, etwa Schutzmasken bereitgestellt – um zumindest einen gewissen Schutz vor Ansteckung bei der Arbeit zu bieten. Noch melden die Anbauländer in Afrika geringe Infektionszahlen, in Brasilien etwa verbreitet sich das Virus rasant.
Lehren der Krise
Während 38 Mrd. € an Hilfsgeldern im Kampf gegen die Rezession fließen, herrscht Uneinigkeit, ob die Coronakrise nun – wie Experten fürchten – den Klimaschutz in Vergessenheit geraten lässt oder ob die Pandemie umgekehrt das Durchsetzen von Maßnahmen und ein allgemeines Umdenken sogar forciert.
Kirner reiht sich aufseiten der Optimisten ein: „Vor ein paar Monaten wäre es undenkbar gewesen, über Einschränkungen im Flugverkehr zu diskutieren –jetzt haben wir den Flugverkehr quasi abgestellt, und es geht auch”, argumentiert er. Was man aus der Krise lernen könne, sei, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren.
Die Klimakrise sei noch um ein Vielfaches schlimmer als die Corona-Pandemie, denn bei ihr gehe es „potenziell um das Überleben eines großen Teils der Menschheit”. Die Einschränkungen, die wir in Kauf nehmen müssten, „um den Planeten nicht zu verbrennen”, wie Kirner es salopp ausdrückt, seien im Vergleich zu den Lockdown-Maßnahmen, „ein Pappenstiel”. Die Krise halte die richtigen Lehren bereit – wichtig sei es nun, sie auch zu ziehen.