RETAIL
© Martina Berger

Redaktion 06.12.2024

Man muss aus Big Data Smart Data machen

Der medianet Round Table erörterte diesmal Rolle und Potenzial saisonaler Anlässe für die Kundenbindung.

••• Von Oliver Jonke und Georg Sohler

 

Das Weihnachtsgeschäft gilt für den Handel als das „5. Quartal”. Doch können saisonale Anlässe tatsächlich zur Kundenbindung beitragen? Diese Frage diskutierte medianet-Herausgeber-Oliver Jonke mit einer hoch­karätig besetzten Expertenrunde.

Walter Lukner, Geschäftsführer des Multipartner-Bonusprogramms Payback, stellte eingangs klar: „Ja, das ist möglich, wenn man das Wissen über die Vorlieben der Kunden richtig anwendet und ihnen entsprechend relevante Kaufimpulse gibt.”Charlotte Braunstorfer, seit bald zwei Jahren Marketingleiterin bei Tchibo und zuvor unter anderem bei Hofer und Mondelez tätig, konkretisiert für ihr Unternehmen: „Über 2,5 Mio. Haushalte haben eine TchiboCard – das ist jeder zweite österreichische Haushalt. Wir kennen unsere Kunden sehr gut und wissen daher, dass viele Tchibo als die Adresse für Weihnachtsgeschenke sehen und auch aufsuchen.” Kommunikation direkt an den Kunden gerichtet führt unabhängig vom Kanal zu mehr Traffic. Dabei sei zielgerichtetes Vorgehen entscheidend – „die ‚Gießkanne' hilft hier nicht.”
Markus Cserjan, Head of Consumer Mass Market bei A1, denkt bei dem Nutzen von Aktionen eher an andere Dinge: „Extreme Angebote. Der Kunde erwartet sich bei uns einfach das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.” Eine Incentivierung durch Weihnachten oder sonstige Konsumanlässe scheint hier also sinnvoll.
Egal welchen Ansatz man wählt, die entsprechenden Abläufe müssen passen. Diese Idee kann man vom Mobilfunk auf andere Konsumgüter umlegen, ist Dieter Scharitzer überzeugt. Der WU-Marketingprofessor, Marktforscher und Unternehmensberater (TQS Research & Consulting ) meint, dass die Bindung nicht nur auf „Schnäppchen” zurückzuführen sein sollte: „Es muss dann für mich auch einfacher gehen, zusätzlich zu Preisvorteilen oder dem Punktesammeln.”

Traffic steuern

Das Saisongeschäft hat generell Vor- und Nachteile. Auf der Habenseite steht, dass man weiß, dass Saisonware zu ebenjener Zeit gekauft wird und die Kaufbereitschaft dafür gegeben ist: Weihnachtskugeln werden nicht im Juni gekauft. Umgekehrt ­handelt es sich bei so prominenten Konsumanlässen wie Weihnachten auch um eine Herausforderung. Das gilt für die Logistik, die Mitarbeiter vor Ort sowie auch für die Online-Architektur.

Anlassbezogene Informationen wie Newsletter, Mailings, Push-Nachrichten und Kataloge steigern die Frequenz. Über Loyalty-Maßnahmen aufgebaute Daten können in diesem Zusammenhang genutzt werden, um Kundenströme zu kanalisieren und Spitzen zu glätten, führt etwa Lukner an. Abgesehen von Weihnachten gilt jedoch auch: „Es ist ständig für irgendwas Saison.” Braunstorfer nickt zustimmend. Tchibo steht für ein wöchentlich wechselndes Sortiment. Die Kommunikation erfolgt an die kundenrelevanten Kaufanlässe angelehnt, ob nun Neujahrsvorsatz, Valentinstag oder Ostern. Der Schlüssel, Verkaufsanlässe und Loyalty klug zu nützen, sind Daten.

Big Data war gestern

An diesem Punkt, so Scharitzer, dürfte sich schon einiges getan haben, bzw. ist die Datenverarbeitung im Gegensatz zu früher heute kein Thema mehr. „Eine gute Datenbasis regt alle Prozesse entlang der Wertschöpfungskette an. Wenn man nicht weiß, was wann wie bestellt ist, kann man es nicht bereitstellen”, meint er. Das sei auch der Grund, warum Amazon so kurze Lieferzeiten schaffe: Man weiß, was passiert. KI dürfte dieser Entwicklung noch einen zusätzlichen Push geben. Schon heutzutage werden mittels KI ganze Personas erstellt –was gerade in Österreich sehr wichtig ist, werden hierzulande doch die Daten nur sehr selektiv hergegeben.

Allerdings müssen hier einige Dinge mitbedacht werden. Denn, so Braunstorfer: „40 Prozent der Menschen wollen nicht zu viele Daten hergeben, insofern muss ich mir als Unternehmen schon überlegen, welche Daten tatsächlich für ein optimiertes Kundenerlebnis relevant und notwendig sind.” Big Data, das sei dank DSGVO ohnehin von gestern. Lukner merkt an: „Man muss aus Big Data Smart Data machen – und um die Daten richtig zu analysieren, braucht es Data Science-Profis.” Doch bevor sich diese Frage stellt, müssen die Kunden erst kaufen – und der Datennutzung zustimmen.

Bedürfnis versus Rabatt

Allerdings bewegen sich alle, die ihre Kunden an sich binden wollen, in einem schwierigen Umfeld. Um das zu illustrieren, führt Cserjan Preisvergleichsplattformen an. Auf diesen muss ein Mobilfunker unter den Top 5 gelistet sein, um registriert zu werden. Der Unterschied zwischen 9,87 € und 9,84 € pro Monat kann viel ausmachen. Allerdings: Der Mobilfunkmarkt ist umkämpft, er nennt diesen gar „wahnsinnig aggressiv. Kunden wissen, dass die Angebote kommen. Sie warten darauf.”

Das betrifft jedoch auch andere Bereiche. Möbelhäuser werben mit bis zu 70% Rabatt, auch der Lebensmittelhandel gibt bis zu 25%. Lukner stellt klar: „All das führt zur Frustration, weil manche Branchen derartige Prozente nicht geben können.” Schließlich sind die Margen selten so hoch oder ein derartiges Modell leistbar. Und, so Scharitzer: „Wenn nur noch über den Preis gesprochen wird, bleibt nur noch dieser übrig.” Oder, wie es Braunstorfer formuliert: „Auf dieses Spiel lassen wir uns nicht ein. Unsere Kunden kommen, weil sie uns vertrauen.”

Das Wollen steht am Anfang

Der Ausgangspunkt für den Kontakt zwischen Konsument und Händler ist stets ein Bedürfnis. Wenn Menschen ein Geschäft betreten bzw. einen Webshop ansurfen, dann wollen sie einen Bedarf decken bzw. stöbern. Das kann von einem bewussten Kaffee­hausbesuch über Einkaufserledigungen bis zum Preisvergleich alles sein. Braunstorfer sagt: „Wirsind dort, wo die Menschen sind und haben bei unserem Sortiment sowie unseren Aktionen stets unsere Kunden im Fokus. Positive Wechselwirkungen gibt es innerhalb des Konzepts aus Kaffeegenuss vor Ort, Kaffee für zu Hause und den wöchentlichen Kollektionen.”

Ein Kundenprogramm braucht mehr als gelegentlich eine gratis Tasse Kaffee, sondern ganz andere Faktoren machen aus Neu- eben Stammkunden. Aus ihrer Sicht funktioniert gute Bindung nicht ohne die entsprechend geschulten und motivierten Mitarbeiter. Rund einmal im Monat schauen die Kunden vorbei, im Schnitt wird 5,5 Mal jährlich etwas gekauft.
Das ist auch beim Mobilfunk so. Während für viele Österreicher A1 und die Vorwahl 0664 wichtig sind, können hierzulande Neuangekommene damit weniger anfangen. Für sie braucht es dann auch entsprechende Angebote, etwa auch mit Freiminuten ins Nicht-EU-Ausland.
Was bleibt also übrig? Wer weiß, was der Kunde will, tut sich viel leichter, ebendies zu bieten. Tchibo ist beispielsweise gut in das so wichtige Weihnachtsgeschäft gestartet; für den Mobilfunk, gerade im Low Value-Bereich, ist Weihnachten nicht so wichtig. Das Bonusprogramm Payback freut sich über viele gut performende Partner. Es bleibt aber spannend, nicht nur hinsichtlich Loyalty. Scharitzer meint abschließend: „Es gibt eine Multikrisenstimmung. Vorher durfte ich nicht, jetzt will oder kann ich nicht mehr. Menschen kaufen aber gern anlassbezogen ein.” Eine klug umgesetzte Kundenbindung kann diesen Wunsch unterstützen.

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